gender mainstreaming
20. Okt. 2010
„gender mainstreaming und Gesundheit / Psychiatrie“
Protokoll der Klausur des AK Frauen vom 11./12.7.03 in Herten zum Thema
„gender mainstreaming und Gesundheit / Psychiatrie“
Inhaltsangabe:
An diesem Wochenende gab es eine Fülle von Diskussionen und Themen zu „gender und Gesundheit/Psychiatrie“, sowie einige interessante Vorträge von Fachmenschen. Diese habe ich unten kurz aufgelistet und mit Textmarken versehen, sodass die Themen/Vorträge, die in den normalen Protokollverlauf eingebettet sind, mühelos aufgefunden und angesteuert werden können.
1. Die Mutter-Kind-Station in Herten – ein Angebot für Frauen, die postpartal an Depressionen oder Psychosen erkrankt sind und ihre Neugeborenen
– Gespräch mit dem ärztlichen Leiter der Klinik in Herten, Herrn Dr. Turmes
2. Bericht von der Enquetekommission des Landtags NW „Frauen und Gesundheit“
– Sprechzettel einer Veranstaltung der Kommission, von Marianne Hürten
3. Erfahrungen sexualisierter männlicher Gewalt in der Lebensgeschichte heute alter Frauen
– Gespräch mit Frau Martina Böhmer, Buchautorin, lange selbst in der Altenpflege tätig
4. Gender-Ansätze in der stationären Psychiatrie
– Vortrag und Gespräch mit Monika Voß – Büter, als Wissenschaftlerin in diesem Bereich tätig für das Gesundheitsministerium des Landes Niedersachsen
Freitag, den 11.7.03
Gespräch mit Herrn Dr. Turmes, ärztlicher Leiter der Klinik in Herten
* Mutter-Kind-Station
Die Mutter-Kind-Station ist mit dem Chefarzt von Dortmund nach Herten umgezogen; in Dortmund ist eine Ambulanz verblieben, wie sie jetzt auch in Herten zusätzlich eingerichtet wird. In Herten gibt es jetzt 4 stationäre Plätze, dies soll demnächst auf 14 ausgeweitet werden plus 4 Tagesplätze. Man finanziert den Umbau eines Hauses mit Mitteln der Ruhrkohle AG für Bergbauschäden; man hofft auf Zuschüsse von Land und Landschaftsverband.
In Deutschland gibt es insgesamt 4 solcher Zentren, die Mütter mit postpartalen Depressionen / Psychosen mit ihren Kindern zusammen aufnehmen und kombiniert behandeln. In England gibt es schon eine lange Tradition, bei dieser Diagnose die Kinder –allerdings nur mit rooming-in- mit aufzunehmen, wo sie evtl. noch eine Spieltherapie bekommen.
Auch die Säuglinge einer psychisch kranken Mutter brauchen Hilfe, weil sie durch die Krankheit der Mutter stark beeinträchtigt sind. In der Regel sind sie in ihrem emotionalen Ausdruck sehr eingeschränkt, sehr still. Wenn ein solches Baby während der Behandlung beginnt, mehr zu lachen und mehr zu schreien, sich der Mutter also insgesamt mehr zuzumuten, ist ein Erfolg abzulesen.
Es ist belegt, dass 40% der psychisch erkrankten Kinder/Jugendlichen aus Familien kommen mit psychisch kranken Eltern. Herten macht eine Begleitforschung, wie sich die auf der Mutter-Kind-Station behandelten Kinder mittel- und langfristig entwickelt haben.
Postpartale Depressionen kommen bei 10-20% der gebärenden Frauen vor, selbst in „primitiven“ Kulturen. Die Krankheit ist stark stigmatisiert, die Dunkelziffern sind hoch. Oft werden sie nur von den jungen Müttern sehr nahestehenden Personen erkannt.
Die kranken Mütter bekommen erste Hilfeangebote immer im ambulanten Bereich, wo eine Müttergruppe und eine Körpertherapie für Mutter und Kind angeboten werden. Wenn Indikationen wie z.B. Persönlichkeitsstörungen, Selbstmordneigung oder gar Kindestötungstendenzen auftreten, erfolgt eine stationäre Aufnahme, die im Durchschnitt 34 Tage dauert. Im Anschluß daran folgt eine Nachsorgebehandlung in einer ambulanten therapiegruppe. Auch eine Vätergruppe soll demnächst installiert werden, wobei diese einen geringen Obolus entrichten müssen.
Die Mutter-Kind-Station ist immer noch nicht ausreichend finanziert, auch wenn nun die AOK eine halbe TherapeutInnenstelle übernommen hat. Dies kann nur als erster Schritt in die notwendige Regelversorgung gelten; der 1,5, bis 2fache Regelsatz ist längst nicht abgedeckt; nötige Mittel werden immer noch vom Förderverein „Bei aller Liebe“ beschafft; die anvisierten Mittel aus dem BSHG für „Integrierte Versorgung“ werden nicht kommen, da diese Programme von den KK vorerst gestoppt sind. Es müßte noch geklärt werden, ob Mittel aus dem KJHG für von Behinderung betroffene Kinder requiriert werden könnten.
* Station für gewalttraumatisierte Menschen
Diese Station ist in Herten im Aufbau; es wird überlegt, ob man eine Station nur für Frauen einrichten soll: Es ist ein Muß für eine erfolgreiche Therapie , dass in der ersten Zeit kein Täterkontakt stattfinden darf. Zum mindesten ein Schutzraum innerhalb einer Station für die Frauen, die Gewalt zumeist von Männern erfahren haben, ist notwendig.
Frauen werden schon so lange mit Gewalt konfrontiert, wie die Menschheitsgeschichte existiert. Bezeichnenderweise wurde erst dann die Traumatherapie als Fachdisziplin geboren, als Männer (Soldaten) im Vietnamkrieg erkennbar traumatisiert wurden und mit hohen Selbstmordraten reagierten. Für die KK ist diese Therapieform nicht existent: Ein Trauma ist in den Augen des Medizinischen Dienst keine Krankheit; die Behandlung wird nicht finanziert.
* Gender in der Psychiatrie
In der (feministischen) Psychoanalyse sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Sozialisation, Krankheitsbildern, Diagnostik und Behandlung schon lange berücksichtigt. Die Psychiatrie, die immer noch vorwiegend biologistisch-somatisch orientiert ist, ignoriert diese Tatsachen. Nicht einmal bei der Medikamentenentwicklung und –erprobung finden geschlechtsspezifische Unterschiede ihren Niederschlag. Auch frauen- und männerspezifische Krankheiten und Reaktionen auf Belastungen (eher depressiv bzw. eher (auto)agressiv) sind bekannt, werden aber wenig in der Behandlung berücksichtigt. Es ist auch immer noch ein Tunnelblick bei ÄrztInnen zu verzeichnen, die Männern und Frauen schnell bestimmte Diagnosen zuschreiben.
Gespräch mit Marianne Hürten, MdL
Bericht von der Enquetekommission Frauen und Gesundheit:
(Bericht / Sprechzettel von einer Tagung der Enquetekommission)
Marianne Hürten, B90/Grüne
Vorsitzende der Enquete-Kommission
„Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW“
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich, Sie als Vorsitzende der Enquete-Kommission „Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW“ hier auf der Landespressekonferenz begrüßen zu dürfen. Wir arbeiten jetzt seit ca. zwei Jahren zum Thema „Frauengesundheit“ und wollen Ihnen heute Zwischenergebnisse präsentieren. Den Abschlussbericht werden wir dem Landtag nächstes Jahr im Sommer vorlegen.
Warum hatte der Landtag im Dezember 2000 überhaupt eine Enquete-Kommission zu diesem Thema eingesetzt?
Weil Frauen anders krank sind, eine andere Behandlung brauchen, dies aber in der Medizin weitgehend nicht berücksichtigt wird.
Dabei ist es so naheliegend. Frauen haben nicht nur eine andere Körperwahrnehmung und einen anderen Hormonhaushalt, sondern verfügen auch über andere Organe, Organfunktionen und physiologische Prozesse als Männer. Das bedeutet beispielweise: Ihnen müssen in manchen Fällen andere Medikamente oder andere Dosierungen verordnet werden. Hinweise dazu werden sie auf deutschen Beipackzetteln allerdings vergeblich suchen
Darüber hinaus führt die gesellschaftliche Rolle von Frauen zu anderen Belastungen aber auch zu anderen Bedürfnissen innerhalb der gesundheitlichen Versorgung. Eine alleinerziehende Mutter mit mehreren Kleinkindern erreicht nur mit großen Schwierigkeiten, dass ihr Burnout-Syndrom anerkannt wird und sie eine Mutter-Kind-Kur verschrieben und finanziert bekommt
Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ geht vielen in Bezug auf Pflege leicht über die Lippen. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass die Pflege kranker Angehörige zu enormen gesundheitlichen Belastungen führen kann. In der Regel leisten Frauen die häusliche Pflege, ohne dabei nennenswerte gesellschaftliche Unterstützung zu finden.
An diesen Beispielen erkennen Sie, dass wir in unserem Prozess, Frauen auch in ihrer Verschiedenheit wahrnehmen. Eckpunkte für eine frauengerechte Gesundheitsversorgung zu erarbeiten, heißt für uns: Verschiedene Lebenslagen in unserer Arbeit genauso zu berücksichtigen, wie die diversen Lebensphasen, wie etwa Pubertät, Muttersein, Erwerbstätigkeit, Wechseljahre und das Alter oder auch Gruppen von Frauen mit besonderen Belangen wie Migrantinnen oder Frauen mit Behinderungen.
Wie sind wir vorgegangen?
Wir haben für Frauen besonders relevante Krankheitsbilder und Themen ausgewählt und zu Arbeitsschwerpunkten der Enquete-Kommission gemacht:
o Herz-/Kreislaufkrankheiten (HKK)
o Psychische Erkrankungen inklusive Abhängigkeitserkrankungen
o Brustkrebs
o Gynäkologische Erkrankungen
o Gesundheitliche Auswirkungen von Gewalt
o Medikamente und
o Rheumatische Erkrankungen
Insgesamt haben wir zu zehn Schwerpunktthemen Arbeitsgruppen gebildet.
Die Enquete-Kommission will und muss ihre Arbeit auf das Ziel „Handlungsempfehlungen“ orientieren und hat deshalb Leitfragen erarbeitet. Wir fragen beispielsweise:
o Wie kann sichergestellt werden, dass jede Frau Zugang zu der für sie besten gesundheitlichen Versorgung erhält?
o Wie kann sichergestellt werden, dass die Lebensumstände von Frauen bei der gesundheitlichen Versorgung angemessen berücksichtigt werden?
o Wie kann eine angemessene, qualitätsgesicherte, gender-sensitive Gesundheitsförderung und Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation erreicht werden, die soziale, psychosoziale und biologische Aspekte berücksichtigt?
o Welche Maßnahmen sind im Bereich Forschung notwendig und an welchen Kriterien muss sich Forschung ausrichten, damit allen Beteiligten alle notwendigen Erkenntnisse für eine frauengerechte Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen?
Bei allen Themen, die wir bearbeiten zeigt sich immer wieder, dass die medizinische und epidemiologische Forschung hier in Deutschland geschlechtsblind ist. Es mangelt massiv an geschlechtsdifferenziert erfassten und aufbereiteten Daten. Geschlechtsspezifische Fragestellungen werden kaum berücksichtigt.
Hier muss ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Handlungsempfehlungen liegen. Die Forschung muss endlich die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bewusst wahrnehmen und zum Forschungsgegenstand machen. Die medizinische Forschung muss gegendert werden! Dies entspricht übrigens auch den Vorgaben der EU.
Die defizitäre Datenlage betrifft auch die Kostenfrage. Zunehmend mehren sich in unserer Arbeit die Anzeichen, dass die krasse Unter-, Fehl- und Überversorgung von Frauen im Gesundheitswesen enorme Kosten verursacht. Allein bezogen auf einige rheumatischen Erkrankungen wurden von Experten auf einer Fachtagung vergangene Woche Milliardenbeträge genannt, verursacht durch Fehlbehandlung und unglaubliche Diagnosezeiten von durchschnittliche acht Jahren. Es ist schon verwunderlich, dass diese enormen Folgekosten bislang kaum von Interesse sind, obwohl doch zur Zeit allerorten von Einsparungen und Reformen die Rede ist.
Wir sind nach dem Stand unserer Arbeitsergebnisse davon überzeugt, dass sich eine frauengerechte Gesundheitsversorgung mittelfristig auch ökonomisch auszahlt!
Zentrale Aufgabe der Enquete-Kommission ist es, Handlungsempfehlungen zu erarbeiten; Handlungsempfehlungen an den Landtag und die Landesregierung aber auch Handlungsempfehlungen an die Akteurinnen und Akteure des Gesundheitswesens. Um die Professionellen im Gesundheitswesen frühzeitig zu erreichen, sie mitzunehmen und zu motivieren für die notwendigen Veränderungen, haben wir bei unserem Arbeitsprozess frühzeitig auf Dialog gesetzt. Wir haben Foren geschaffen, in denen das Thema Frauengesundheit öffentlich erörtert wurde. Dabei standen drei Dinge im Vordergrund:
1. den Akteuren und Akteurinnen im Gesundheitswesen unsere Arbeitsergebnisse vorzustellen,
2. das Wissen der Expertinnen und Experten für uns nutzbar zu machen und
3. gemeinsam Handlungsempfehlungen zu formulieren.
Schon jetzt können wir feststellen, dass sich diese dialogorientierte Strategie unserer Enquete-Kommission bezahlt macht. Die derartig in unseren Prozess und unsere Meinungsbildung einbezogenen Fachleute zeigen eine hohe Bereitschaft, Maßnahmen zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von Frauen in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich umzusetzen.
