LWL-Haushalt 2009
Rede Heinz Entfellner zum LWL-Haushalt 2009 (26.02.2009)
Heinz Entfellner – Fraktion Bündnis 90/GRÜNE im LWL: Rede zur Verabschiedung des LWL-Haushaltes 2009 in der Landschaftsversammlung am 26.02.2009
Sehr geehrte Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren Abgeordnete, Herr Landesdirektor!
Same procedure as every year….
Wie all die Jahre zuvor spielt der Inhalt des über 2 Milliarden schweren Haushalts des Landschaftsverbandes auch dieses Mal in der öffentlichen Debatte fast keine Rolle. Es geht ausschließlich um seine Finanzierung, sprich: die Höhe der Umlage.
Und alle Jahre wieder werfen die Mitgliedskörperschaften dem Verband vor, auf ihre Kosten großzügig zu wirtschaften und keinen Sparwillen zu haben, obwohl er doch “reich” sei und drohten dieses Jahr sogar mit Klagen.
Und, alle Jahre wieder senkt der LWL seine Umlage, solange, bis ihn die dadurch entstandenen Haushaltsfehlbeträge und Kostensteigerungen in der Eingliederungshilfe dazu zwingen, sie wieder zu erhöhen, wobei diese Erhöhungen mit eherner Regelmäßigkeit in den Haushaltsberatungen wieder reduziert werden.
Und, hat uns dieses Vorgehen über die Jahre auch nur einen Schritt weitergebracht? Nein, die Spielräume werden auf beiden Seiten enger. Und das, weil die kommunalen Haushalte strukturell unterfinanziert sind. Wir können uns nicht gemeinsam am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen, der Landschaftsverband kann die Finanzprobleme der Kommunen nicht wirklich lösen.
Meine Damen und Herren!
Ich nehme, wie Sie alle, die Sorgen und Nöte der Kreise und kreisfreien Städte sehr ernst. Und darum frage ich, was kann der LWL tun, was tut er, um die Finanznöte seiner Mitgliedskörperschaften zu lindern, wenn er sie denn nicht lösen kann? Wirtschaftet er verantwortungsvoll, spart er?
Ja, er spart! Und das oft auch gegen unsere GRÜNE Überzeugung. Ich erinnere nur an die Haushaltsbegleitbeschlüsse von 2003, die in manchen Bereichen einer Radikalkur gleichkamen.
Aber auch in diesem Haushalt wird gespart. Der Sozialhaushalt ist wie immer “auf Kante genäht” und hat den nächsten Haushaltsfehlbetrag schon “eingepreist”, trotz der großen Herausforderungen, die in diesem Bereich auch 2009 auf uns zukommen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle aus der Sicht meiner Fraktion die wichtigsten Ziele dabei nennen:
Das Prinzip einer solidarischen und auf Selbstbestimmung der Menschen gerichteten Sozialpolitik muss sich niederschlagen in dem Bemühen, für Menschen mit Behinderungen ihren Bedarfen angemessene Standards zu erhalten oder zu schaffen und ihnen zu ermöglichen, in Selbstbestimmung am Leben teilzuhaben. Dies gilt auch in Zeiten knapper Mittel.
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung muss für den LWL Anlass zu Veränderungen werden: Das neue Paradigma heißt dabei Inklusion – alle Bereiche des Lebens werden so gestaltet, dass Menschen mit Behinderungen Teilhabe ermöglicht wird. Der Slogan des LWL “Wir Unternehmen Gutes” ist vom Fürsorgegesichtspunkt geprägt. Eine neue Philosophie sollte Einzug halten unter dem Motto: Wir ermöglichen den Menschen ein Leben in Selbstbestimmung, und das bedeutet konkret unter anderem
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Einen offensiven Umgang mit dem Instrument des Persönlichen Budget;
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Menschen, die einen hohen Unterstützungsbedarf haben, müssen nicht aus Kostengründen im Heim bleiben, wenn sie das ambulant unterstützte Wohnen in Anspruch nehmen möchten;
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Der für Menschen mit Behinderung bislang vorgezeichnete Weg der Aussonderung von der Elementarerziehung über die Förderschule in die Werkstatt muss so frühzeitig wie möglich durchbrochen werden, um echte Teilhabe zu ermöglichen.
Aus aktuellem Anlass möchte ich hier noch hinzufügen, dass der LWL als Schulträger auch die Verpflichtung hat, die Rahmenbedingungen zu schaffen und verbindlich einzuhalten, um die Fahrten der Schülerinnen und Schüler zu und von den Förderschulen sicher und – und das gilt für Schüler/innen und für Fahrer/innen gleichermaßen – mit hohen Qualitätsstandards zu gewährleisten.
