GRÜNE ziehen Konsequenzen aus Pipeline-Geschäft
GRÜNE im LWL ziehen Konsequenzen aus Pipeline-Geschäft der West-LB:
KONTO BEI DER WESTDEUTSCHEN LANDESBANK GEKÜNDIGT
Als Konsequenz aus der Haltung der West-LB zum umstrittenen Bau einer Erdöl-Pipeline in Ecuador haben am heutigen Tag die GRÜNEN im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) ihre Geschäftsbeziehungen zur Bank beendet und ihr Konto gekündigt. „Wir wissen, dass dies nur ein symbolischer Schritt ist, der die West-LB vermutlich kalt lassen dürfte“, so Heinz Entfellner, Fraktionssprecher der LWL-Fraktion der GRÜNEN. „Aber wir wollen nicht Kunden einer Bank bleiben, die so hartnäckig und unbelehrbar an einem Projekt festhält, das sich in Ecuador ökologisch und sozial verheerend auswirken wird.“
Die offizielle Haltung des Landschaftsverbandes, der als Gewährträger mit knapp 12 % an der West-LB beteiligt ist, zum Pipeline-Projekt in Ecuador sei von der Überzeugung geprägt gewesen, dass bei Umsetzung des Projektes die Umweltstandards der Weltbank eingehalten würden. „Dem hat jüngst die Weltbank selbst in einem offiziellen Schreiben widersprochen, und das ist schon ungewöhnlich genug“, argumentiert Heinz Entfellner für die GRÜNEN. In dem Schreiben fordere die Weltbank die Projektträger auf, in der Öffentlichkeit nicht länger die Behauptung aufzustellen, das Pipeline-Projekt entspreche den Weltbankstandards, und empfehle stattdessen die Durchführung einer unabhängigen Studie.
„Wir haben Landesdirektor Wolfgang Schäfer als Mitglied des Verwaltungsrates der West-LB in diesem Zusammenhang aufgefordert, die Haltung des LWL zu dem Projekt im Lichte des Weltbank-Schreibens neu zu überdenken. Denn die Glaubwürdigkeit eines öffentlich-rechtlichen Geldinstitutes erfordert es, dass die Gewährträger und die politisch Verantwortlichen zuverlässige Maßstäbe an die Einhaltung von Umwelt- und anderen Standards bei der Abwicklung derartiger Projekte legen. Die Haltung der West-LB und ihrer Gewährträger ist enttäuschend und blamabel“, so Entfellner abschließend. Die Fraktion habe daher beschlossen, das fraktionseigene Konto bei der Landesbank aufzulösen.
Und hier das Kündigungsschreiben:
An die
Westdeutsche Landesbank
Girozentrale Münster
Friedrichstraße 1
48145 Münster
19.03.2002
Kündigung unseres Girokontos mit der Nr. 31 55 421 bei der West-LB Münster,
Sehr geehrte Damen und Herren.
hiermit kündigt die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Landschaftsverband Westfalen-Lippe das Girokonto unter der Nr. 31 55 421 mit sofortiger Wirkung. Einen etwaigen Rest-Saldo bitten wir unserem Konto Nr. 1020 06 3400 bei der SEB AG Münster (BLZ 400 101 11), Roggenmarkt 14-16, gut zu schreiben.
Den Schritt einer Kontokündigung haben wir uns nicht leicht gemacht, zumal die Geschäftsbeziehungen zur West-LB Münster seit November 1984 reibungslos verliefen. Er ist jedoch die Konsequenz aus der Haltung der West-LB zum umstrittenen Bau einer Erdöl-Pipeline in Ecuador. Wir sind uns dabei durchaus bewusst, dass die Kündigung nur ein symbolischer Schritt ist, der die West-LB vermutlich kalt lassen dürfte. Aber wir wollen nicht Kunden einer Bank bleiben, die so hartnäckig und unbelehrbar an einem Projekt festhält, das sich in Ecuador ökologisch und sozial verheerend auswirken wird.
