Haushaltsrede 2008
06. Mär. 2008
Haushaltsrede 2008 – Heinz Entfellner, Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im LWL am 06.03.2008
Heinz Entfellner, Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im LWL am 06.03.2008
Haushaltsrede 2008
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrter Herr Landesdirektor,
sehr geehrte Damen und Herren,
dieser Haushalt ist erstmalig in einem neuen Gewand vorgelegt worden. Für Verwaltung und Politik war die Umstellung auf das Neue Kommunale Finanzmanagement eine echte Herausforderung, insbesondere auch, weil der Abschied vom kameralen Denken manch einem nicht leicht fällt. Dass uns der Einstieg ins „NKF-Denken“ gelingen konnte, ist auch den Informationsveranstaltungen der Verwaltung anzurechnen. Wir danken den verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – insbesondere denen der Kämmerei – für ihren tatkräftigen Einsatz und die Unterstützung.
Der neue NKF-Haushalt soll in Zukunft mehr Transparenz in die Ressourcenverteilung und den Ressourcenverbrauch bringen und der Politik die Steuerung der Prozesse besser ermöglichen. Diese Steuerung wird in Zukunft über Produkte, deren Ziele und überprüfbare Kennzahlen erfolgen. Da mit der Aufstellung dieses Haushalts ein erster Aufschlag versucht wurde bezüglich der Produkte und Kennzahlen, sind wir nun zusammen gefordert, gegebenenfalls andere Schwerpunkte zu setzen oder weitere Ausdifferenzierungen vorzunehmen.
Vor uns liegt also eine ausführliche Diskussion mit den Fachabteilungen über die sinnvolle Ausgestaltung der Produkte, deren Zielsetzungen und die ihnen zugeordneten Kennzahlen. Zu einer solchen Diskussion hat die Verwaltung in den erwähnten Veranstaltungen auch ausdrücklich aufgefordert. Meine Fraktion hat dazu schon im vergangenen Jahr wie auch bei den diesjährigen Haushaltsberatungen konkrete Vorschläge in einzelnen Bereichen vorgelegt.
Über Ihre Reaktionen in den Fachausschüssen, meine Damen und Herren von CDU und SPD, sind wir allerdings mehr als irritiert. Man kann ja durchaus unterschiedlicher Meinung über die Definition von Zielen oder die Aussagefähigkeit bestimmter Kennzahlen sein. Aber dass genau diese Auseinandersetzung mit den Strukturen und Definitionen des NKF-Haushaltes eine eminent wichtige Aufgabe – auch und gerade der Politik – ist, daran gibt es für mich und meine Fraktion keinen Zweifel. Wenn Sie es ablehnen, darüber zu diskutieren und den uns vorgelegten Haushaltsentwurf gemeinsam weiterzuentwickeln, dann verfestigt sich bei uns nur der Eindruck, dass Sie an mehr Transparenz und politischer Gestaltung
überhaupt nicht interessiert sind. Ich knüpfe hieran deshalb heute die Bitte und die Aufforderung an Sie und an die Verwaltung, eine solche Auseinandersetzung mit den Zieldefinitionen und Kennzahlen des Haushaltes in den Fachausschüssen nachzuholen und zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren,
Herr Dr. Baur, Sie haben bei der Einbringung des LWL-Haushaltes für 2008 weit in die Geschichte zurückgegriffen (ich zitiere): „Vor über 500 Jahren (1494, kurz nach der Entdeckung Amerikas)…“ – so fing Ihre Rede an. – Ich könnte noch weiter zurückgehen, auf das Jahr 1356, in dem der deutsche Kaiser mit einer „Goldenen Bulle“ das Münzrecht der Kurfürsten in Deutschland anerkannte – eine Lizenz zur eigenen Herstellung von Geld.
Solch eine Lizenz könnte der LWL angesichts des Debakels um die West LB gut gebrauchen. Es sind ja immerhin stolze 120 Millionen Euro, verursacht auch durch eine fatale Mischung aus Gier und Unvermögen, die das den LWL und mithin auch seine Gebietskörperschaften und letztlich die Steuerbürgerinnen und Steuerbürger kostet.