Gespart wird beim LWL auch im Personalbereich. Hier lässt sich ja bekanntlich am schnellsten das meiste einsparen. Eine anhaltend restriktive Personalpolitik, neue Aufgaben für die Beschäftigten und eine erhebliche Arbeitsverdichtung führen zunehmend zu Belastungen. Von einem betrieblichen Eingliederungsmanagement, immerhin seit 2004 gesetzlich vorgeschrieben, und einer umfassenden betrieblichen Gesundheitsförderung ist nichts festzustellen. Bezeichnend zudem für den Stellenwert der Frauenförderung im LWL insgesamt nur so viel: Wir GRÜNEN mussten mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde den Innenminister des Landes anrufen, um den Rechtsvorschriften des Gleichstellungsgesetzes NRW hier beim LWL Geltung zu verschaffen.
Auch im Bereich Umwelt und Ressourcenschonung wird gespart im LWL. Hier jedoch zukünftig auf nachhaltige und positive Weise:
Mit dem Einstieg in das Energiepolitische Konzept sollte das bisher stiefmütterliche Dasein der Klima- und Energiepolitik im LWL ein Ende gefunden haben. Wir begrüßen das, zumal uns allen angesichts der rasant fortschreitenden Klimakatastrophe auch keine andere Lösung bleibt, als soviel CO2 wie möglich einzusparen. Wenn sich dies bei den stark gestiegenen Energiepreisen auch noch rechnet, ist das mehr als ein positiver Nebeneffekt: Es ist ein unbedingtes Muss, im Sinne von Klima und Geldbeutel in Energieeinsparung zu investieren, da es gleich doppelt lohnt.
Den Worten des Konzeptes müssen nun natürlich auch Taten folgen. Der Zeitplan ist – zugegebenermaßen – ehrgeizig, das Personal (noch) nicht komplett. Die Analyse, sprich: Datenerfassung ist der erste wichtige Schritt zu weiteren Planungen. Positiv ist auch der Einstieg in eine Zusammenarbeit mit “Solar lokal” zu bewerten, um Investoren Dachflächen für Photovoltaik zur Verfügung zu stellen. Eine gute Symbiose von Ökologie und Ökonomie, die bereits viele Kommunen eingehen.
Für die GRÜNE Fraktion ist das verabschiedete Energiepolitische Konzept erst der Einstieg. Eine Ausweitung auf klimaoptimierte gesunde Ernährung in allen unseren Einrichtungen und ein nachhaltiges Beschaffungswesen, einen Fuhrpark mit Fahrzeugen, die unter 120 g/km CO2 emittieren und die Festschreibung von Umweltzielen und Kennzahlen im Haushalt, werden von uns weiter verfolgt werden.
Wir stellen fest, der LWL spart bereits. Mal mehr, mal weniger sinnvoll, aber an etlichen Stellen bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus. Wo also soll noch gespart werden?
- Vielleicht indem die Standards weiter gesenkt, wieder 4-Bett-Zimmer in unseren Einrichtungen eingeführt werden?
- Oder indem sich der LWL in außertarifliche Beschäftigungsverhältnisse flüchtet?
- Oder indem wir eine weit über Westfalen-Lippe hinaus geschätzte Institution wie den Jugendhof Vlotho sterben lassen?
- Oder indem wir Verzicht auf Kulturprojekte üben, unsere Museen – wie etwa Kloster Dalheim als Museum von durchaus Europäischem Rang – zu langweiligen Kultur- und Kunstsammelstellen oder zu begehbaren Baudenkmälern verkümmern lassen?
Ich meine, und das ist meine Überzeugung, der LWL ist an der Grenze möglichen und sinnvollen Sparens angelangt. Weitere Einsparungen gehen ausschließlich zu nicht mehr vertretbaren Lasten der Menschen, für die wir Verantwortung tragen – einschließlich unserer Beschäftigten.
Eine Möglichkeit des Sparens wurde allerdings vertan: die sonst so sparfreudige Verwaltung schlug vor, die anrechenbaren Zeiten für spätere Pensionsansprüche der Wahlbeamtinnen und Wahlbeamten freiwillig und spürbar zu erhöhen. Diesem Vorschlag haben Sie, meine Damen und Herren im Landschaftsausschuss, mehrheitlich zugestimmt. Ein provokanter Akt oder einfach Gedankenlosigkeit? Jedenfalls: Dies ist ein falsches Signal in Richtung unserer Gebietskörperschaften.
Neben ernsthaft vorgetragener und ernstzunehmender Kritik aus den Mitgliedskörperschaften gab und gibt es auch immer viel Polemik, über die wir selbstbewusst hinweggehen sollten. Und neben den Kommunen, die in der Haushaltssicherung stecken oder Nothaushalte fahren, gibt es auch solche, die haushaltsmäßig noch erträglich dastehen und zudem Nettogewinner aus der Umlage sind. Dass Sie, Herr Paul, als Vertreter eines solchen Kreises – der Kreis Herford hat 2007 41 Mio € an Landschaftsumlage gezahlt und rund 64 Mio € an Leistungen des LWL zurückerhalten – den Landschaftsverband als kommunalunfreundlich hinstellen und damit ein Klischee bedienen, das ärgert mich.
