UN-Behindertenrechts-Konvention
25.03.2009
Anfrage: Umsetzung der UN-Behindertenrechts-Konvention
Anfrage: Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention) beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe
Sachverhalt und Fragen :
Seit dem 1. Januar 2009 gilt in Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention – BRK). Die Konvention präzisiert und ergänzt bereits bestehende menschenrechtliche Standards unter dem besonderen Blickwinkel der Menschen mit Behinderung. Behinderung wird als normaler Bestandteil menschlichen Lebens und als Quelle kultureller Bereichung in der Gesellschaft verstanden. Die Konvention fordert von Staat und Gesellschaft die freiheitliche und soziale Inklusion von Menschen mit Behinderung.
Der Schutzumfang der Konvention erfasst alle bürgerlichen, politischen sowie die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte. Gleichzeitig soll die Konvention vor „Diskriminierung aufgrund von Behinderung“ schützen. In dem Übereinkommen der Vereinten Nationen verpflichten sich die Vertragsstaaten unter anderem zu geeigneten Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln sowie Information und Kommunikation zu ermöglichen.
Die Fraktion Bündnis90/die Grünen bittet die Verwaltung in diesem Kontext um Beantwortung folgender Fragen:
Allgemein:
- Wie wird das Personal auf dem Gebiet der in der UN-Konvention anerkannten Rechte geschult, damit die aufgrund dieser Rechte garantierten Hilfen und Dienste besser geleistet werden können. (Artikel 4,1, i)?
- Wie wird der LWL zukünftig bei der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten, die Menschen mit Behinderungen betreffen, mit den Betroffenen – einschließlich Kindern mit Behinderungen – über die sie vertretenden Organisationen enge Konsultationen führen und sie aktiv einbeziehen. (Art. 4,3)?
- Welche Maßnahmen kann der LWL treffen zur Sicherung der vollen Entfaltung, der Förderung und der Stärkung der Autonomie der Frauen, um zu garantieren, dass sie die in der UN-Konvention genannten Menschenrechte und Grundfreiheiten ausüben und genießen können (Art. 6,2)?
- Welche Maßnahmen kann der LWL treffen, um den ungehinderten/barrierefreien Zugang zu Informationen des Verbandes (Druckerzeugnisse aller Art und Internetauftritte) zu ermöglichen (Art. 9)?
- Wie wird der LWL gewährleisten, dass bei öffentlichen Veranstaltungen Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen die ihnen angemessenen Technologien und/oder Dolmetscher zur Verfügung stehen ohne zusätzliche Kosten (Art. 21)?
- Welche Baumaßnahmen sind mit welcher Priorität geplant, um die Gebäude des LWL (insbesondere die Verwaltungsgebäude und die Kliniken) barrierefrei zu machen? Welche Ausstattungen sind geplant (z. B. Informationstafeln in Blindenschrift) (Art. 9)?
Schulen
- Welchen Beitrag kann der LWL als Schulträger leisten, um Kindern mit Behinderung den vollen Zugang zum allgemeinen Bildungssystem zu ermöglichen bzw. um Kinder mit Behinderung aufgrund ihrer Behinderung nicht vom allgemeinen Bildungssystem auszuschließen (gemeinsamer Unterricht) (Präambel , v; Art. 24,2)?
Kindertageseinrichtungen
- Sieht der LWL Konsequenzen aus der UN-Konvention für den Bereich der Betreuung von Kindern in heilpädagogischen Kindergärten, bzw. im Ausbau der Einzelintegration? Wenn ja, welche?
Eingliederungshilfe:
- Wie kann der LWL sicherstellen, dass betroffene Menschen mit Behinderungen an Regionalplanungskonferenzen / Koordinierungsgremien beteiligt werden? (Art. 4,3)
- Wie wird der LWL bei allen seinen Anstrengungen im Rahmen der Eingliederungshilfe konkret die Geschlechterperspektive einbeziehen (Präambel, s)?
- Welche Maßnahmen wird der LWL ergreifen, um im Hilfeplanverfahren für Hilfen zum Wohnen Barrierefreiheit zu optimieren (leichte Sprache, Braille-Schrift usw.)?
- Um beim Zugang zum Persönlichen Budget eine ungehinderte Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit der betroffenen Menschen zu gewährleisten, sind besondere Maßnahmen (z. B. Beratung) vonnöten. Wie wird der LWL dies gewährleisten? (Art. 12,3)?
- Menschen mit Behinderungen (haben) gleichberechtigt die Möglichkeit…, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und sind nicht verpflichtet, in besonderen Wohnformen zu leben. (Art. 19) Wie kann der LWL bei der Bereitstellung von Wohnraum (ambulant oder stationär) dieses Recht umsetzen?
- Wie kann der LWL in Zusammenarbeit mit den Gebietskörperschaften mehr gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen zur Verfügung stellen, die die Teilhabe an der Gemeinschaft erleichtern (Art. 19,c)?
- In welcher Weise kann der LWL behinderte Eltern bei der Wahrnehmung ihrer elterlichen Verantwortung unterstützen (Art. 23,2)?
- Durch welche Hilfen und Maßnahmen kann der LWL ggf. verhindern, dass Kinder von ihren Eltern getrennt werden, weil die Eltern oder ein Elternteil behindert sind/ist (Art. 23,4)?
- Welche Anstrengung wird der LWL unternehmen, um ein behindertes Kind, dessen Eltern nicht in der Lage sind, für das Kind zu sorgen, innerhalb der weiteren Familie oder innerhalb der Gemeinschaft in einem familienähnlichen Umfeld zu versorgen (Art. 23,5)?
Pflege- und Förderzentren:
- Welche speziellen Maßnahmen plant die Verwaltung für seine Wohnverbünde, um dort den Anforderungen der Konvention gerecht zu werden?
Insbesondere: - Welche baulichen Erfordernisse ergeben sich aus der Forderung der Konvention, die Privatsphäre jedes Menschen zu achten (Einzelzimmer) (Art. 22)?
- Welche besonderen Maßnahmen wird der LWL ergreifen, um dem Recht aller Menschen mit Behinderungen im heiratsfähigen Alter, auf der Grundlage des freien und vollen Einverständnisses der künftigen Ehegatten eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen, Geltung zu verschaffen (Art. 23, 1, a)?
- Wie kann den Menschen in den Einrichtungen des LWL zu ihrem Recht auf freie und verantwortungsbewusste Entscheidung über die Anzahl ihrer Kinder und die Geburtenabstände sowie auf Zugang zu altersgemäßer Information sowie Aufklärung über Fortpflanzung und Familienplanung verholfen werden (Art. 23, 1,b)?
Begründung:
Die Un-Konvention begründet einen Paradigmenwechsel: Von der Integration von Menschen mit Behinderungen, die auf die Defizite der Betroffenen focussiert und sie „trotz“ ihrer Behinderung in die Gesellschaft der „Normalen“ eingliedern will hin zur Inklusion, die fordert, dass jedem Menschen ermöglicht werden muss, an allen gesellschaftlichen Angeboten / Aspekten teilzuhaben und dass niemand aufgrund seiner körperlichen oder seelischen „Beschaffenheit“ davon ausgeschlossen werden darf. Dies bedeutet, dass Barrieren jedweder Art, die Menschen daran hindern, am öffentlichen Leben teilzunehmen, so weit wie möglich abgebaut werden müssen.
Diesem Paradigmenwechsel muss auch beim LWL Rechnung getragen werden.
gez. Gertrud Meyer zum Alten Borgloh, Gisela Holtz, Catharina Vincke, Anneliese Pieper