Wir haben den Beschluss, dieses Geld bereitzustellen, mit Zorn mitgetragen, wissend um die Verantwortung, die wir als Miteigentümer der Bank haben, und um letztlich größeren Schaden abzuwenden. Wenn man dem Sprichwort: “Aus Schaden wird man klug“ vertrauen kann, dann ist die West-LB künftig gut aufgestellt, wenn die handelnden Verantwortungsträger der Bank nur halb so klug geworden sind, wie der Schaden groß ist.
Ihnen, Herr Landesdirektor, gilt an dieser Stelle mein Dank für die jederzeit umfassende und offene Information über das Geschehen.
Eine Lizenz zur eigenen Herstellung von Geld hat der LWL nicht. Unsere Finanzmittel sind begrenzt, und es sind die Gelder der Mitgliedskörperschaften und Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Grund genug also, mit diesen Mitteln sparsam und effizient zugleich zu wirtschaften. Das tut dieser Verband. Und er tut es in den letzten Jahren mit „eiserner Hand“, wenn ich an die Haushaltsbegleitbeschlüsse und deren Konsequenzen denke. Immer weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen die Aufgaben des Verbandes qualifiziert erledigen, schnell, effektiv und kundinnen- und kundenfreundlich. Und das bei tendenziell steigenden Anforderungen. Konsequenz der Verwaltung daraus: Eine weitere Streichung von 30 Stellen in diesem und je weiteren 30 Stellen in den beiden Folgejahren.
Wie soll das weitergehen? Wie will der Verband mit den Konsequenzen in den einzelnen Fachabteilungen und den vielfältigen Einrichtungen vor Ort umgehen? Wie reagiert der LWL auf den damit einhergehenden Erfahrungs- und Know-How-Verlust?
Sie können doch nicht erwarten, dass der LWL seine Aufgaben auf Dauer mit immer weniger Personal bewältigen kann. Und Sie, meine Damen und Herren der „Großen Koalition“ machen sich zum Beispiel bei der Stellenstreichung in den Bereichen Pressestelle und Gleichstellungsstelle noch nicht einmal die Mühe, selbst zu definieren, welche Aufgaben denn künftig nicht mehr erledigt werden sollen, oder zumindest nicht mehr so umfangreich und qualifiziert. Gerade die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist doch das Instrument, um den „unbekannten Riesen“ LWL wirksam und öffentlichkeitswirksam darzustellen.
Am 20. November 1999 ist das Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesgleichstellungsgesetz – LGG – NRW) in Kraft getreten. Leistungsbezogene Quotierungsregelung, Pflicht zur Aufstellung von Frauenförderplänen, flankierende Regelungen zu Personalauswahlverfahren, familienfreundliche Arbeitszeiten, damit Frauen und Männer Beruf und Familie besser vereinbaren können. – Bereits diese beispielhafte Aufzählung zeigt die Bandbreite des mit dem LGG angesprochenen Instrumentariums – und damit eines Teils der Aufgabenstellung einer Gleichstellungsstelle. Konsequenz der Verwaltung: Streichung einer weiteren halben Stelle der ohnehin unterbesetzten Dienststelle für Gleichstellungsangelegenheiten.
Und es ist letztlich doch politische Feigheit, die sich bezogen auf die Gleichstellungsstelle in der Haltung dokumentiert, die der personalpolitische Sprecher der CDU in der Sitzung am 07.12.2007 an den Tag gelegt hat. – Zitat aus der Niederschrift dieser Sitzung: “Nach Ansicht von Herrn Baumann ist davon auszugehen, dass die Verwaltung gesetzeskonform handele. Sofern eine nicht hinnehmbare Einschränkung in der Aufgabenerledigung eintrete, werde die Verwaltung sicherlich einen anderen Vorschlag unterbreiten“. – Für eine solche Haltung muss man gar nicht mal gutgläubig sein, da reicht schon Blauäugigkeit vollkommen aus.