Dreist finde ich es allerdings, dass Sie als Fraktionsvorsitzender in Kreistag und Landschaftsversammlung öffentlich verkünden, der LWL solle seine sozialen und kulturellen Leistungen aus eigener Kraft finanzieren und nicht auf Kosten seiner Mitgliedskreise. Wissen Sie denn wirklich nicht, wie ein Umlageverband funktioniert oder ist dies – dann allerdings dilettantisch angegangener – Vorwahlkampf oder vielleicht nur Stimmungsmache für Ihren Dauerantrag, sofort alle wirtschaftlichen Beteiligungen des Verbandes zu verkaufen?
Das bringt mich vom Thema “Sparen” zum Thema “reicher Verband”.
Eines schon mal vorweg: klar ist, auch der Verkauf sämtlicher Beteiligungen löst nicht das Problem eines strukturellen Haushaltsdefizits.
Da ist zum einen die Beteiligung an der WestLB und an der NRW.Bank. Würden wir beide heute veräußern, wir müssten mit Sicherheit noch Geld drauf legen. Mehr noch, beide haben uns bereits und werden uns vermutlich noch hunderte Millionen Euro kosten. Die nächste Finanzkrise kommt bestimmt.
Die Konsequenz kann nur heißen: Raus aus der WestLB, ja sogar raus aus der NRW.Bank, wenn auch diese Beteiligung droht, Millionen- oder gar Milliardenverluste zu generieren. Hier geht es jetzt darum, den bestmöglichen Weg und den bestmöglichen Zeitpunkt zu finden, um die Verluste so gering wie möglich zu halten.
Und auch für Beteiligung an der RWE-AG drängt sich eine Veräußerung geradezu auf:
Höchstrichterlich festgestellt bildet RWE gemeinsam mit EON ein Monopol bei der Stromversorgung zum Schaden der Verbraucher. Und die mit überhöhten Strompreisen erwirtschafteten Milliardengewinne investiert RWE eben nicht in Kraft-Wärme-Kopplung oder regenerative Energien, sondern in Kohle-Dreckschleudern im Ausland und in höchst risikoreiche Atomkraftwerke wie z.B. jetzt in Belene in Bulgarien. Dies alles hat mit kommunaler Daseinsvorsorge nicht mehr das Geringste zu tun. Es kann und darf nicht Aufgabe des LWL sein, eine solche Geschäftspolitik als Aktionär mit zu tragen.
Der Protest heute vor dem Landeshaus – einer von vielen in zahlreichen deutschen Städten – zeigt, dass es ein ernstzunehmendes öffentliches Interesse daran gibt, gegen die Geschäftspolitik von RWE als großem Atomlobbyisten vorzugehen und sie zu verhindern. Das sollte Sie nachdenklich machen!
Denjenigen unter Ihnen, die bei einem möglichen Verkauf der RWE-Aktien der Dividende von 4,50 € nachtrauern, sei in Erinnerung gerufen, dass wir beantragt haben, die Verkaufserlöse der RWE-Aktien in tausende Solardächer in Westfalen und Lippe zu investieren. Die Energieeinspeisevergütung garantiert Kapitalerhalt und eine angemessene Rendite.
Dies ließe sich relativ kurzfristig realisieren und wäre ein eigenes kleines aber feines westfälisches Konjunkturprogramm zur Abmilderung der durch die Finanz- und Wirtschaftskrise entstandenen Folgen. Der LWL hätte durch den Verkauf seiner RWE-Beteiligung das Potential, gemeinsam mit seinen Mitgliedskörperschaften eine entscheidend klimafreundlichere Energieversorgung in Westfalen-Lippe zu realisieren.
Die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise ist in ein, zwei Jahren Geschichte. Die Bewältigung des Klimawandels aber ist die größte Herausforderung der Menschheit im 21, Jahrhundert und erfordert in den nächsten Jahrzehnten absolut konsequentes Handeln.
Meine Damen und Herren!
Meine Fraktion wird diesen Haushalt ablehnen, der an vielen Stellen vom falschen Sparen gekennzeichnet ist und in einigen Bereichen nicht nachhaltig aufgestellt ist.
Dem Antrag, die Umlage nicht, wie vom Kämmerer vorgeschlagen, um 1,2 %-Punkte sondern lediglich um 0,6 %-Punkte auf dann 15,2 Punkte zu erhöhen, stimmen wir zu.
Und das, obwohl uns klar ist, dass dies finanzwirtschaftlich ein unsolides Vorgehen ist, das uns und unsere Mitgliedskörperschaften in den nächsten Jahren wieder einholen wird. Wir tun das aus der in den letzten Tagen und Wochen viel beschworenen Solidarität mit den Kreisen und Städten unseres Verbandes.
Die Anmerkungen zum Umlageverhalten habe ich deshalb angebracht, weil der Abstimmungsmodus zum Haushalt uns keine Möglichkeit für eine getrennte Abstimmung lässt.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!