Rede LWL-Haushaltes 2007
22. Feb. 2007
Rede zur Verabschiedung des LWL-Haushaltes 2007
Heinz Entfellner – Fraktion Bündnis 90/GRÜNE im LWL
Rede zur Verabschiedung des LWL-Haushaltes 2007
in der Landschaftsversammlung am 22.02.2007
(es gilt das gesprochene Wort)
Sehr geehrter Herr LWL-Direktor,
sehr geehrte LWL-Dezernent/innen,
verehrte LWL-Versammlungsvorsitzende,
meine Damen und Herren LWL-Abgeordnete,
in den vergangenen Wochen und Monaten hat ein äußerst „gewichtiges“ verbandspolitisches Thema die Debatten wie auch die öffentliche Wahrnehmung des LWL bestimmt: Anhand „kiloschwerer“ Vorlagen und Präsentationen fand die mit der Einführung eines neuen LWL-Logos einhergehende Umbenennung sämtlicher Einrichtungen und die Änderung von Richtlinien unter der Dachmarke „LWL“ statt. Der Ältestenrat befasste sich mit diesem Thema in drei Sitzungen, der Landschaftsausschuss und die Fachausschüsse ebenfalls in mehreren Sitzungen – und selbst die Landschaftsversammlung ist heute zum zweiten Mal Ort der Debatte zur Umbenennung von LWL-Einrichtungen bis hin zur Änderung der Flagge. Manch einer spricht bereits von einer „LWL-isierung Westfalens“.
Wenn man die Presselandschaft der letzten Monate betrachtet, dann hat der LWL hierdurch bundesweit eine eher zweifelhafte Berühmtheit errungen. Das neue Logo haben wir ja noch mitgetragen, aber man konnte nicht im Entferntesten ahnen, welche Kirsch-Blüten das bei der Umbenennung der Einrichtungen treiben würde….
Ja haben wir denn keine anderen Probleme, meine Damen und Herren? Muss der Verband wirklich seit Monaten eine öffentliche Nabelschau um Logo, Flagge und Westfalenross veranstalten? Dient diese Art von Öffentlichkeitsarbeit tatsächlich dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe, seinen Verbandsinteressen und vor allem den ihm anvertrauten Menschen? – Die Antwort können Sie sich alle selbst geben.
Dabei gibt es wichtige inhaltliche Fragen und Herausforderungen genug:
Im Jahre 2008 kommt das Thema „Persönliches Budget“ auf uns zu. Es wird z.B. auch ein kostenträgerübergreifendes Budget für Leistungsempfänger/innen möglich werden. Das ist ein spannendes und wichtiges Thema. Dazu hätte der Verband sich inzwischen inhaltlich positionieren können – und muss es nun dringend nachholen.
Das Thema „Alte Menschen mit Behinderungen“ wird zunehmend drängender. Wie stellen wir uns als Verband auf diese Entwicklung ein? Auch hier wäre ein aussagekräftiges LWL-Wort wünschenswert, ja notwendig.
Zum Problemkreis „Arbeit für Menschen mit Behinderungen“ und zu den aus allen Nähten platzenden Werkstätten würden wir wegweisende Richtungsangaben der Verwaltungsspitze begrüßen. Insbesondere Alternativen in Integrationsfirmen und auf dem 1. Arbeitsmarkt müssten erarbeitet werden. Da reicht es nicht, Zielvereinbarungen mit den Werkstatt-Trägern anzukündigen oder bloß anzudenken.
=> Selbst die inhaltlichen Themen des Haushaltes gerieten ja fast in den Hintergrund:
So etwa die Frage der therapeutischen Versorgung an den Förderschulen. Wir GRÜNEN können unter den aktuellen Rahmenbedingungen dem Einzelplan Schule nicht zustimmen. Die Versorgung der Schülerinnen und Schüler mit therapeutischen Angeboten insbesondere in den Förderschulen für körperliche und motorische Entwicklung verschlechtert sich von Jahr zu Jahr. Den steigenden Schüler/innenzahlen wird von Ihrer Seite nicht Rechnung getragen, eine Anpassung des therapeutischen Personals findet nicht statt.
Das bedeutet, dass sich die Versorgung der Kinder von einer ursprünglichen Quote von 1:16 in Richtung 1:24 verschlechtert – im Gegensatz zu unserem Schwesterverband LVR, der die Quote von 1:16 beibehalten und die Stellen auch tatsächlich besetzt hat! Das ist ein Unterschied von 50%, meine Damen und Herren! Und das bedeutet auch, dass sich die Lebensverhältnisse der Kinder in den beiden Landesteilen in unverantwortlichem Maße auseinander entwickeln. Wir haben diesen Trend bereits im vergangenen Jahr moniert und werden – solange sich hier nichts ändert, das auch weiterhin aufs Schärfste kritisieren.
Seit dem Haushaltsbegleitbeschluss aus dem Jahre 2003 sind die Mittel für den Personalhaushalt knapp bemessen, das wird niemand von Ihnen bestreiten wollen. Und wir bleiben bei unserer Kritik, dass Sie vor den Folgen solcher Beschlüsse die Augen verschließen und auch die Suche nach differenzierten Lösungen, um Schaden abzuwenden, eher die Ausnahme bilden.
Umso mehr begrüßen wir, dass Sie einvernehmlich unserem Anliegen zugestimmt haben, den Kultureinrichtungen und Museen mehr Eigenverantwortung einzuräumen, ihr Personal- und Sachkosten-Budget so zu bewirtschaften, dass die Ressourcen unter angespannten Rahmenbedingungen dezentral und bedarfsgesteuert effektiver eingesetzt werden können. Die Verwaltung hat zugesagt, ein entsprechendes Konzept zur dezentralen Personalkostenbewirtschaftung zu erstellen und den Ausschüssen vorzulegen.