Der Schwerpunkt bei den diesjährigen Haushaltsberatungen meiner Fraktion lag in den Bereichen Klimaschutz und CO2-Reduzierung. Dazu haben wir – neben den Einzelanträgen hinsichtlich eines Ausstiegs aus der RWE-Beteiligung und der Verwendung der Erlöse aus dem RWWE-Verkauf für Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung – eine Initiative unter dem Titel „Der LWL auf dem Weg zur CO2-Neutralität“ eingebracht.
Eine utopische Zielformulierung? Vielleicht – aber wir verfolgen damit die Zielrichtung, die aus unserer Sicht jetzt dringend erforderlich ist. Und wir sind mit dem vereinbarten Verfahren einverstanden, nicht schon hier und heute über die erforderlichen und möglichen Maßnahmen zu befinden, sondern dies auf der Grundlage einer fundierten Verwaltungsvorlage in einer Sondersitzung des Umwelt- und Bauausschusses zu tun.
Ausweislich des letzten Energieberichtes summiert sich der Energieverbrauch des LWL aus Heiz- und Stromenergie für das Jahr 2003 auf rund 263.000 MWh (das entspricht etwa 26.300.000 Liter Heizöl EL). Die aus dem Energieverbrauch resultierenden CO2-Emissionen lagen bei rund 64 Millionen Kilogramm.
Spätestens seit den Berichten des Weltklimarates dürften Ausmaß und Ursachen der Klimaveränderungen durch CO2 und Treibhausgase unstrittig sein. Sollten die Treibhausgasemissionen nicht umgehend radikal reduziert werden, muss in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mit einer dramatischen Verschärfung des Treibhauseffektes und seiner Folgen gerechnet werden. Bei einer CO2- Emissionsmenge von etwa zwei Tonnen pro Mensch und Jahr würden Natur und Klima vielleicht noch im Gleichgewicht bleiben können. In Deutschland produzieren wir jedoch pro Kopf und Jahr durchschnittlich 10 Tonnen CO2, in Nordrhein-Westfalen wegen der hohen Braunkohleförderung sogar 16 Tonnen!
In einem Interview in der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 04.10.2007 hat Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ausgeführt:“(…) Kein Mensch hat per se das Recht, dem Klima mehr Schaden zuzufügen als andere.“ Damit ist neben dem Thema Klimaschutz auch die Frage nach der globalen Gerechtigkeit aufgeworfen.
Damit die Menschen in den sich technisch erst entwickelnden Ländern Handlungsspielraum bekommen, müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, unseren Energiebedarf schnellstmöglich CO2- bzw. klimaneutral zu decken. Dazu gehören Maßnahmen zur Vermeidung von CO2- Emissionen, zur effizienteren Energiegewinnung und Energienutzung, zum sparsameren Umgang mit Energie, zur optimalen Wärmedämmung von Gebäuden und zum Einsatz neuester umweltfreundlicher Technik und Steuerung für Heizung und Warmwasserbereitung bis hin zum Einsatz maximal energiesparender Geräte im Büro- und EDV-Bereich und einer nachhaltigen Mobilität. Wir sind gespannt, welche konkreten Vorschläge die Verwaltung in diesem Jahr präsentiert, und wir werden uns kritisch und konstruktiv damit auseinandersetzen.
Ich komme zum Schluss: Trotz aller positiver Aspekte im Einzelnen überwiegen für uns die Schattenseiten des Haushaltes und nach den Ergebnissen der Einzelberatungen in den Fachausschüssen können und werden wir diesem Haushalt nicht zustimmen. Gleichwohl sagen wir zu einer Entscheidung ganz deutlich Ja: die Senkung der Landschaftsumlage zur Entlastung der Mitgliedskörperschaften findet unsere ausdrückliche Zustimmung, auch wenn für den letzten Zehntelpunkt die Gegenfinanzierung finanzpolitisch nicht eben solide ist. Andererseits muss hier niemand die Finanzsituation der Kreise, Städte und Gemeinden beschreiben – die kennen Sie alle nur zu gut.
Ich betone unsere prinzipielle Zustimmung zur Umlagesenkung deshalb besonders, weil uns der Beschlussvorschlag zum Haushalt keine Gelegenheit zur differenzierten Abstimmung lässt.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.