Ein treffendes Beispiel dafür ist unsere Arbeit zur „Gesundheitlichen Versorgung von gewaltbetroffenen Frauen und Mädchen“.
Schätzungsweise haben über 20% aller Frauen geschlechtsbezogene Gewalt in einer Ausprägung erlitten, die ihre Gesundheit beeinträchtigen. Trotzdem ist das Gesundheitswesen in Deutschland in die Anstrengungen um Prävention, Intervention und Heilung bei Gewalt im Geschlechterverhältnis kaum eingebunden. Die Ergebnisse eine Auftragsstudie der Enquete-Kommission zeigen, dass die Zusammenhänge zwischen Gewalt gegen Frauen und Gesundheitsschädigung bei den Professionellen im Gesundheitswesen viel zu wenig Beachtung finden.
Angst- und Schlafstörungen, Störungen in der Schwangerschaft, Suchtgefährdung, chronische Schmerzen, Essstörungen, Depressionen und selbst typische Körperverletzungen werden nur selten als Folgen erlebter Gewalt diagnostiziert und entsprechend behandelt. Vielen Behandelnden fehlt es an spezifischem Wissen über Ausmaß, Folgewirkungen, Hintergründe und Dynamik von Gewalt im Geschlechterverhältnis und Vorurteile und Mythen gegenüber gewaltbetroffene Frauen sind immer noch weit verbreitet.
Gefordert ist deshalb neben der umfassenden Information über diese Zusammenhänge eine gezielte Enttabuisierung und Sensibilisierung der Fachkräfte in allen Gesundheitsberufen. Und sie müssen ermutigt werden, Patientinnen nach möglichen Gewalterfahrungen zu fragen.
Die Ergebnisse unseres Gutachtens werden mit großem Interesse von der Fachöffentlichkeit aufgenommen; sie sind Bestandteil von Informationsveranstaltungen und Tagungen weit über NRW hinaus und fließen bereits in Weiterbildungskonzepte für medizinisches Personal ein. Auch die Tagung der Enquete-Kommission im Mai hier im Landtag mit über . 200 TeilnehmerInnen zeigte deutlich, dass die Akteure und Akteurinnen im Gesundheitswesen bereitwillig auf gezielte Fachinformationen und Praxisanregungen reagieren. Die Einsicht in den Handlungsbedarf ist da und wir können daran anknüpfen.
Ein aktuelles Beispiel für den Schneeballeffekt unserer Arbeit ist eine vor wenigen Tagen eingegangene Einladung aus dem Städtedreieck Solingen, Wuppertal und Remscheid zu einer Fachveranstaltung „Gewalt + Gesundheit – Gewalt an Frauen: Herausforderungen für das Gesundheitswesen“. Als Ergebnis erhoffen sich die Veranstalter einen Kooperationsvertrag zwischen u. a. den städtischen Kliniken, Krankenkassen, niedergelassenen ÄrztInnen, Hebammen, TherapeutInnen, HeilpraktikerInnen sowie den TeilnehmerInnen der Runden Tische und Gesundheitskonferenzen.
Ein anderes Beispiel für die beteiligungsorientierte Erarbeitung von Empfehlungen ist das Thema „Frauenerwerbsarbeit und Gesundheit“. Der Frage „Wie kann frauengerechter Gesundheits- und Arbeitsschutz aussehen?“ widmete die Enquete-Kommission im Februar ein Fachgespräch. Den fachlichen Hintergrund lieferten zahlreiche ExpertInnen aus Wissenschaft, Landesbehörden, Gewerkschaften, Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und Betrieben:
Einseitige körperliche Belastungen auf der einen Seite und psychosoziale Belastungen andererseits prägen den Arbeitsalltag vieler erwerbstätiger Frauen. Zu nennen sind die vielen Stehberufe, schweres Heben und Tragen, die hohe Beanspruchung im Pflegebereich aber auch einseitige Belastungen in neuen Berufen, z.B. in Call-Centern. Relativ unbeachtet ist bis heute die arbeitswissenschaftliche Erkenntnis, dass Monotonie in der Arbeitsgestaltung und fehlende Entscheidungsmöglichkeiten wesentliche negative Stressfaktoren sind. Dazu kommen die Belastungsfaktoren Zeitdruck und hohe Arbeitsintensität.
Eine besonders stark durch Stress belastete Berufsgruppe bilden die Reinigungskräfte. Sie haben bei den Frauen mit durchschnittlich 27,5 Arbeitsunfähigkeitstagen im Jahr die höchste krankheitsbedingte Ausfallzeit
Vielfältige Forderungen zur Verbesserung der Situation der Reinigungskräfte wurden formuliert.; eine stand ganz oben: die Forderung nach einer Imagekampagne zur Verbesserung des Ansehens dieses Berufs in der Öffentlichkeit.
Geschlechtsdifferenzierte arbeitswissenschaftliche Untersuchungen gibt es leider noch viel zu wenige. Eine bezogen auf Call-Center fand heraus, dass die dauerhafte oft faIsche Beanspruchung der Stimme Frauen stärker belastet als Männer. Der Gesundheitsschutz kann durch Stimmtrainings und veränderte Arbeitsgestaltung erheblich verbessert werden.
Auch von dieser Fachtagung, lässt sich ein positives Ergebnis bereits festhalten: Frau Dr. Lehmann, Leiterin der Landesanstalt für Arbeitsschutz NRW, nahm für sich als Arbeitsauftrag mit, Handlungsanleitungen für geschlechtssensible Gefährdungsanalysen zu entwickeln.
Kommen wir zum Thema Medikamente.
Frauen und Männer unterscheiden sich nicht nur äußerlich, sondern auch hinsichtlich des Verhältnisses von Fett, Knochen- und Muskelmasse, hinsichtlich des Hormonhaushaltes und vieler Stoffwechselprozesse. Uns liegen eine Vielzahl von Belegen dafür vor, dass dies erhebliche Auswirkungen auf die Wirksamkeit und die Wirkungsweise von Medikamenten hat oder haben kann.
Um so erschreckender war für uns die Feststellung, dass dies bei der Entwicklung von Medikamenten, in den entsprechenden Zulassungsverfahren und schließlich auch in der praktischen Verschreibung und Anwendung nicht berücksichtigt wird.
So mussten wir auf einer Fachtagung zur Medikamentenversorgung in Altenheimen feststellen, dass dort insbesondere Frauen eine Vielzahl verschiedener Medikamente parallel verschrieben werden, was häufig zu unerwünschten Neben- und Wechselwirkungen führt. Besonders Schlafmittel wirken oft noch am nächsten Morgen nach, was zwangsläufig zu vielen Stürzen mit komplizierten Brüchen führt.
Unsere Schlussfolgerung ist, dass bei der Medikamentenforschung nicht nur das Geschlecht sondern auch das Alter zu berücksichtigen ist. Wir brauchen vor allem Hinweise für eine differenzierte Dosierung.
Besonders gefreut hat uns in diesem Zusammenhang, dass sich die Koordinierungsstelle für Klinische Studien an der Uni-Klinik Düsseldorf – eines von 11 Zentren in Deutschland, die Forschungsvorhaben zur Erforschung und Erprobung neuer Medikamente und Wirkstoffe begleiten – sich auf Anregung der Enquête-Kommission dieser Problematik angenommen und vor Kurzem in Kooperation mit uns eine Tagung zum Thema „Frauen in Klinischen Studien“ durchgeführt hat.
Einvernehmliches Ergebnis dieses Fachgespräches war die Forderung, Frauen in allen Phasen der klinischen Prüfung von Medikamenten zu beteiligen und die Studien geschlechtsdifferenziert auszuwerten. Ich habe diese Forderung im Auftrag der Enquete-Kommission an die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt gerichtet, mit der dringenden Bitte, dies bei der geplanten Novelle des Arzneimittelgesetzes zu berücksichtigen.
Weitere Aspekte zum vielschichtigen Thema „Medikamente“ wird jetzt Frau Howe erläutern.
Inge Howe MdL, Sprecherin der SPD-Fraktion:
Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Arzneimitteln
Seit Beginn der frauenspezifischen Gesundheitsforschung ist eine Fehlversorgung von Frauen mit Medikamenten zu beobachten. So verwundert es nicht, dass seit mehr als 30 Jahren unverändert auf folgende Tatbestände hingewiesen werden kann:
Frauen bekommen ab dem Alter von 40 Jahren deutlich mehr Medikamente (je nach Altersgruppe bis zu 70 %) verschrieben als Männer. Besonders hoch sind die Verschreibungszahlen für Frauen bei Mitteln gegen Schmerzen und zur Veränderung der Befindlichkeit. Mindestens 2/3 aller Verschreibungen für Psychopharmaka gehen an Frauen. Besonders eklatant ist die Überversorgung mit Medikamenten bei Frauen im höheren Alter (ab ca. 55 Jahren). Die so genannten umstrittenen Medikamente – hierzu gehören unter anderem Migränepräparate – werden Frauen ca. dreimal so häufig verordnet wie Männern.
Bei der Verabreichung von psychotropen Medikamenten (Medikamente die das psychische Befinden verändern, also anregen, stimulieren oder beruhigen und dämpfen, dies sind Schlafmittel, Beruhigungsmittel, Psychopharmaka, Neuroleptika, Antidepressiva, Schmerzmittel aber auch Appetitzügler) ist der Anteil der Verschreibungen und des Konsums ab dem 50. Lebensjahr bei Frauen enorm hoch. 50-jährigen Frauen werden zum Beispiel doppelt so häufig Neuroleptika verordnet wie 10 Jahre jüngeren Frauen.
Die Arbeitsgruppe „Medikamente“ der Enquetekommission hat darüber hinaus auch aufgrund der Ergebnisse des Gutachtens über die Herz-Kreislauferkrankungen von Frauen ein weiteres Gutachten zum Thema „Hormontherapie“ in Auftrag gegeben, dessen Präsentation und Auswirkung wir nach der Sommerpause erwarten.
Versorgung von chronisch-rheumatisch kranken Frauen“
(Der Begriff „Rheuma“ ist weit über 2000 Jahre alt. Er kommt aus dem Griechischen und bedeutet „fließen von Schmerzen“. Unter dem Oberbegriff „rheumatische Erkrankungen“ werden heute über 500 unterschiedliche Krankheitsbilder zusammengefasst. Ihnen ist gemeinsam, dass sie Krankheiten des Bewegungsapparates darstellen, dass sie Schmerzen und Funktionseinschränkungen verursachen und andere Organe oder Organsysteme in Mitleidenschaft ziehen können.)
Rheumatische Erkrankungen gehören zu den am weitesten verbreiteten chronischen Leiden in nahezu allen Industriegesellschaften. Rheumatische Krankheiten dominieren die Leistungsstatistiken unseres Gesundheitswesens. Sie belegen den ersten Rang bei den Arbeitsunfähigkeitstagen, den Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation und bei der Berentung wegen krankheitsbedingt verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die Angaben in den Statistiken des Gesundheitswesens zeigen, dass rheumatische Krankheiten mit enormen medizinischen und volkswirtschaftlichen Kosten verbunden sind. Auch bei den durch verlorene Erwerbstätigkeitsjahre verursachten indirekten Kosten (Mortalität, Arbeitsunfähigkeit und Invalidität) stehen die Erkrankungen von Skelett, Muskeln und Bindegewebe mit 15,7 % an der Spitze.
Die Ursache der meisten rheumatischen Erkrankungen ist weitgehend unbekannt. Neben somatischen, insbesondere genetischen Ursachen gelten bei einigen rheumatischen Krankheitsbildern äußere Belastungen als gesicherte Risikofaktoren.
Die wenigen Studien, die sich systematisch mit geschlechtsspezifischen Themen auseinandergesetzt haben, zeigen, dass Frauen häufiger von rheumatischen Erkrankungen betroffen sind und häufig schwerere Krankheitssymptome und ungünstigere Krankheitsverläufe haben.
Die Enquetekommission hat zu dieser Thematik ein Expertinnengespräch geführt und aufschreckende Erkenntnisse zu den Krankheitsbildern, Fibromyalgiesyndrom, Osteoporose und chronische Polyarthritis, – alles Krankheiten, von denen bekannt ist, dass Frauen an ihnen häufiger erkranken als Männer – gewonnen.
Fibromyalgiesyndrom
An dem Fibromyalgiesyndrom (chronischer Dauerschmerz) erkranken Frauen 8 Mal so häufig wie Männer. Es wird eine Häufigkeit von über 1% der Bevölkerung angenommen.
Viele Betroffene haben eine langjährige Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich, bis sie endlich die eindeutige Diagnose erfahren. Oft werden ihre Beschwerden nicht ernst genommen oder falsche Diagnosen gestellt.
Patienten mit Fibromyalgie leiden aber nicht nur unter Schmerzen, sondern auch an Herz-Kreislauf-Symptomen, Konzentrationsmangel, Schlafstörungen und psych. Symptomen. So ist wissenschaftlich bewiesen, dass ca. ein Drittel der an Fibromyalgie erkrankten Frauen in der Kindheit Gewalt und Missbrauchserfahrungen gemacht haben.
Bis zur Diagnosestellung des Fibromyalgiesyndroms vergehen durchschnittlich 8 Jahre.
Dies bedeutet für die Patientinnen 8 Jahre Leben mit chronischen Schmerzen, 8 Jahre an vermeidbaren ärztlichen Behandlungskosten.
Rheumatoide Arthritis
Nur ca. 20% der rd. 1.000.000 an CP erkrankten Menschen in Deutschland sind in fachärztlicher Behandlung, so Dr. Rieke Alten. Davon erkranken Frauen 4 Mal so häufig wie Männer.