Zum Thema Elternzeit – einem wichtigen Instrument zur Unterstützung junger Eltern, Berufstätigkeit und Familie miteinander in Einklang bringen zu können: Legt man die proklamiertem Absichten der CDU zu Grunde, nämlich Familienpolitik als Schwerpunktthema zu behandeln, dann hätten doch Sie selbst, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, den Antrag stellen müssen, die Wiederbesetzungssperre bei Elternzeiten hier beim LWL endlich wieder aufzuheben – oder zumindest unserem Antrag zustimmen. Und der offiziellen SPD-Position entspricht eine solche Haltung wohl auch kaum, die ja de facto Familienpolitik und Frauenförderung hintan stellt.
Doch nein, Sie bleiben bei Ihrem Beschluss, dass auf Kosten von Frauen – denn Frauen sind es, die in der Mehrheit Elternzeiten in Anspruch nehmen müssen – das Personalbudget saniert wird. Schlimmer noch, Sie vertreten im LWL die Auffassung, je weniger Frauen sich trauen, die gesamte Elternzeit von drei Jahren in Anspruch zu nehmen, auch um die Kollegen und Kolleginnen nicht noch mehr zu belasten, um so eher haben diese die Sicherheit, an ihren eigenen Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Dass eine solche Auffassung im Ausschuss auch noch offensiv von der Verwaltung unterstützt wird, wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der Frauenförderung hier im Hause.
Und auch einem anderen Thema stellt der LWL sich aus unserer Sicht viel zu spät und viel zu zögerlich:
Sie haben offenbar, meine Damen und Herren, trotz erster positiver Ansätze in der geplanten Nutzung von oberflächennaher Geothermie im letzten Umwelt- und Bauausschuss noch immer nicht richtig verstanden, dass wir mitten im Klimawandel stecken, der nach dem Bericht des UN-Klimarates katastrophale Auswirkungen haben wird und in der Intensität allenfalls abzubremsen ist, wenn alle Anstrengungen unternommen werden, die CO2-Emissionen zu stoppen.
Bis 2020 sollen die Treibhausgase laut Umweltminister Gabriel um mindestens 30 % reduziert werden. Da waren wir mit unserer Forderung, bis 2010 die Investitionskosten für eine maximal 15 %-ige Einsparung berechnen zu lassen, ganz auf dem Kurs der Großen Koalition. Nur im Westfalenparlament hat das noch keine der großen Fraktionen gemerkt – stattdessen werden wir GRÜNE im Umwelt- und Bauausschuss als „Gutmenschen“ dargestellt, und damit wird im Ergebnis das Thema einer nachhaltigen Energiepolitik des Verbandes marginalisiert.
Deutschland steht an 6. Stelle der Treibhausgas-Sünder der Welt und ist entsprechend mitverantwortlich für „Katrina“ in New Orleans und „Kyrill“ im Sauer- und Siegerland. Wer die Frage nach der Wirtschaftlichkeit bei Investitionen in Solarenergie stellt, der muss auch vorrechnen, welche Kosten die Klimaerwärmung verursachen wird.
Letzter Punkt: CDU und SPD weigern sich, durch Zieldefinitionen im doppischen Haushalt die politischen Vorgaben im Verband zu setzen. Ich zitiere eher selten den Innenminister des Landes NRW, Dr. Ingo Wolf, aber hier hat er Recht, wenn er sagt: „Die kaufmännischen Instrumente schaffen Transparenz – die Politik schafft Ziele. Beides zusammen macht den Mehrwert des NKF aus“. Davon haben wir in den Haushaltsberatungen der anderen Fraktionen nichts gemerkt. Einhaltung von Umweltstandards bei den Einkaufsaktivitäten, ressourcen- und klimaschonende Mobilitätssicherung und ein schrittweiser Umstieg auf regionale Erzeugnisse und Biokost sind Ziele in den Kurzbeschreibungen der Produktgruppen, die ein erstes Zeichen für einen nachhaltigen Haushalt gesetzt hätten.
Alles Themen, meine Damen und Herren, zu denen sich der Landschaftsverband verhalten müsste, zu denen wir aber in den vergangenen Monaten der „LWLomanie“ wenig vernehmen konnten. Und was wieder einmal besonders auffiel, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD: wirkliche inhaltlich-politische Debatten zum Haushalt finden in den Fachausschüssen nicht statt. Es gibt keinen Wettbewerb um die besten politischen Ideen, es gibt keine Debattenkultur, und es gibt kein Aufeinander-Hören, kaum ein Den-Anderen-Ernstnehmen in den Beratungen. Das alles scheinen Sie nicht zu brauchen, solange Sie der gegenseitigen unausgesprochenen Unterstützung der jeweils anderen größeren Fraktion sicher sein können.
Nach den Ergebnissen der Einzelberatungen können und werden wir diesem Haushalt 2007 nicht zustimmen. Gleichwohl sagen wir zu einer Entscheidung ganz deutlich Ja: Die Senkung der Landschaftsumlage zur Entlastung der Mitgliedskörperschaften findet unsere ausdrückliche Zustimmung, auch wenn für den letzten Zehntelpunkt eine Gegenfinanzierung auf dem Wege der Nettoneuverschuldung finanzpolitisch nicht eben solide ist. Andererseits muss hier niemand die Finanzsituation der Kreise, Städte und Gemeinden beschreiben – die kennen Sie alle nur zu gut. Ich betone unsere prinzipielle Zustimmung zur Umlagesenkung deshalb besonders, weil uns der Beschlussvorschlag zum Haushalt keine Gelegenheit zur differenzierten Abstimmung lässt.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.