Die West-LB hat in ihrer Beurteilung des Pipeline-Projektes an verschiedenen Stellen auf die Einhaltung der Umweltstandards der Weltbank verwiesen. Die Weltbank selbst hat allerdings in einem Schreiben an den geschäftsführenden Direktor der OCP, das auch der West-LB zugegangen ist, diese Aussage deutlich korrigiert. Die Weltbank wehrt sich mit diesem Schreiben dagegen, dass ihr Name – infolge öffentlicher Äußerungen der OCP und der West-LB – mit dem Projekt in Verbindung gebracht wird und stellt fest, dass sie sich grundsätzlich nicht zur Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit ihren Umweltstandards von solchen Projekten äußere, die sie nicht selbst finanziere oder auf andere Weise unterstütze.
Wörtlich führen Ian Johnson und David de Ferranti für die Weltbank (i.d.F.d. Übersetzung) aus: „Folglich möchten wir empfehlen, dass OCP eine unabhängige Überprüfung der Einhaltung der Weltbank-Standards durchführen läßt, oder alternativ dazu es unterläßt, eine solche Übereinstimmung zu beanspruchen.“
Dennoch hat die WestLB wiederholt erklärt, dass die Einhaltung der Weltbank-Standards grundsätzliche und unverzichtbare Voraussetzung ihres Engagements in der ausländischen Projektfinanzierung ist. Nach bisherigen Aussage der West-LB bestätigen die vorliegenden Gutachten angeblich die Einhaltung der Weltbank-Standards bei Planung und Bau der Pipeline.
Entscheidend für die Bewertung der OCP-Pipeline in dieser Hinsicht sind die Richtlinien (Safeguard Policies) der Weltbank. Das sind Minimalstandards, die unvertretbare Schäden an Mensch und Natur verhindern sollen. Im Zentrum der Begutachtung der Pipeline stehen insbesondere zwei Richtlinien der Weltbank:
- Umweltverträglichkeitsprüfung (OP (=Operational Policy) 4.01 Environmental Assessment),
- Biotop-Schutz (OP 4.04 Natural Habitats),
Es dürfte keinen Zweifel geben, dass ein Projekt wie die OCP-Pipeline im Rahmen der Weltbank-UVP-Richtlinie als so genanntes „A“-Projekt eingestuft wird. Dafür gelten besonders strenge Vorkehrungen. Die bisher identifizierten zentralen Verstöße gegen die Weltbank-Standards durch die OCP sind:
- Betroffene Bevölkerungsgruppen und lokale Nicht-Regierungsorganisationen müssen mindestens zwei Mal im Laufe des UVP-Verfahrens konsultiert werden: in der Scoping-Phase, wenn die Terms of Reference für die UVP festgelegt werden und dann, wenn die Ergebnisse der UVP im Entwurf vorliegen. Diese Bestimmungen wurden nach unseren Erkenntnissen durch die OCP nicht eingehalten.
- Die Einreichung der UVP am 16.04.2001, also nach dem Vertragsabschluss zwischen OCP und ecuadorianischer Regierung am 15.02.2001, entspricht nicht den Weltbank-Standards. Gleiches gilt für die Einräumung einer Frist von nur 27 Tagen für öffentliche Kommentare zu der 1.500 Seiten langen UVP. Die vollständige UVP war sogar erst am 30.04.2001 öffentlich einsehbar – 15 Tage vor Ende der Kommentierungsfrist.
- Zu den weiteren Erfordernissen einer Prüfung nach Weltbank-Richtlinien für ein „A“-Projekt gehört u.a. die Berücksichtigung der direkten, indirekten und induzierten Auswirkungen in der gesamten Einflusssphäre des Projekts (Strategic Environmental Assessment). Diese Analyse wurde durch die Entrix-UVP nicht geleistet. Die Frage der induzierten Folgen für Natur und Mensch in der Förderregion Amazonas wurde in der Entrix-Studie vollkommen außer Acht gelassen. Die Indigenen-Richtlinie der Weltbank stellt hingegen fest, dass alle Projekte mit direkten und indirekten Folgen für die Kulturen und Territorien indigener Völker diese frühzeitig in die Projektplanung einbinden müssen und im Dialog negative Auswirkungen für diese Völker vermieden bzw. abgefedert werden müssen.