Im Gegensatz zu der im Volksmund gängigen Auffassung, dass es sich bei Rheuma um eine „Alte -Leute-Krankheit“ mit ein paar geschwollenen Fingern handelt, geht es vielmehr um eine schwere, prognostisch extrem ungünstig verlaufende Systemerkrankung
mit einer hohen Krankheitslast für die Betroffenen und hohen Folgekosten für unsere Gesellschaft.
Diese Erkrankung trifft überwiegend junge Frauen und Frauen im mittleren Lebensalter, d.h. in ihrer aktivsten Lebensperiode und der produktivsten Phase ihrer Erwerbstätigkeit. Im weiteren Verlauf von 8-10 Jahren werden mehr als 60 % der Patienten wegen ihrer Erkrankung frühverrentet.
Nach Untersuchungen aus Deutschland entwickeln sich bei einer rheumatoiden Arthritis (RA) innerhalb der ersten drei Jahre bei 70% der Patienten irreversible Schädigungen der gelenknahen Knochen, bei 30% kommt es zu Handdeformitäten und 25 % werden
krankheitsbedingt berentet.
Ein Patient mit dieser Erkrankung verursacht durchschnittlich jährliche Gesamtkosten von 15.000,00 Euro. Die stationäre Behandlung ist mit 50 % der höchste einzelne Kostenblock. 1999 gab es 44.007 stationäre Behandlungsfälle, d.h. 728.124 Krankenhauspflegetage.
(Vortrag Dr. Langer)
Die Latenz zwischen den ersten Symptomen und der Erstdiagnose beträgt im Regelfall 1 bis 2 Jahre, zum Teil noch länger. Auch bei dieser Erkrankung könnten durch eine schnellere Diagnosestellung und qualitätsgesicherte Therapiemaßnahmen -auch bei den gesetzlich versicherten PatientInnen – hohe Kosten im Gesundheitssystem eingespart werden.
Osteoporose
Osteoporose entwickelt sich zur Volkskrankheit.
Ca. 5 Mio. Menschen sind an Osteoporose erkrankt, davon 80 % Frauen und 20 % Männer.
Geschätzte Kosten,: mehr als 1 Mrd. Euro jährlich, so Prof. Dr. Lakomek, Minden
Frauen werden heute ca. 7 Jahre älter als Männer. Mit zunehmenden Alter steigt das Frakturrisiko für die Wirbelsäule bis zum 80. Lebensjahr um das 8-fache, für den Oberschenkelhals um das 23-fache.
Besonders betroffen sind Frauen nach den Wechseljahren und unter einer Langzeitcortisonbehandlung, vor allem bei entzündlichen Rheumaleiden wie der rheumatoiden Arthritis (RA) zu 72 %.
20 bis 30 % der an RA erkrankten Frauen weisen als Zweitdiagnose eine Osteoporose auf.
Nach einer Oberschenkelhalsfraktur versterben 5-10 % aller Patienten noch im Krankenhaus, bis zu 60 % je nach Alter und Geschlecht und Begleiterkrankungen im ersten Jahr nach der Entlassung , 20 % der Fälle sind anschließend pflegebedürftig.
Jede 10. Frau könnte nach den Wechseljahren eine potentielle Osteoporosepatientin werden.
Trotzdem werden 50 % aller Osteoporosefälle nicht diagnostiziert. Lediglich 20 % werden nach dem neuesten Stand der Wissenschaft behandelt. Die Möglichkeiten zur Vorbeugung von Osteoporose sind immer noch nicht hinreichend bekannt.
Patienten mit Oberschenkelhalsbrüchen oder Wirbelkörperfrakturen beanspruchen 4,7 % aller Krankenhaustage, Patienten mit Herzinsuffizienz dagegen nur 3,9 % und Patienten mit Myokardinfarkt nur 1,2 % der Betten. Während derzeit ca. 130.000 Schenkelhalsfrakturen (SHF) jährlich im Krankenhaus behandelt werden, wird diese Zahl in den nächsten 10 Jahren auf ca. 150.000 Fälle und bis 2040 auf ca. 200.000 Fälle ansteigen. (Prof. Pientka am 30.6.03)
Angesichts der Milliardenkosten, die durch unzureichende Prävention und Information verursacht werden, ist es schon aus gesundheitsökonomischen Gründen nicht verständlich, warum so wenig für die an Osteoporose erkrankten Patienten getan wird.
Die alleinige international anerkannte und angewandte Methode zur Früherkennung der Osteoporose, die Osteodensitometrie (Knochendichtemessung), wird als GKV-Leistung auf Empfehlung des Bundesausschusses Ärzte und Krankenkassen nur noch nach dem ersten Knochenbruch erstattet. Damit ist die Sekundärprävention deutlich eingeschränkt.
Die Veranstaltung hat sehr krass die Versorgungsdefizite von chronisch rheumatisch kranken Frauen strukturell, qualitativ und quantitativ aufgezeigt.
Die hohe Anzahl der Patientinnen, ihre persönlichen Schicksale, gezeichnet durch extrem lange Leidenswege und verkürzter Lebenszeit lassen nur erahnen, in welchen Dimensionen sich die volkswirtschaftlichen Kosten, verursacht durch falsche oder zu späte Diagnosestellungen und Therapieansätze bewegen und wie viel Milliarden Euro im Gesundheitswesen eingespart werden könnten.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen von Frauen in Nordrhein-Westfalen
Die Enquetekommission hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem insbesondere die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Mobilität und Mortalität an Herz-Kreislauf-Erkrankungen (einschließlich Schlaganfall) unter Vergleich zwischen Nordrhein-Westfalen und der Bundesrepublik insgesamt untersucht werden sollten. Außerdem waren die geschlechtsspezifischen und regionalen Unterschiede zwischen den klassischen physischen und verhaltensbedingten Risikofaktoren Teil des Untersuchungsauftrags.
Hierbei sollten frauenspezifische Risiken, wie die Einnahme von oralen Kontrazeptiva und die unterschiedlichen Symptomwahrnehmungen bei akuten koronaren und cerebrovaskulären Ereignissen näher untersucht werden.
Im Ergebnis lässt sich sagen, dass in Nordrhein-Westfalen sowohl die Sterberaten auch als die Erkrankungsraten bei den über 55-jährigen Männern und Frauen tendenziell höher liegen als in Deutschland insgesamt.
Besondersauffällig ist die große Anzahl älterer Frauen ab dem 75. Lebensjahr.
Unabhängig von regionalen und geschlechtsspezifischen Unterschieden fiel in Nordrhein-Westfalen der hohe Anteil an regelmäßigen Zigarettenraucherinnen in den jüngeren Jahren auf, der bis zum Alter von 50 Jahren unwesentlich abnimmt. Da gerade in diesen Jahrgängen Frauen auch häufig die Antibabypille einnehmen, kann hier von einer besonderen Risikogruppe in Bezug auf ein höheres Thrombose- und evtl. Herzinfarktrisiko (je nach Alter der Frauen) gesprochen werden.
Erhebliche geschlechtsspezifische Unterschiede in der Anwendung invasiver Maßnahmen nach akutem Herzinfarkt wurden in einer Studie festgestellt.
Als entscheidendes Kriterium für hohe Sterblichkeitsrate hat sich der Zeitpunkt der Krankenhauseinweisung von Frauen nach akutem Herzinfarkt wurden in einer Studie festgestellt.
Auch bei der Inanspruchnahme von Rehamaßnahmen sind Frauen eher unterrepräsentiert.
Während der ambulanten Rehabilitation ist es wichtig, eine gezielte Aufklärung
durch Hausärzte zu intensivieren sowie deren Erreichbarkeit zu ermöglichen.
Zusammenfassung des Gutachtens von Dr. Susanne Möbus zur Analyse und Bewertung der Ursachen für die Unterdurchschnittliche Inanspruchnahme der Versorgungseinrichtungen für die Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Nordrhein-Westfalen durch Frauen:
Die Tatsache, dass es Disparitäten in der diagnostisch-therapeutischen Handlungskette zwischen Männern und Frauen mit koronaren Erkrankungen gibt, wurde in Deutschland erst in den späten 90´er Jahren aufgegriffen.
Deutlich wurde dabei vor allem, dass es Defizite in der Erforschung der koronaren Herzkrankheiten gibt.
In den Studien waren nicht ausreichend Frauen einbezogen, um gesicherte frauenspezifische Zusammenhänge nachweisen zu können
Nach wie vor ist jedoch eine längere Prähospitalphase (Zeitspanne zwischen Schmerzbeginn und Auftreten der Erstsymptomatik bis zur Einlieferung in das Krankenhaus) zu beobachten. Dies kann sowohl zu einer höheren prähospitalen Letalität als auch einer geringeren Behandlungsdichte von Lyse-Therapien bei den Frauen führen.
Die Gutachterin kommt zu dem Ergebnis, dass in NRW sowohl ein ausreichendes Angebot für die Behandlung von KHK vorhanden ist, ais auch die Zugangsmöglichkeiten für Frauen in ausreichendem Maße gegeben sein scheinen.
Ursula Doppmeier MdL, Sprecherin der CDU-Fraktion:
Belastungen und Ressourcen von Müttern
Die Enquètekommission hat sich des Themas „Müttergesundheit“ angenommen – worauf auch gerade wir als CDU-Landtagsfraktion gedrängt haben -, weil sich gerade Mütter aufgrund der Vielzahl von Belastungen, die sie täglich zu bewältigen haben, einer besonders intensiven gesundheitlichen Gefährdung ausgesetzt sehen. Bei der Bearbeitung des Themas haben wir uns an einigen grundlegenden Leitfragen orientiert. Hierzu gehören beispielsweise:
* Zugang für jede Mutter zur optimalen gesundheitlichen Versorgung.
* Berücksichtigung der Lebensumstände von Müttern bei der gesundheitlichen Versorgung bezogen auf die jeweiligen Lebensphasen und Lebenswelten.
In diesem Zusammenhang ist für uns auch immer wichtig gewesen, dass Mütter mitreden und mitentscheiden können. Schließlich geht es um ihren Körper und ihre Gesundheit. Deshalb gilt es insbesondere zu fragen, wie sichergestellt werden kann, dass jede Mutter in alle ihre Gesundheit betreffenden Fragen und Entscheidungen einbezogen ist? Hier steht im Vordergrund herauszufinden, wie persönliche Ressourcen und individuelle Bewältigungsstrategien von Müttern zum Erhalt von Gesundheit und im Umgang mit Krankheit gefördert und genutzt werden können.
Die Enquètekommission hat sich auf mehreren Sitzungen, Expertinnengesprächen und Besichtigungen von Reha-Maßnahmen vor Ort intensiv mit dieser Fragestellung befasst.
Wir haben einige erste interessante Ergebnisse erarbeiten können:
1. Die Erwerbstätigkeit wird von der überwiegenden Mehrzahl der Mütter nicht als Belastung empfunden. Sie wird vielmehr als ein Ausgleich zum häufig nicht geringen Stress des Familienlebens empfunden, falls sie nicht über 20 Stunden wöchentlich hinausgeht. Studien zeigen, dass sich die Depressionswerte von Müttern verringern, wenn sie ausserhäusig erwerbstätig sind.
2. Viele Mütter – unabhängig ob erwerbstätig oder nicht – bemängeln das Fehlen von wirklich verlässlichen Kinderbetreuungsangeboten. Ständig auf dem Sprung sein zu müssen, gehört zu den schlimmsten negativen Stressfaktoren. Aber nicht nur erwerbstätige Mütter sondern auch nichterwerbstätige Mütter legen großen Wert auf solche Angebote, helfen sie ihnen doch Freiräume für sich, für die Partnerschaft, für ehrenamtliche Tätigkeiten, welche als Ressource gesundheitsstabilisierend wirken, zu schaffen. Diese Kinderbetreuungsangebote müssen nicht nur verlässlich, sondern auch vielfältig sein. Da besteht neben den institutionalisierten Angeboten, wie Schule und Kindergarten, auch der Wunsch nach flexibleren Angeboten wie Tagesmüttern oder Leih-Großmüttern.
3. Es liegen bisher kaum Daten über die spezifische Gesundheitslage von Müttern vor. Hier ist es dringend erforderlich, entsprechende Forschungen durchzuführen.
4. Mutter-Kind-Kuren sind ein wichtiges, bewährtes Instrument der Prävention und Rehabilitation. Möglichkeiten diese zu erweitern und durch kassenärztliche Leistungen abzusichern, müssen gefunden werden.
5. Die Möglichkeiten für Mütter, gemeinsam mit ihren Kindern ins Krankenhaus zu gehen, müssen deutlich ausgebaut werden.
6. Kursangebote für Mütter, beispielsweise zur Stressbewältigung, machen nur dann Sinn, wenn für diese Zeit die Kinderbetreuung sichergestellt ist oder wenn die Kurse von vorneherein so konzipiert sind, dass die Kinder einbezogen werden.
7. Finanzielle Sorgen können zu gravierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen führen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass Familien mit Kindern über eine ausreichende finanzielle Grundlage verfügen.
Die Arbeitsgruppe Mütter ist zur Zeit dabei, einen ersten Entwurf für den entsprechenden Berichtsteil anzufertigen. Ich gehe davon aus, dass wir der Enquètekommission nach der Sommerpause einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten können.
Die psychosoziale Versorgung von Brustkrebspatientinnen
Die Enquetekommission „Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW“ hat, neben den bereits erwähnten Themen, auch eine Arbeitsgruppe Brustkrebs zur Auffindung bestehender Defizite in diesem Bereich gebildet.
Einvernehmlich wurde in der AG beschlossen, dass es sich bei ihrer Arbeit nicht um Entscheidungsfindungen innerhalb der Medizin handeln kann – dies muss den Experten innerhalb der Ärzteschaft überlassen bleiben.
Um aber den betroffenen Frauen die größtmögliche Sicherheit der optimalen Versorgung geben zu können, müssen medizinische Qualitätsstandards entwickelt und vor allem stetig weiterentwickelt werden. Diese müssen dann auch für alle handelnden Personen gelten.
Die Einrichtung von Brustzentren, zur Optimierung der interdisziplinären Zusammenarbeit der beteiligten Spezialisten, wird grundsätzlich begrüßt.
Die Forderung nach einem flächendeckenden Krebsregister in NRW ist eine Grundvoraussetzung für Forschung und Entwicklung im Bereich Früherkennung und Prävention.
Die Diagnose „Brustkrebs“ geht oft einher mit Auswirkungen im psychischen und sozialen Bereich und gerade dort scheinen die Angebotsdefizite sehr groß zu sein. Deshalb beschloss die AG, sich diesem Themenbereich besonders zu widmen. Nach einem Fachgespräch mit ExpertInnen ergaben sich folgende Empfehlungen und Wünsche:
* Die primäre Ausbildung von Medizinern, Psychologen und Sozialarbeitern muss einen Schwerpunkt Brustkrebsberatung beinhalten. Hierzu sollte formuliert werden, welche Berufsgruppe wofür zuständig ist. Gleichzeitig bedarf es der Erarbeitung entsprechender Curricula, Konzepten der Weiterbildung, Angeboten der Supervision.
* Innerhalb der Brustzentren müssen Supervision und psychoonkologische Fortbildung für Ärzte und Pflegepersonal obligatorisch sein.
* Im Rahmen der Disease-Management-Programme sollen für die niedergelassenen Gynäkologen Fortbildungen vorgeschrieben werden.
* Onkologische Nachsorgekliniken sollten über eine angemessene Anzahl von PsychologInnen verfügen. Ein entsprechender Schlüssel Patientinnen/PsychologInnen ist zu erarbeiten.
* Jede Patientin mit der Verdachtsdiagnose Brustkrebs sollte, wenn sie das möchte, mindestens einmal vor der Operation und ein zweites Mal nach der Operation ein psychoonkologisches Beratungsgespräch führen können.
* In den Brustzentren sollten Stationen nur mit Mammapatientinnen eingerichtet werden. Diese Empfehlung geht von der Annahme aus, dass es für die Patientinnen sehr hilfreich ist, wenn sie Erfahrungen austauschen können, mit Frauen, die die gleicher Erkrankung haben und in ihrer Therapie schon weiter fortgeschritten sind.
* Analog zu den irischen Erfahrungen sollten spezialisierte Brustkrebs-Krankenschwestern („Breast Cancer Nurses“) die Patientinnen vom Beginn an durch den gesamten Therapieprozess begleiten. Das Land sollte ein entsprechendes Pilotprojekt an einem großen Brustzentrum fördern.
* Aufbau eines Patientinnennetzwerks, in dem sich betroffene Frauen mit einer Patin, die in der Vergangenheit ähnliche Erfahrung gemacht hat, austauschen können.
* Die Angebote zur Hilfe und Beratung müssen möglichst niedrigschwellig strukturiert sein.
* Internetangebote werden sehr gut angenommen. Dies gilt insbesondere für junge Frauen. Deshalb sollten sie ausgebaut werden.
* Schaffung von Koordinierungsstellen, die über ein passgenaues Angebot für die Patientin informieren (unter Berücksichtigung von Alter, Lebensphase und Lebenssituation).
In der letzten Sitzung der AG wurde beschlossen, Vertreter des NRW-Gesundheitsministeriums einzuladen, um eine Darstellung des derzeitigen Standes zur Umsetzung der Einrichtung von Brustzentren zu geben und die aktuelle Versorgungssituation in NRW darzulegen. Das Gespräch wurde auf Ende Juli terminiert.
Dr. Ute Dreckmann, MdL, Sprecherin der FDP-Fraktion:
Psychische, psychosoziale und psychosomatische Gesundheit und Versorgung von Migrantinnen in NRW
In NRW leben ca. 1.5 Mio. Frauen mit Migrationshintergrund. Das sind nicht nur Ausländerinnen – also Frauen mit ausländischem Paß – sondern auch Frauen ausländischer Herkunft und deutscher Staatsangehörigkeit. Sie sind entweder als Aussiedlerinnen zu uns gekommen oder sie haben im Laufe der Zeit die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen.
Die Gruppe der Migrantinnen ist sicher keine homogene Gruppe. Allen gemeinsam ist aber, dass sie in einem nicht deutschen Umfeld sozialisiert worden sind und Deutsch nicht ihre Muttersprache ist.
Gerade in der medizinischen Versorgung spielt die sprachliche Verständigung zwischen dem medizinischen Personal und den Patientinnen und Patienten eine wichtige Rolle. Das gilt in besonderem Maße für die Behandlung von Befindlichkeitsstörungen und psychischen oder psychiatrischen Erkrankungen.
Auch sind der Stellenwert und die Definition von psychischer Gesundheit und Krankheit und die Möglichkeiten und Erfordernisse der Behandlung durchaus kulturspezifisch.
Im Auftrag der Enquête-Kommission erstellte WIAD (Wissenschaftliches Institut der Ärzte Deutschlands) ein Gutachten zu dem Thema Psychische, psychosoziale und psychosomatische Gesundheit und Versorgung von Migrantinnen in NRW. Weiter führten wir am 2. Juni 2003 ein Fachgespräch mit Wissenschaftlerinnen und Akteurinnen durch. Sie alle haben eine Menge Defizite unseres Gesundheitssystems aufgezeigt und Wege beschrieben, wie diese behoben werden können.
Ziel einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in einem Einwanderungsland wie NRW – und unser Land ist seit mehr als 150 Jahren ein Einwanderungsland – muss es sein, Migrantinnen mit denselben hohen Qualitätsstandards und Heilerfolgen zu behandeln wie Frauen ohne Migrationshintergrund. Dabei geht es nicht darum, dass sich die Migrantinnen unserem Gesundheitssystem anpassen, sondern um die Öffnung und Qualifizierung dieses Systems in allen seinen Bereichen für die Bedürfnisse und Erfordernisse der Migrantinnen.
Das größte Hindernis für eine genaue Analyse der psychischen Gesundheit und Versorgung von Migrantinnen ist die sehr schlechte Datenlage. In der Gesundheitsberichterstattung kommt dieses Thema so gut wie nicht vor.
Informationen – wenn auch nur für rentenversicherte Migrantinnen – bieten Statistiken zu medizinischen Rehabilitationsleistungen: daraus geht hervor, dass berufstätige Migrantinnen mittlerer und höherer Altersgruppen auffallend häufig aufgrund von Depressionen und somatoformen Störungen behandelt werden. Das Ergebnis wird bestätigt durch das subjektive Empfinden älterer Migrantinnen, die das soziale und psychische Wohlbefinden als besonders negativ erleben. Weitere Faktoren, die auf eine schlechtere mentale Gesundheit von Migrantinnen hinweisen sind unzureichende Sprachkenntnisse, kulturelle Unterschiede, Diskriminierung und Zukunftsangst.
Besonders exponiert für psychische und psychosomatische Störungen sind durch Flucht, Haft, Folter, Verfolgung, Menschenhandel oder sexuellen Missbrauch traumatisierte Migrantinnen. Das gilt insbesondere für Frauen, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Während sich bei den erstgenannten die medizinische Versorgung auf die Akutbehandlung beschränkt sind letztere nahezu vollständig von der medizinischen Versorgung ausgeschlossen.
Um die frauengerechte und migrationssensible Versorgung der betroffenen ausländischen Mitbürgerinnen sicherzustellen, ist eine interkulturelle Öffnung der Regelversorgung vonnöten. Hierzu sollen z.B. Migrantinnen und Migranten selbst in den Berufen der medizinischen, psychologischen und psychosozialen Betreuung beitragen. Weiter ist eine geschlechts- und kulturspezifische Sensibilisierung der deutschen Fachkräfte vonnöten.
Diese und weitere Handlungsempfehlungen sind jedoch nicht neu, so dass sich die grundlegende Frage stellt, warum die Umsetzung so zögerlich erfolgt.
Die Enquête-Kommission „Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW“ wird neue Aspekte einbringen und diesen Prozess nachhaltig begleiten und befördern!
Marianne bittet uns als Fraktion im LWL, folgende Fragen zu klären:
* Sicherheit von Patientinnen in psychiatrischen Kliniken (Gewalt)- Entwicklung von Leitlinien für die Kliniken anregen, um mit diesem Thema umzugehen, Sensibilisierung zu erreichen: Welche Regeln gibt sich eine Klinik, um dieses Verhalten zu ächten, damit umzugehen, Patientenbeschwerdestelle
* Zwangseinweisungen nach PsychKG: Wieviel Männer, wieviel Frauen? Wieviel Frauen werden eingeliefert wegen Selbstgefährdung der eigenen Person (Selbstverletzung geht oft auf Gewalterfahrungen zurück!?)
* Geistig behinderte Frauen und Mädchen in Wohnheimen / stationäre Einrichtungen: Gibt es Zwangsverhütung? Zwangsabtreibungen? – Anfrage?
Werden Gynäkologen in die Heime bestellt? Auch Nachfragen in Sonderschulen
Samstag, den 12.7.03
Gespräch mit Frau Martina Böhmer:
Erfahrungen sexualisierter männlicher Gewalt in der Lebensgeschichte heute alter Frauen (Originalmanuskript)
Wenn von sexualisierter und anderer Gewalt gegen Frauen und Mädchen und die daraus resultierenden Folgen für sie gesprochen wird:
Welche denkt in diesem Zusammenhang schon an alte Frauen?
Dabei haben die heute alten Frauen in ihrem Leben eine Vielzahl von sexualisierter und anderer Gewalt erfahren. Sei es in der Kindheit, sei es als Vergewaltigung bzw. auch Mehrfachvergewaltigungen im Krieg, in der Ehe und alle sonstige Formen von Gewalt.
Alte Frauen werden allerdings oft nur als Randgruppe oder besondere Zielgruppe gesehen.
Somatische, psychische und psychiatrische Symptome von alten Frauen werden mehrheitlich als Alterserkrankungen wie z. B. Demenz, HOPS (Hirnorganisches Psychosyndrom) Altersdepression und Altersverwirrtheit – das sind die gängigen Diagnosen in der Altenarbeit – bzw. als somatische Erkrankungen aufgrund ihres Alters, wie z. B. Herzinsuffizienz, Stoffwechselstörungen usw. diagnostiziert.
Und im Vergleich zu Demenzen werden bei HeimbewohnerInnen andere psychische Erkrankungen kaum thematisiert. Wenn – wie gesagt – dann als Alterserkrankungen.
Bei den heute alten Frauen wird selten ein Zusammenhang zwischen ihren Erkrankungen, Symptomen und Verhaltensweisen und diesen Gewalterfahrungen hergestellt. Diese Gewalt hat bei ihnen allerdings genauso traumatische Spuren hinterlassen, wie bei jüngeren Frauen.
Die Diagnose Posttraumatisches Belastungssyndrom kommt in der Altenarbeit so gut wie nicht vor – schon gar nicht aufgrund sexualisierter traumatischer Gewalterfahrungen.
Die alten Frauen erhalten – besonders in den Heimen, aber auch von ihren Hausärztinnen und –ärzten eine Symptombehandlung mit einer Vielzahl von Medikamenten. Bei psychischen oder psychiatrischen Symptomen werden sie in der Regel ausschließlich mit Psychopharmaka „behandelt“. Sie werden in Altenheime eingewiesen oder in Gerontopsychiatrien.
Ich habe im Jahre 2000 ein Buch veröffentlicht zum Thema
Erfahrungen sexualisierter Gewalt in der Lebensgeschichte alter Frauen
und gebe seit 1999 dazu Fortbildungen und halte Vorträge.
Für mein Buch habe ich eine ziemlich umfangreiche Literaturrecherche betrieben und es gibt – außer dem Buch von Helke Sander „BeFreier und Befreite“, aus dem ich später noch zitieren werde, keinerlei Literatur zu diesem Thema in Bezug auf alte Frauen. Selbst die feministische Literatur, die ja mittlerweile sehr umfangreich zu diesem Thema Gewalt gegen Frauen ist, spart alte Frauen gänzlich aus.
Ich beschäftige mich mit diesen traumatischen Erfahrungen in der Biographie von alten Frauen, weil mir als Altenpflegerin immer wieder und sehr häufig alte Frauen begegnen, die mehr oder weniger offen oder auch durch bestimmte Verhaltensweisen deutlich machten, dass sie sexualisierte männliche Gewalt erlebt haben. Und diese steht meines Erachtens oft im Zusammenhang zu ihren psychischen und teilweise auch somatischen Erkrankungen.
Mir fiel auf, dass sowohl bei psychisch auffälligem Verhalten von alten Frauen, d. h. Verhalten, welches außerhalb der ‘Norm’ liegt, wie auch bei somatischen Symptomen – im Gegensatz zu vielen jüngeren Frauen – kaum Ursachenforschung in ihrer Biographie unter diesem Aspekt betrieben wird und dass so diese Gewalterfahrungen eher keinen Einfluss auf Diagnosestellung und Therapie haben.
Dadurch bedingt erhalten alte Frauen oft nur eine Symptombehandlung mit Medikamenten und/oder Realitätsorientierungstraining und Beschäftigungstherapien.
Sie werden somit reduziert auf alterserkrankte, altersverwirrte, demente, hysterische und psychotische Frauen.