- Die UVP enthält ferner keine systematische Analyse von Alternativen (einschließlich der im Regelwerk der Weltbank obligatorischen Nullvariante der Nicht-Realisierung). Der von der Weltbank geforderte Vergleich zwischen den ökologischen Auswirkungen verschiedener Routenführungen unterbleibt. Die Breite des Untersuchungskorridors von zwei km sowie die zeitliche Begrenzung der Einzeluntersuchungen an ausgewählten Standorten auf drei Tage erfüllen nicht die Kriterien der Weltbank. Diese Mängel führen nach unserer Auffassung zu einer fehlerhaften Einschätzung des Erhaltungswertes der betroffenen Naturräume.
- Die ebenfalls von der Weltbank geforderten umfangreichen Untersuchungen des Grund- und Oberflächen-Wasserhaushalts sowie der Böden haben nicht stattgefunden. Gleichermaßen defizitär ist die Risikoanalyse, in der u.a. die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls ebenso wie die Ausbreitungswahrscheinlichkeit und –geschwindigkeit des Eindringens von Erdöl ins Grundwasser durchgerechnet werden müsste. Darüber hinaus fehlt ein Havarie- oder Notfallplan (Oil Spill Response Plan), der beispielsweise für die mögliche Gefährdung der Trinkwasserversorgung von Quito von hoher Relevanz wäre.
- Besonders augenfällig ist die Verletzung der Weltbank-Standards hinsichtlich der ökologischen Kompensationsmaßnahmen und des Umweltmanagement-Plans. Es erfolgt keine Ausweisung von ökologisch gleichwertigen Kompensationsflächen. Das Budget des von OCP vorgelegten Umweltmanagement-Plans umfasst lediglich 5 Mio. US-$ zur Überwachung und zum Management der tatsächlichen Umweltfolgen der Pipeline.
- Die UVP muss nach Weltbank-Vorgaben durch unabhängige GutachterInnen erstellt werden, die dem Projekt durch kein weiteres Vertragsverhältnis verbunden sind. Es gibt Hinweise darauf, dass die Firma Entrix, die mit der UVP beauftragt wurde, zusätzlich Ingenieurleistungen für die OCP erbringt.
- Im Fall von risikoreichen Projekten oder solchen mit multidimensionalen Auswirkungen sollte der Investor eine Beratergruppe aus unabhängigen, international anerkannten UmweltexpertInnen einsetzen, die ihn in allen Dingen berät. Dies hat OCP nach unserem heutigen Kenntnisstand bisher nicht gemacht. Die Beteiligung von CECIA, der einheimischen Vogelschutzorganisation und Partner von BirdLife International, erfolgt im Rahmen eines Auftrags zur Beobachtung der Vogelpopulationen in einem eng begrenzten Ausschnitt der Pipeline. CECIA ist vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet. BirdLife International hat deshalb öffentlich der Feststellung der West-LB widersprochen, seine Mitwirkung sei Teil eines unabhängigen Überprüfungsprozesses. Die von dieser NRO vorgebrachten Verbesserungsvorschläge für minimale Routenänderungen wurden nur zum Teil berücksichtigt.
Vor diesem Hintergrund sehen wir als politische Entscheidungsträger keine Möglichkeit für weitere Geschäftsbeziehungen zur Westdeutschen Landesbank. Wir bitten die Kontoauflösung möglichst umgehend zu vollziehen und bitten um schriftliche Bestätigung.
Mit freundlichem Gruß
gez. Heinz Entfellner
Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Im Landschaftsverband Westfalen-Lippe