(In Realitätsorientierungstrainings, wie ich sie in den letzten Jahren sehr oft erlebt habe und die sicherlich viele von Ihnen kennen werden – werden die Alten so „spannende“ Sachen gefragt, wie z. B.: „welches Wetter haben wir heute, welcher Tag ist heute, welches Jahr haben wir oder wer ist unser Bundeskanzler?“)
Die Diagnose Posttraumatisches Belastungssyndrom (deren Ursache u. a. sexualisierte Gewalt ist), ist mir im Zusammenhang mit alten Frauen leider noch nirgendwo begegnet. Dabei ist diese Diagnose deshalb so wichtig, weil sie benennt, dass es Ursachen – nämlich traumatische Belastungen – für bestimmte Symptome gibt; im Gegensatz zu z.B. der Diagnose „Psychose“, die erst mal nichts über eine mögliche Ursache aussagt.
Ich habe alte Frauen erlebt, die urplötzlich unter Angstzuständen litten, von fremden Männern halluzinierten, die nachts an ihr Bett kamen und ähnlichen ver-rückten Verhaltensweisen.
Bei einer alten Frau erlebte ich, wie sie eines Abends völlig panisch vor Angst über nächtliches Erscheinen von Tieren in ihrem Bett erzählte und sich ihre Angstzustände an den folgenden Abenden wiederholten. Ihr wurde von der Stationsärztin als erste und auch einzige Maßnahme das Psychopharmakon Halo-peridolâ verordnet, und sie selbst äußerte, dass sie sich nicht ernst genommen fühle. Nach längeren Gesprächen mit ihr, erfuhr ich, dass sie 1945 von amerikanischen Soldaten vergewaltigt wurde.
Ich fand heraus, dass die Mitpatientin in ihrem Zimmer täglich Besuch von ihrem Ehemann erhielt, der Amerikaner war und mit ihr englisch sprach. Verständlich, dass dadurch bei der alten Frau Erinnerungen und alte Ängste aufkamen. Sie wurde auf ein anderes Zimmer verlegt, so dass sie keinen Kontakt mehr mit dem amerikanischen Ehemann hatte, und nach ein paar Tagen und intensiven Gesprächen hatte sie keine Halluzinationen und Angstzustände mehr. Das (auch hier völlig unnötige) Psychopharmakon konnte wieder abgesetzt werden und es traten auch danach keine weiteren Symptome mehr auf.
Diese Zufallsdiagnose bewahrte diese alte Frau davor, als psychotisch stigmatisiert zu werden und vor einer wahrscheinlich langen oder gar lebenslangen Psychopharmakaeinnahme mit allen ihren Nebenwirkungen.
(Zur Erklärung: Halo-peridolâ ist ein Neuroleptikum, das auch sehr häufig in den Altenheimen und Geriatrien eingesetzt wird. Es macht sehr heftige NW. Ganz typisch sind Parkinsonsymptome, nämlich u. a. trippelnden Gang, Koordinationsstörungen, starker Speichelfluss, Einschränkung motorischer Bewegungsabläufe, Zittern, starre Mimik, Schluckstörungen usw. Weiter kommt es z.B. zu Kreislauflabilität, Pulsrasen und vor allem Hirnleistungsstörungen.)
Das Beispiel mit dieser Frau und viele andere Begebenheiten mit alten Frauen zeigen mir, dass frühere sexualisierte Gewalt, die Frauen erlitten haben, auch heute noch – so viele Jahre danach – Auswirkungen auf sie haben.
Es ist natürlich oft nicht möglich, die einzelne, individuelle Biographie einer alten Frau unter diesem Gesichtspunkt zu erfahren, da die meisten der alten Frauen selten gelernt haben, offen über sich zu sprechen. Im Gegenteil: Sie haben gelernt, diesen Teil ihrer Geschichte zu verdrängen. Diese Erlebnisse konnten daher auch nicht verarbeitet werden. Es sollte, wollte und durfte niemand erfahren, was mit ihnen geschehen war. Zu scham- und schuldbesetzt war – ist es auch heute noch – für uns Frauen, vergewaltigt und/oder als Mädchen sexuell traumatisiert worden zu sein. Den Opfern haftet ja oft der Makel an, z. B. die Vergewaltigung ja eigentlich selbst gewollt und womöglich gar provoziert zu haben.
Und so werden diese jetzt 60 – 100jährigen Frauen auch heute selten darüber sprechen können.
Aber viele Verhaltensweisen, Reaktionen und Botschaften deuten darauf hin und lassen erahnen, was diesen Frauen geschehen sein mag. Und das Wissen um Frauengeschichte macht deutlich, dass die heute alten Frauen zusätzlich noch durch Massenvergewaltigungen und Zwangsprostitutionen während und nach dem Zweiten Weltkrieg massiv sexualisierter Gewalt in ihrem Leben ausgesetzt waren.
Sexualisierte männliche Gewalt gegen Frauen ist uns ja allen bekannt. Sie fängt an mit sexistischer Sprache, Witzen und Werbung. Sie ist Androhung sexualisierter Gewalt, Traumatisierung von Mädchen mit allen Formen von sexualisierter Gewalt, Vergewaltigungen, Frauenhandel, Pornographie usw..
In Deutschland wird lt. einer polizeilichen Kriminalstatistik von 2001 jede Stunde eine Frau vergewaltigt. Diese Zahl bezieht sich lediglich auf die angezeigten Verbrechen. Laut Studien werden nur 10 – 30 % der Vergewaltigungen angezeigt.
Und nach Schätzungen des Bundeskriminalamtes von 1997 werden jährlich 170 bis 255.000 Mädchen allein in den alten Bundesländern sexuell traumatisiert. Leider habe ich keine Zahlen aus den alten Bundesländern. Neuere Statistiken bestätigen diese Zahlen. Laut Dunkelfeldstudien ist davon auszugehen, dass jedes 4. – 5. Mädchen und jeder 12. – 14. Junge zu 80 – 90 % von Männern sexuell traumatisiert werden.
Die Vermutung liegt nahe, dass die heute alten Frauen mindestens ebenso häufig in ihrer Kindheit durch sexualisierte männliche Gewalt traumatisiert wurden, wie die jüngeren Frauen heute. In der Kindheit der heute alten Generation war es ja sogar noch viel mehr als heute üblich, dass Kinder der Besitz besonders ihrer Väter waren.
Ich habe ein Gedicht gefunden von einer älteren Frau, veröffentlicht in dem Buch „über-Leben“ von Evelyn Luka und Renate Konder, erschienen 1998. Es heisst:
„Otto Stender!“
Und er fasst mich an Und er heisst für mich Onkel
Und er hält mich fest Und er war bisher freundlich
Und ich bin starr vor Angst Und ich bin starr aus Angst
Bin steif vor Angst Und ich bin steif aus Angst
Bin still vor Angst Und ich bin still aus Angst
Und er ist gross Und der Vater sagt: Das wird wohl
Und er ist fett nicht so schlimm gewesen sein
Ich bin steif aus Angst Stell Dich nicht so an
Ich bin starr aus Angst Und ich bin starr vor Scham
Ich bin still aus Angst Und ich bin steif vor Scham
Und ich bin still vor Scham Und er drückt mich
Und er küsst mich Und dann war ich Bettnässerin
Ich bin still vor Angst Mit siebzehn
Ich bin steif vor Angst Und habe heute mit sechzig
Ich bin starr vor Angst noch Ekel und Angst
Vor großen dicken Männern
Vor einiger Zeit war auf der Station, auf der ich zuletzt arbeitete, eine ca. 80 jährige Frau als Patientin, die nachts kaum schlafen konnte. Sie ging ca. 10 mal in der Nacht auf die Toilette und bestand darauf, dass in der Nacht Licht im Zimmer an ist. Ihre Nachbarin fühlte sich dadurch natürlich sehr gestört. Bei der Visite erzählte sie der Ärztin, dass sie nachts nicht schlafen könne, weil sie immer an ihren Vater denken müsse. Die Ärztin reagierte mit der Frage: Sie haben ihren Vater wohl im Alter gepflegt?“
Und die alte Frau antwortete, dass sie deshalb nicht schlafen könne, weil ihr Vater – als sie ein kleines Mädchen war – nachts immer zu ihr ins Bett gekommen ist. Die Ärztin wirkte rat- und hilflos und ging nicht darauf ein.
Eine andere Frau, geboren 1921, erzählte mir, dass sie von ihrem Vater sexuell traumatisiert wurde, als sie ein kleines Mädchen war.
Sie sagte mir, dass es für Frauen – besonders ihrer Generation – fast unmöglich ist, darüber zu sprechen, weil es damit verbunden ist, dass Frauen die Schuld dafür bei sich suchen, um weiterhin mit dem Täter – hier dem Vater – leben zu können.
(Weiterhin machte sie mir deutlich, dass Mütter, die diese Traumatisierung erlebt haben und das verdrängen müssen, so auch nicht die sexuelle Traumatisierung der Tochter sehen können. Dadurch ist es für eine Mutter oft nicht möglich, die eigene Tochter zu schützen, und dies führt später oft zu heftigen Konflikten, Vorwürfen und Zerwürfnissen zwischen Tochter und Mutter. Töchter klagen später oft ihre Mütter an mit den Worten: ‚warum hast Du mich nicht geschützt?‘ und hassen ihre Mütter, weil sie sich von ihnen verraten fühlen. Die Mütter konnten ihre Töchter nicht schützen, weil sie sich doch selbst nicht schützen konnten und ihre eigene Traumatisierung verdrängen mussten. Auch konnten sich diese Frauen kaum vorstellen, dass ihre Väter und auch ihre Ehemänner ihren Töchter diese Gewalt antun, glaubten sie doch an Einzelfälle, bzw. daran, dass sie damals selbst die Schuld an der Tat des Täters trugen.
Die Töchter suchten wiederum auch die Schuld bei sich, sprachen nicht über ihre Erlebnisse mit ihren Müttern, schämten sich und verhinderten mit ihrem Schweigen ja auch das Auseinanderfallen der Familie.
Und so führt sexualisierte Gewalt nicht nur zu Schädigungen der Frau, die sie erfährt, sondern auch zur Trennung zwischen den nachfolgenden Frauengenerationen.
Auch diese alte Frau wird übrigens von ihrer Tochter gehasst und wird von ihr wohl nicht im Altenheim oder Krankenhaus besucht werden.
(Manchmal wundern wir Pflegenden uns ja, wenn die Töchter so selten zu Besuch kommen.)
Verena Stefan hat 1975 in ihrem Buch Häutungen den Satz geprägt:
Auf Vergewaltigung steht lebenslänglich. Für die Frau, denn sie muss immer damit leben.
Aus jeder Epoche der Menschheitsgeschichte wissen wir, dass Männer Frauen und Mädchen vergewaltigt und sexuell traumatisiert haben. (vgl. Brownmiller, 1980)
Männer vergewaltigen ohne Rücksicht auf Alter und Aussehen einer Frau. Sie vergewaltigen fremde Frauen und ihre Ehefrauen, junge und alte Frauen. Wir wissen, dass es ihnen dabei um Macht geht, aus der sie ihre Befriedigung erhalten und Ziel ist die Demütigung und Unterdrückung von Frauen.“ (Kroll, 1992)
Die Schuld wird den Frauen angelastet, sie hätten durch ihr Verhalten die Vergewaltigung sogar gewollt. Eine Frau, die Nein sagt, meint eigentlich Ja. Diese Vorstellungen von Männern, eine Frau oder ein Mädchen habe sie so gereizt, dass sie gar nicht anders konnten, haben Auswirkungen auf die Frauen. Wenn Frauen jahrtausendelang eingeredet wird, sie tragen die Schuld, glauben sie es irgendwann selbst.
Diese von Frauen verinnerlichte Schuld lässt Gefühle wie Wut, Aggression und Anklage gegen die Täter nicht zu, so dass Frauen an diesen unterdrückten Gefühlen erkranken und leiden. Dies wirkt sich auch auf ihre späteren Beziehungen und gesamtes Leben aus bzw. sie lösen sich z.B. auch später nicht aus gewalttätigen Beziehungen, da sie auch hier die Schuld bei sich suchen.
Für die heute alten Frauen war es damals völlig üblich zu heiraten. Ihre finanzielle Existenz hing vom Mann ab, da sie in ihrer Jugend kaum auf ein eigenständiges Einkommen zurückgreifen konnten. Mädchen durften nur selten einen Beruf erlernen, sie mussten sich lediglich auf die Ehe vorbereiten. Auch wenn sie berufstätig waren, war klar, dass sie nach einer Heirat zu Hause blieben. So hatten sie existentiell kaum Möglichkeiten auf ein selbstbestimmtes Leben. Viele Frauen berichten, dass sie sich in der Ehe gezwungen sahen, ihrem Gatten pflichtgetreu ihren Körper zur Verfügung zu stellen. Erst am 1.7.1977 gab es die Reform des Eherechts, nach der der Begriff „eheliche Pflichten“ nicht mehr existiert. Die alten Frauen sind allerdings mit diesem Rechtsbegriff aufgewachsen.
Wie hätten sich die heute alten Frauen gegen eheliche Gewalt wehren und sich ihr entziehen können? Und schließlich wurde ja auch erst im Jahre 1997 erzwungener ehelicher Beischlaf als Vergewaltigung strafbar.
Die alltägliche sexualisierte männliche Gewalt, denen Frauen ausgesetzt sind, bzw. von der sie bedroht werden, erlebten die heute alten Frauen ebenso durch ihre Väter, Onkel, Brüder, Großväter, Ehemänner, Fremdtäter usw.. Es gab wie heute Vergewaltigungen in ihren Ehen. Und zusätzlich – wie schon erwähnt -, gab es Massenvergewaltigungen im und nach dem 2. Weltkrieg.
In jedem Krieg wurden und werden massenhaft Frauen vergewaltigt, Frauen des Feindes. Das ist überall auf der Welt so, wo Krieg herrscht.
Allein in Berlin waren es laut Recherchen der schon anfangs erwähnten Autorin des Buches „BeFreier und Befreite“ Helke Sander zwischen Frühsommer und Herbst 1945 mehr als 110.000 Frauen, die vergewaltigt wurden. (vgl. Sander, 1995, S. 54)
Viele der von ihr befragten Frauen schätzten, dass 60 – 70 % aller Frauen in Berlin vergewaltigt wurden, das wären über 800.000 Frauen. Genaue Zahlen können nicht ermittelt werden, ca. 40 % der vergewaltigten Frauen erlitten Mehrfachvergewaltigungen. (ebd., S. 15 ff)
„Eine Frau erzählte: „Als ich meinem Mann davon berichtete, – ich hatte ja keinerlei Schuldgefühle -, führte es fast zu einer Katastrophe: er reagierte derart heftig, dass ich um den Fortbestand meiner Ehe fürchten musste. Er sagte,’…sie hat mich gedemütigt, erniedrigt, als ich schon darniederlag, sie hat mich gepeinigt und verraten. Ahnt sie nicht, wie tief sie mich verletzt, wie weh sie mir getan, wie schwer ich ohnedies getroffen war und wund bin? Ich ersticke daran, ich reiße ihr Bild aus meinem Herzen….’“
Frauen waren die Opfer, ihre Männer fühlten sich in ihrer Ehre beschmutzt und das war es ja auch, was die Sieger wollten. „Ein Vater schickte seine vergewaltigte Tochter mit den Worten ‘Ehre verloren – alles verloren’ in den Tod. Er überreichte ihr persönlich den Strick zum Erhängen.“
Das waren jetzt alles Zitate aus Helke Sanders Buch.
Es war also damals für eine Frau klüger zu schweigen. Sie musste das Geschehene verdrängen, hatte so nie die Möglichkeit, ihre traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Um vergessen zu können, stürzten sich diese Frauen auf ihre Aufgaben als Mütter, Ehefrauen, Hausfrauen, Versorgerinnen, vergaßen sich in der alltäglichen Arbeit. Nach Kriegsende 1945 musste Deutschland wieder aufgebaut werden, die sogenannten ‘Trümmerfrauen’ erledigten zuerst diese Aufgabe. Da blieb keine Zeit für Trauer um die eigene Geschichte. Kinder mussten versorgt werden, Lebensmittel organisiert, die heimkommenden Männer gepflegt, versorgt und getröstet werden. (Schilling, 1996)
Vor einiger Zeit wurde eine 87jährige Frau auf die Krankenhausstation eingewiesen, auf der ich zuletzt gearbeitet habe. Sie war zu Hause gestürzt und hatte sich einen Beckenbruch zugezogen, war bettlägerig und sollte bei uns mobilisiert werden. Nach ein paar Tagen kam einer meiner Kollegen sehr bestürzt zu mir, da diese Frau in abgewiesen und grob beschimpft hatte. Er war sich keiner Schuld bewusst. Zum Teil hatte diese Frau auch Angstzustände, Halluzinationen und warf in solchen Momenten auch einmal eine Flasche durchs Zimmer. Auch sie bekam – allerdings „nur“ bei Bedarf, d. h. wenn sie sich in solchen Zuständen befand -, Haloperidol. Als ich mit der alten Frau sprach, erzählte sie mir, dass sie Berlinerin sei und nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin von mehreren russischen Soldaten vergewaltigt worden ist. Ihr damaliger kleiner Sohn musste zuschauen. „Seitdem habe ich es mit Männern nicht so und manchmal leide ich eben an Angstzuständen“, sagte sie.
Sie erzählte mir weiterhin, dass sie durch die Vergewaltigung schwanger geworden war und mit großen Schwierigkeiten abgetrieben habe. Näheres wollte sie mir zu diesem Thema nicht erzählen. Auf meine Frage, wie ihr Ehemann – der danach als Soldat heimkehrte – darauf reagiert habe, sagte sie, dass sie es ihm nie erzählt habe. Auch sei ihre Ehe mehr auf kameradschaftlicher Basis verlaufen. „Sexualität und Leidenschaft ist ja nicht alles.“
Wie in jedem Krieg, an dem Deutsche beteiligt waren, vergewaltigten Deutsche Soldaten auch im Zweiten Weltkrieg Frauen überall dort, wo sie einfielen. Dies wird selten erwähnt. Wenn über Vergewaltigungen gesprochen wird, dann eher über die durch sowjetische Soldaten, die aber letztlich auch als Antwort auf diese deutschen Verbrechen in ihrem Land zu sehen sind.
Belegt wurden die deutschen Greueltat bei den Nürnberger Prozessen.
„Zwischen 1939 und 1945 lagen dauernd 6.800 deutsche Soldaten geschlechtskrank in Lazaretten. … Im Laufe des Krieges gab es in allen deutsch besetzten Ländern ca. 500 Wehrmachtsbordelle, um Geschlechtskrankheiten deutscher Soldaten einzudämmen. Beschlagnahmte deutsche Dokumente, 1946 bei den Nürnberger Prozessen vorgelegt, beweisen, dass von deutschen Eroberern systematisch vergewaltigt wurde, um Terror zu verbreiten: polnische, jüdische und russische Frauen wurden vergewaltigt und in vielen Fällen grausam ermordet. Hunderte von Frauen und Mädchen wurden erbarmungslos verfolgt, in Wehrmachtsbordelle getrieben und dort zur Zwangsprostitution missbraucht.“ (Susan Brownmiller, Gegen unseren Willen)
Das waren auch die Ehemänner, Verlobte, Freunde, Brüder, Väter und Söhne deutscher Frauen, die nach dem Krieg zurück nach Hause kamen.
Und schließlich gab es nach Kriegsende 1945 bis zur Währungsreform 1948 Zwangsprostitutionen deutscher Frauen bei amerikanischen Soldaten. Dies ist wenig öffentlich bekannt; auch darüber habe ich keinerlei Literatur gefunden. Das Wissen, das ich darüber habe, habe ich von der Zeitzeugin Erika Schilling, die zu diesem Thema ebenfalls Vorträge hält.
In dieser Zeit – also nach 1945 bis 1948, gab es in Deutschland kein deutsches Geld. Amerikanische Truppen waren in Deutschland stationiert und führten als Währung amerikanische Zigaretten ein.
Diese Zigaretten bekamen Frauen, indem sie sich bei den amerikanischen Soldaten prostituierten. Mit diesen Zigaretten konnten sie dann Lebensmittel kaufen und so sich und ihre Familien davon ernähren.
Diese Frauen leiden besonders an verinnerlichter Schuld – gingen sie doch scheinbar „Freiwillig“ zu den amerikanischen Soldaten. Es wundert daher nicht, dass gerade über diese Form von sexualisierter Gewalt gegen Frauen kaum etwas bekannt ist.
Als Folge all dieser Gewalttaten im und nach dem 2. Weltkrieg waren 100.000e Frauen schwanger.
Es gab legale Abtreibungen aufgrund stillschweigendem Einvernehmens der Behörden. Abtreibungen wurden allerdings nur bei Frauen genehmigt, die von sowjetischen Armeeangehörigen vergewaltigt wurden. Bei Vergewaltigungen durch westalliierte Soldaten durfte nicht abgetrieben werden. (vgl. Sander, 1995, S. 51)
Wobei sich natürlich die Frage stellt, wie eine schwangere Frau beweisen sollte, dass und von wem sie vergewaltigt wurde.
Es gab für die Frauen keinen Ort und keine, die sich ihnen therapeutisch angenommen hätte. Für ihre Bedürfnisse nach Trost, Mitgefühl und Verständnis; nach Trauer, Wut und Hass auf die Täter leben zu können (Traumaverarbeitung), gab es kaum Möglichkeiten. So mussten sie ihr Trauma verdrängen. So weit, dass es oftmals sogar nicht mehr bewusst erinnert werden konnte, um so überhaupt funktionieren zu können. Sie mussten ihre Verdrängungs- und Bewältigungsmechanismen so ausprägen und verfeinern, dass sie leben konnten, ohne ver-rückt zu werden.
Monika Hauser, Gründerin von Medica mondiale, die Vergewaltigungen im ehemaligen Jugoslawien in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückte sagte einmal, dass sie immer sehr berührt sei, wenn ihr ältere deutsche Frauen sagen: „Ich weiß, wovon Sie reden, ich habe das alles erlebt und konnte nie darüber sprechen. Machen Sie weiter, damit die bosnischen Frauen das nicht auch nach 50 Jahren sagen müssen.“
Und die Gewalt gegen die heute alten Frauen ging ja weiter. Vergewaltigung in der Ehe und durch Fremdtäter, sonstige sexualisierte männliche Gewalt: fast „normaler“ Frauenalltag.
Zudem wurden und werden in den öffentlichen Trauerriten um den verlorenen Krieg die Opfer von Vergewaltigungen und Zwangsprostitutionen nicht mit einbezogen, sie wurden und werden nicht als Heldinnen verehrt. Männer haben sich im Versuch, ihre traumatischen Erlebnisse aus dem Krieg zu verarbeiten, viele Möglichkeiten geschaffen. Sei es in Veteranenvereinen, sei es in Filmen oder Literatur und in Trauerveranstaltungen für die gefallenen ‘Helden’. In jedem Dorf gibt es Gedenktafeln für die gefallenen „Helden“. Für die Opfer sexualisierter männlicher Gewalt gibt es sie nicht.
In der Aufarbeitung der deutschen Geschichte nach 1945, die zum Teil stattfand und –findet, wurden und werden Frauen ‘vergessen’. Sie werden auch in den aktuellen Entschädigungsprogrammen nicht berücksichtigt.
Es wurde und wird immer noch ‘vergessen’, ihnen Hilfestellung zu geben, damit sie ihren Teil der Geschichte aufarbeiten können.
Ihre Schlafstörungen, Angstzustände, Unruhe, Depressionen usw. machten sie weg mit Medikamenten und suchten Befriedigung in der Versorgung anderer. Sie nahmen wieder die Rolle an, die ihnen aufgezwungen wurde, und versuchten, sie perfekt auszufüllen. Die Rolle der guten, bedürfnislosen Ehefrau und Mutter. Sie mussten ihre Arbeitsplätze wieder den heimkehrenden Männern räumen, kümmerten sich um ‘Kinder, Küche und Kirche’.
Bei den jetzt heute alten Frauen, die ihr Leben lang ihre traumatischen Erfahrungen mittels dieser Bewältigungsstrategien verdrängt haben, können diese Strategien mit zunehmendem Alter und durch Veränderungen ihres sozialen Umfeldes, durch das veränderte Umfeld bei einem Einzug ins Altenheim oder Verlegung auf eine Krankenhausstation dann oft nicht mehr aufrechterhalten werden.
Eine Frau, die im Alter zu Hause gepflegt werden, in einem Pflegeheim leben, in einer Psychiatrie oder in einem anderen Krankenhaus sein muss, ist damit in der Regel in einer Situation, in der sie viel Kontrolle abgeben muss. In eine Situation, in der sie auf andere angewiesen ist, meist nicht mehr selbstbestimmt leben kann und vielem ohnmächtig gegenübersteht.
(Die von uns, die schon einmal in einem Krankenhaus lagen, können das sicher nachvollziehen, wie ohnmächtig und ohne Kontrolle da eine oft ist. Nur wir wissen in der Regel, dass wir nach einer Weile wieder nach Hause kommen und unser Leben wieder selbst in die Hand nehmen können. Bei Alten ist das oftmals nicht so.)
Die alte Frau ist in einem Altenpflegeheim oder auf einer Krankenhausstation den ganzen Tag mehr oder wenig untätig, angewiesen darauf, dass andere Menschen ein Aktivierungsprogramm für sie schaffen. Es gibt – wenn überhaupt – dann meist Mal-, Sing-, Bastelgruppen. (Laternen basteln zu St. Martin z.B. In der Karnevalszeiten werden dann eher Pappnasen gebastelt und zu Weihnachten Sterne für den Weihnachtsbaum)
Dieser Frau bricht die vertraute häusliche Umgebung fort, sie hat für nichts und niemanden mehr Verantwortung.
Alles wird ihr nun abgenommen, jede klitzekleine Entscheidung treffen andere Menschen für sie. Sie kann kaum noch bestimmen, wie sie sich wann was und wie oft wäscht. Ihre Körperpflege wird überwacht, dokumentiert, nach Reinlichkeitsprinzipien anderer verändert.
Durch die Pflege, die sie nötig hat, wird in ihren persönlichen Schutzraum eingegriffen, es gibt dadurch viele Situationen, die sie an ihre traumatischen Erlebnisse erinnern lassen kann.
Auch lässt bei alten Menschen bekanntermaßen das Kurzzeitgedächtnis nach, das Langzeitgedächtnis wird stärker, das ist altersphysiologisch bedingt. D. h., dass Alte zunehmend mehr in ihrer Vergangenheit, in Erinnerungen aus ihrer Kindheit und Jugend leben, die ihnen oft näher sind, als das, was gestern war.
Durch diese Erinnerungen, die wieder so nah sind, erinnern sie auch wieder ihre Gefühle, erinnern sich an Geräusche, Gerüche, Orte, die mit dieser Zeit in Verbindung stehen. Oder heutige Geräusche, Gerüche, Begebenheiten, Gefühle erinnern sie an früher.
In einem Altenheim, in dem ich vor ein paar Jahren arbeitete, lebte eine alte Frau, die im täglichen Leben völlig unauffällig war, die allerdings fast jeden Abend nicht ins Bett wollte. Sie bekam abends und nachts Angstzustände. In der Nacht rief sie oft laut um Hilfe und auch auf das Erscheinen der NachtkollegInnen reagierte sie zuerst panisch. Morgens erzählte sie, dass in der Nacht Soldaten an ihrem Bett gewesen seien, die sie vergewaltigen wollten. Vom Pflegepersonal wurde daraufhin dokumentiert, dass diese Frau unter Halluzinationen und Wahnvorstellungen leidet.
Auch mein Hinweis darauf, dass diese Frau m. E. an Erinnerungsblitzen von früherer erlebter sexualisierter Gewalt – wahrscheinlich Vergewaltigungen durch Soldaten – litt, und vielleicht auch durch die Schritte der KollegInnen in der Nacht daran erinnert wurde, bewahrte diese Frau nicht vor der Einnahme von dem Psychopharmakon Haloperidol® bis an ihr Lebensende. Es wurde ihr von dem Neurologen des Heims verordnet, ohne dass sie selbst eingehend von ihm zu ihren Ängsten befragt wurde.
Die alten Frauen sind in der Institution Krankenhaus oder Altenheim oft fremdbestimmt. Sie haben auch hier kaum eine Möglichkeit, sich Gewalt – gewollter oder ungewollter, bewusster oder unbewusster – zu entziehen.
Kaum einmal kommen Pflegende, ÄrztInnen und TherapeutInnen auf die Idee, bzw. haben überhaupt die Zeit dazu, eine alte Frau selbst zu fragen, warum sie sich ihrer Meinung nach so fühlt, wie sie sich fühlt. Wir Pflegenden oder die ÄrztInnen beobachten etwas, planen Maßnahmen und führen sie durch.
Meist ohne sie mit der alten Frau zu besprechen oder sich mit ihr, die ihren Körper und sich schon so lange kennt – und es bisher immerhin ohne andere geschafft hat, so alt zu werden – zu beraten.
Oft auch haben jüngere Menschen die Vorstellung, Alte haben ihr Leben gelebt, kennen nicht mehr die Gefühle, Wünsche, Bedürfnisse, Träume wie wir, die wir jünger sind. Eine 80jährige Frau, die ich als Patientin im Krankenhaus kennenlernte sagte einmal zu mir: „Ich denke und fühle genauso wie Du.“
Einerseits erleben also alte Frauen in Krankenhäusern und Altenheimen einen Verlust ihrer vertrauten Bewältigungsstrategien und Verdrängungsmechanismen, andererseits befinden sie sich in den Institutionen erneut in Situationen, denen sie ohnmächtig und ohne eigene Kontrollmöglichkeiten gegenüberstehen.
Für eine Frau, die sexualisierte männliche Gewalt erlebt hat, ist es das schlimmste, was ihr passieren kann, wieder in Situationen zu geraten, über die sie keine Kontrolle hat. Besonders keine Kontrolle darüber, was mit ihrem Körper geschieht. Diese Kontrollosigkeit kann heftige Panikgefühle bei ihr auslösen.
Ich werde jetzt einen fiktiven Tagesablauf einer alten Frau in der stationären Pflege beschreiben. Das kann im Altenheim, aber ebensogut in einem Krankenhaus sein, in das ja jede mal geraten kann.
Morgens zwischen halb sieben und neun Uhr öffnet sich die Tür zu ihrem Zimmer. Die alte Frau hat keinen Einfluss darauf, welche Person in ihren Raum tritt. Es kann ein Mann sein oder eine Frau, eine mürrische, unausgeschlafene, lustlose Person oder eine heitere, fröhliche, sanfte, die schon am frühsten Morgen voller Elan und guter Laune strotzt. Eine Person, die sie mag oder eine, vor der es ihr grault, angefasst zu werden. Denn angefasst werden wird sie auf jeden Fall, da sie beim Aufstehen, der Morgentoilette und dem Ankleiden Hilfe benötigt.
Je nachdem, welche Griffe und Techniken die jeweilige Pflegeperson erlernt hat, wird sie an den verschiedensten Stellen angefasst. Manchmal tut es weh, manchmal nicht.
Einige, die kommen, schlagen ihre Bettdecke zurück, rollen ihr Nachthemd hoch und waschen ihren Unterleib im Bett. Sie sagen, sie können sich so alles genau anschauen, ob es Hautveränderungen, Druckstellen und ähnliches gibt und tun dies auch.
Die Körperpflege wird so durchgeführt, wie es die Pflegenden nach den neuesten Erkenntnissen gelernt haben oder auch wie die jeweilige Pflegeperson es gewöhnt ist. Entsprechende Seifen, Zusätze, Hautlotionen werden so verwendet, wie es im Hause üblich ist. Die alte Frau hingegen vermisst ihre Lavendelseife, die sie, seit sie denken kann, benutzt.
Sie wird beim Waschen im Bett auf die Seite gedreht, hat so überhaupt keine Kontrolle mehr, was hinter ihrem Rücken geschieht. Sie bekommt ein Abführzäpfchen verabreicht, da sie zu Verstopfung neigt und ihre letzte Darmentleerung schon 4 Tage zurück liegt!
Sie wird dann, vielleicht sogar gänzlich nackt, auf einen Toilettenstuhl gesetzt und ans Waschbecken gefahren. Dort wird ihr ein Waschlappen in die Hand gedrückt. Sie muss sich nämlich jeden Tag komplett waschen, obwohl sie doch gewöhnt ist, morgens nur Gesicht und Hände zu waschen und samstags zu baden. Stinke ich, wird sich die alte Frau vielleicht fragen und sich schämen.
Die Zimmernachbarin schaut bei allem zu.
Ab und an geht die Tür auf, die Pflegeperson geht aus dem Zimmer, um etwas zu holen, manchmal geht die Tür auf und eine andere Pflegeperson schaut herein, fragt etwas, geht wieder. Oder aber die ärztliche Visite schaut kurz herein oder gar der Handwerker. Diese Frau ist sich nie sicher, wer sie da in ihrer Nacktheit bei ihrer Morgentoilette, abführend auf dem Toilettenstuhl, sehen wird. Endlich ist sie fertig.
Nun wird sie angezogen. Niemand zieht sie so an, wie sie es selber täte, wenn sie es noch könnte, jede macht es anders.
Die alte Frau hat sich ihre Zähne nicht geputzt, schämt sich vielleicht vor Fremden, ihre Zahnprothese herauszunehmen. Nach mehrmaligem Bitten, dies zu tun, fährt die Pflegeperson in ihren Mund, um die Prothese herauszuholen. Zähne müssen geputzt werden, es können Druckstellen im Mund, Pilze entstehen.
Das Frühstück, das Mittagessen, das Abendbrot wird gebracht. Alles ist fertig vorbereitet und es gibt keine Gewürze auf dem Tisch, mit denen sie ihr Essen so nachwürzen kann, dass es auch ihr schmeckt.
Sie kann sich nicht entscheiden, wie dick oder dünn sie die Butter und den Belag auf dem Brot haben möchte. Und das Getränk in dem Plastikbecher ist undefinierbar in der Farbe; riechen kann sie daran auch nicht, da der Becher m. einem Deckel m. Schnabelaufsatz verschlossen ist.
Am späten Vormittag vielleicht kommt die Pflegeperson und klärt sie auf, dass sie einen Blasendauerkatheter bekommen muss. Sie wagt nicht zu fragen, was das denn sei und warum sie so etwas bekommen soll. Es ist ihr peinlich. Alles geht so schnell und die Nachbarin sieht zu.
Die Pflegeperson bittet sie um Erlaubnis, dass die zwei SchülerInnen, die zur Zeit auf der Station sind, beim Katheterisieren zuschauen dürfen, da sie es auch lernen müssen. Sie wagt nicht Nein zu sagen, sie lebt hier, ist auf gutes Auskommen mit allen angewiesen.
Zudem ist sie nicht gewohnt, ihre Grenzen zu spüren und dadurch auch nicht zu setzen.
Als sie nackt auf ihrem Bett liegt, sie aufgefordert wird, doch mal die Beine breit zu machen, hört, dass es nicht weh tun soll, die ZuschauerInnen an ihrem Bett stehen sieht, die voller Interesse mitten in ihre Vagina sehen, um die Harnröhre erkennen zu können, fühlt sie sich zurückversetzt:
Sie schreit, tobt, wehrt sich und wird von den Pflegepersonen festgehalten – der Katheter ist ärztlich verordnet! Oder sie wird stumm und starr oder zeigt andere Verhaltensweisen.
Dies ist sicher ein ganz alltäglicher Ablauf, und so fiktiv gar nicht, die Pflegeperson war sehr freundlich und hat immer erklärt, welche Handlungen getan werden.
Und dennoch, die alte Frau erlebte die Pflege als Grenzverletzung. Ihre alten Gefühle lebten auf, vielleicht sogar, ohne zu wissen, warum. Oder sie war in ihrem Erleben in einer ähnlichen Situation, ihr Vater hat vielleicht zu ihr als kleines Mädchen auch gesagt, es tut nicht weh. Und der Soldat, der sie ‘45 vergewaltigte, hat sie angebrüllt, sie solle die Beine breit machen und seine Kameraden haben zugesehen, bis sie an die Reihe kamen.
Natürlich ist es für jeden Menschen schwer, sich mit diesen veränderten Lebensbedingungen der Pflegebedürftigkeit, – sei es Zuhause, in einem Heim oder einem Krankenhaus – abzufinden.
Bei Frauen mit sexualisierten Gewalterfahrungen treffen diese damit verbundenen Gefühle wie z. B. Ohnmacht, Hilflosigkeit, kein Entrinnen können, aber auf ihr altes Trauma, sie können dadurch an etwas erinnert werden, was sie nicht erinnern möchten. Anders, als bei nicht traumatisierten Frauen können hier Symptome auftreten, die sie nun nicht mehr bewältigen können. Ihre Unruhe nimmt zu, Angst steigert sich zu Panik und die Pflegenden erleben diese alte Frauen als verwirrt, depressiv, aggressiv, apathisch, desorientiert oder wahnhaft. Pflegenden haben scheinbar kaum Zeit, sich intensiv um alte Frauen zu kümmern, die solche Verhaltensweisen zeigen. Und so werden diese Symptome dokumentiert, die Stations- bzw. HausärztIn, oder NeurologIn informiert, und weiter werden diese ÄrztInnen wahrscheinlich entsprechende Psychopharmaka verordnen. Unter Umständen werden dieser alten Frauen dann in eine, – meist geschlossene -, Gerontopsychiatrie überwiesen.
Das kann im Alter – und nicht nur dann – schneller gehen, als eine glaubt.
In feministischer psychiatrischer Literatur lassen sich Zahlen finden, die schätzen, dass 75 % aller Frauen in der Psychiatrie dort sind, wegen sexualisierter männlicher Gewalterfahrungen (Hüttner, 1997). (Andrea Hüttner, Psychiaterin bis 1992 an der Psychiatrischen Uni in Leipzig.)
Über alte Frauen in der Gerontopsychiatrie gibt es meines Wissens nach keine derartige Untersuchung, aber die Vermutung über ähnliche Zahlen liegt nahe.
Nun möchte ich Ihnen noch von einer alten Frau, berichten, die ich während meiner Arbeit in einer geschlossenen gemischten Gerontopsychiatrie kennenlernte.
Sie war ca. 70 Jahre alt, zog sich ständig aus, setzte sich den Mitpatienten auf den Schoss und wusch sich ständig. Sie stand oft stundenlang vor dem Toilettenspiegel, blockierte die Toilette und „cremte“ sich ihr Gesicht mit Zahnpasta und Seife ein.
Sie hatte die Diagnose Schizophrenie und bekam in Höchstdosen Psychopharmaka verabreicht. Es wurden HaloperidolÒ , TruxalÒ , ImapÒ , DipiperonÒ usw., in teilweiser Kombination bei ihr ausprobiert. Diese Psychopharmaka machen alle heftigste Nebenwirkungen, (wie schon eingangs beschrieben). Nichts half bei dieser Frau, sie legte ihr auffälliges und zum Teil „störendes“ Verhalten nicht ab.
Sie wurde am Stuhl und im Bett fixiert und befreite sich auch daraus. Ihr wurden dann soviel Psychopharmaka verabreicht, dass sie nur noch apathisch in ihrer Fixierung im Bett lag, sich zum Teil einnässte und einkotete.
Mir erzählte sie einmal, dass sie im Alter von 5 Jahren von ihrem Bruder sexuell traumatisiert wurde und dass das jahrelang ging. Sie habe früh geheiratet, auch, um aus dieser Familie herauszukommen, und dass ihr Mann von ihr nur verlangte, dass sie schön sei, sich pflege und für ihn da sei, wenn er nach Hause komme. Sie hatte ansonsten keinerlei Aufgaben in ihrem Leben.
Diese Frau, wie auch so viele andere, kennt ihren eigenen Wert nur über ihren Körper, ihr Aussehen und ihre Sexualität. Das hat sie von Kindheit an vermittelt bekommen. Und so verhielt sie sich auch auf der Station. Kontaktaufnahme mit Mitpatienten war für sie nur möglich, indem sie ihre Körper anbot.
Die Stationsärztin, der ich dies erzählte, sah keinen Zusammenhang zwischen ihrer Geschichte und ihrem ‘irren’ Verhalten.
Ich hatte gehofft, dass diese Frau auf eine Frauenstation verlegt würde und eine Psychotherapie angeboten bekäme. Sie bekam letztendlich Elektroschocks.
Die Patientinnen dort blieben so lange auf der Station, bis sie medikamentös ein- bzw. ruhiggestellt waren und wurden dann meist in Altenheime verlegt. Bei keiner dieser Patientinnen wurde eine Psychotherapie angewendet bzw. wurde in ihrer Biographie nach den Ursachen ihrer akuten Symptome geforscht. Und in den Altenheimen werden sie dann ähnlich weiter „behandelt“: sie bekommen auch dort Psychopharmaka, werden damit ruhiggestellt.
Kürzlich war ich zu einem Fortbildungstag in der Westfälischen Klinik in Gütersloh. Dort gibt es eine Traumastation. Die KollegInnen in der Fortbildung berichteten, dass auf dieser Station Frauen bis 59 Jahren aufgenommen werden. Frauen ab 60 Jahren werden auf der Gerontopsychiatrie aufgenommen und dort kommt die Diagnose Posttraumatisches Belastungssyndrom nicht vor.
Hier muss sich einiges ändern. Als erstes nämlich, das bei alten Frauen, Erkrankungen und Symptome nicht per se und oftmals ausschließlich als Alterserkrankungen gesehen und entsprechend behandelt werden.
Es muss die Verbindung gezogen werden, zwischen ihren z. T. langjährigen und oftmals lang zurückliegenden traumatischen Erlebnissen und ihren jetzigen oder früheren Erkrankungen.
Bedeutend hierbei ist es, zu beachten, das die Pflege, ihre Krankheit und eine Krankenhaus- oder Heimeinweisung oftmals mit Re-traumatisierungen verbunden ist, da hier die Frauen oft genauso ohnmächtig und ohne eigene Kontrollmöglichkeiten ihrer Situation ausgesetzt sind, wie bei früheren traumatischen Erlebnissen.
Auch können die alten Frauen oftmals ihre Überlebensstrategien, die ihnen geholfen haben, ihr Leben zu bewältigen, nicht mehr aufrechterhalten, weil sie entweder die Möglichkeiten nicht mehr haben oder körperlich nicht mehr dazu in der Lage sind. (Bei alten Frauen ist z. B. häufig zu beobachten, dass sie sich mit Hausarbeit, Kümmern um andere ablenken – dies geht in den Heimen allerdings meist nicht mehr)
Zu der Gefahr der Re-traumatisierung kommt die der neuen Traumatisierung durch Gewalt – gewollter und ungewollter in der Pflege und durch ärztliche und therapeutische Diagnosen und Behandlungen, – besonders invasiver Methoden – die zudem auch noch oftmals über den Kopf einer alten Frau durchgeführt werden.
Wie z. B. in der Situation, in der sich eine alte Frau versucht dagegen zu wehren, von Pflegenden das Essen angereicht zu bekommen. Sie schlägt nach den Pflegenden. Vielleicht, weil sie nämlich von ihrem Onkel oral vergewaltigt wurde und durch den Löffel, der sich in ihren Mund presst, daran erinnert wird und in Panik verfällt. Unter Umständen wird diese Frau letztendlich vielleicht eine Magensonde erhalten und an den Händen fixiert werden, weil sie sonst die Sonde herausziehen wird.
Es kommt auch häufig vor, dass sich z. B. eine alte Frau, die es selbst nicht mehr kann in einem Altenheim oder auf einer Krankenhausstation nicht waschen lassen oder nicht zur Toilette führen lassen will, weil sie diese körperlichen Übergriffe nicht erträgt.
In einer meiner letzten Fortbildung berichteten Kolleginnen von einer ca. 85jährigen Frau auf ihrer Station, bei der es soweit ging, dass sie sehr ungepflegt war und gestunken habe. Die Pflegenden nahmen einerseits wahr, dass diese Frau panische Angst vor körperlicher Nähe hatte und es war auch bekannt, dass diese Frau vor vielen Jahren vergewaltigt wurde – was ja eigentlich Voraussetzung für ein anderes Umgehen mit dieser Frau hätte sein sollten.
Leider haben die Pflegenden diesen Zusammenhang nicht gesehen bzw. haben daraus keinerlei Konsequenzen in ihrem Umgehen mit der alten Frau gezogen – wie sie in der Fortbildung auch sagten.
Die Maßnahmen, die ergriffen wurden, zielten nämlich nur darauf ab, wie diese Frau zur Körperpflege überredet und ausgetrickst werden könnte. Z. B. wurde versucht „Nähe“ herzustellen oder der Frau wurde eingeredet, ihr Hausarzt hätte ein medizinisches Bad verordnet.
Letztendlich wird solch eine Frau sogar Psychopharmaka erhalten, damit sie „umgänglicher“ wird. Oder aber, wie es dort war, wird jeden Tag mehrere Male versucht, gegen die Panik der alten Frau anzukommen und die Maßnahmen durchzusetzen. Es war ein ständiger Kampf zwischen den Pflegenden und der alten Frau und die TeilnehmerInnen in der Fortbildung gaben zu, dass sie sehr wütend auf diese Frau seien, weil sie sich auch nicht helfen lassen wolle. Auch diese Frau wird unter Umständen in eine Gerontopsychiatrie überwiesen werden, je nachdem, welche Formen ihr Verhalten / Ihr Wehren noch annehmen wird.
Es gibt noch viele andere Beispiele, die ich Ihnen allein aus meiner Praxis als Altenpflegerin nennen könnte.
Abgesehen davon, dass diese alten Frauen selbst natürlich enorm leiden, leiden auch alle diejenigen, die mit ihnen arbeiten, weil sie sich oft keinen Rat wissen, mit den alten Frauen umzugehen.
Es stellt sich also einerseits die Frage, was Pflegende tun können und andererseits die nach Handlungsmaßnahmen auf anderen Ebenen
Hier erst einmal Antworten aus meiner Sicht, was Pflegende im Umgang mit traumatisierten alten Frauen tun können.
Es gibt sicherlich vielerlei Pflegemaßnahmen, die zum Wohle einer Frau durchgeführt werden müssen, um weiteren Schaden von ihr abzuwenden oder um einen Therapieprozess durchzuführen. Aber diese Maßnahmen können in einer Art durchgeführt werden, in der die Frau an den Maßnahmen beteiligt wird und sie ihr auch erklärt werden. Auch demente Frauen in sehr fortgeschrittenem Stadium spüren, ob eine Pflegeperson Pflegemaßnahmen um jeden Preis durchsetzt oder aber innehält, wenn sie sich wehrt, mit der Frau Kontakt aufnimmt, auf ihre Ängste eingeht. Das muss nicht immer heißen, die Pflegemaßnahme gänzlich aufzugeben.
Meiner Erfahrung nach treten bei den Frauen keine schwerwiegenden Symptome auf, wenn Pflegemaßnahmen in einer vertrauensvollen Beziehung und Atmosphäre durchgeführt werden. Dabei ist es fast unerheblich, welche Art von Maßnahme durchgeführt wird; es muss nicht unbedingt eine sehr intime sein. Es geht immer darum, dass sich Frauen den Pflegenden – und natürlich genauso den ÄrztInnen und allen anderen Therapeutinnen – gegenüber in keiner ohnmächtigen und wehrlosen Situation befinden. Sie müssen spüren, dass sie ein Mitspracherecht über sich haben (auch wenn sie sich nicht mehr verbal äußern können).
Wichtig ist es, eine Pflegemaßnahme, eine bestimmte diagnostische oder sonstige therapeutische Maßnahme auch einmal zu unterbrechen, und auch den Nutzen einer Maßnahme noch einmal zu hinterfragen, wodurch diesen Frauen deutlich gemacht wird, dass ihr Abwehrverhalten und ihre Bedürfnisse wahrgenommen und akzeptiert werden. Sie entwickeln so mehr Vertrauen und erlangen Kontrolle über das, was mit ihnen geschieht. Dies allein reicht oft schon aus, um die jeweilige Maßnahme später – im Einverständnis – durchführen zu können. Oft können aber auch – mit den Frauen abgesprochen – Alternativmaßnahmen gefunden werden. So können die Frauen weitgehendst vor Re-traumatisierungen geschützt werden.
Wichtig ist für die alten Frauen vor allem, dass sie auf Personen treffen, die Verständnis für ihre Reaktionen, Verhaltensweisen und Krankheitssymptome haben und ihnen eine vertrauensvolle Beziehung anbieten.
Es sollte vor allem immer wieder bedacht werden, dass jedes Verhalten einen Grund hat. Und in solch einer sicheren Umgebung können auch Gespräche über früher erlebte sexualisierte männliche Gewalt aufkommen, die meist als sehr entlastend erlebt werden.
Es ist daher meiner Ansicht nach zwingend notwendig, dass alle diejenigen, die pflegerisch, medizinisch und ansonsten therapeutisch mit alten Frauen arbeiten, sich Frauen-Geschichte bewusst machen und in der individuellen Geschichte der alten Frauen forschen, soweit dies möglich ist.
Dazu müssten sich natürlich alle diejenigen selbst mit dem Thema sexualisierte Gewalt gegen Frauen auseinandersetzen – was oft natürlich sehr schwierig ist.
Um vor allem ja solche Situationen für alte Frauen nicht entstehen zu lassen, die sie in ihr altes Trauma zurückführen
Die weiteren notwendigen Maßnahmen sehen aus meiner Sicht so aus:
Die Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung mit ihrer Vielzahl von möglichen Symptomen und Verhaltenswesen, die sich manchmal auch mit denen der Demenz überschneiden – gerade aufgrund sexualisierter und anderer Formen von Gewalt, muss in die Kranken- und Altenpflege, sowohl auf ärztlicher, pflegerischer und therapeutischer Ebene eingebracht werden.
D. h. dass sie Ausbildungsinhalt werden muss. Das heißt auch, dass Gewalt gegen Frauen tatsächlich Unterrichtsthema sein muss.
Damit einerseits Re-Traumatisierungen möglichst vermieden werden und andererseits Frauen in ihren Erinnerungen, Ängsten und Symptomen Unterstützung erfahren.
Ferner muss es auch für ältere und alte Frauen Traumastationen bzw. Traumatherapien geben, d. h. dass die Trennung von Frauen nach Alter aufgelöst muss werden.
In meinen Augen ist es unumgänglich, dass es für Frauen mit Gewalterfahrungen – meist ja durch Männer verursacht – aus-schließlich Traumastationen für und von Frauen geben muss.
Auch muss es möglich sein, dass TherapeutInnen in die Heime und zu den alten Frauen nach Hause kommen.
Hier müssen sicherlich für alte Frauen besondere therapeutische Konzepte erarbeitet werden.
Und zu guter Letzt muss die therapeutische Behandlung der alten Frauen von den Kassen finanziert werden. (Dies ist letztendlich weitaus kostengünstiger als die oft jahrelangen Psychopharmaka-verordnungen und ihre Folgen – z. B. Stürze – oder der Verbleib auf Gerontopsychiatrien.)
In der geriatrischen Literatur kommt die Möglichkeit einer Posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund sexualisierter Gewalt generell nicht vor. Eine Ausnahme habe ich bisher nur bei Heuft, Kruse und Radebold im „Lehrbuch der Gerontopsychosomatik“ (2000) gefunden.
Gereon Heuft vermutet dort den Grund, warum bei alten Frauen keine Ursachenforschung in dieser Richtung betrieben wird, bzw. ihnen nicht entsprechende Therapiemaßnahmen zuteil werden, so: „…der Untersucher spürt den unterschwelligen Auftrag von Hausarzt und Verwandtschaft der Patientin, diese doch um alles in der Welt „ruhig“ zu stellen – und identifiziert sich mit diesem Aspekt sozialer Erwünschtheit mehr als mit dem Leid der Patientin. Und auch, dass der Untersucher wohl ein latentes Entsetzen bei der Konfrontation mit der sexualisierten Traumatisierung einer alten Frau spürt, nämlich dass, was wäre, wenn die eigenen Eltern ähnliche traumatische Erfahrungen plötzlich unverblümt thematisieren würden?“
Alten Frauen wird oftmals das Recht auf Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit abgesprochen – ähnlich wie kleinen Kindern. Diesen Vergleich höre ich übrigens sehr oft, wenn ich irgendwelchen Menschen erzähle, dass ich Altenpflegerin bin. Eine sehr häufige Frage / Bemerkung ist dann: das ist wohl so, wie mit kleinen Kindern arbeiten.
Mit diesem Bild im Kopf ist es nicht verwunderlich, dass Alte und Sexualität oder Alte und sexualisierte Gewalterfahrungen anscheinend nicht zusammenpassen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen deutlich machen, dass alte Frauen nicht depressiv, apathisch, unruhig, aggressiv oder verwirrt, manchmal auch psychotisch, wahnhaft oder dement sind, weil sie alt sind, sondern weil sie womöglich eine traumatische Geschichte haben.
Es müssen noch viele Tabus abgebaut werden, u. a. auch dass, dass es bei alten Frauen keinen Sinn mehr mache – was ich auch sehr oft höre – mit ihnen z. B. therapeutisch zu arbeiten.
Elisabeth Steinmann – eine über 70jährige Buchautorin – schreibt – in einem anderen Zusammenhang:
„Solange das Leben währt, solange entwickle ich mich. Auch 80jährige sind noch nicht das, was sie mit 90 sein werden.“ (Steinmann, 1993, S. 23)
Und ich hoffe sehr, dass diese Veranstaltung heute mit dazu beiträgt, dass die heute alten Frauen endlich die Unterstützung bekommen, die sie brauchen.
An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich bei Frau von Schoenebeck bedanken, dass sie mich mit diesem Thema heute eingeladen haben.
Und Ihnen für Ihr Zuhören.
Vielen Dank!
Zum Anhang:
Text aus:
Erfahrungen sexualisierter Gewalt in der Lebensgeschichte alter Frauen,
Ansätze für eine frauenorientierte Altenarbeit
mit einem Vorwort von Luise F. Pusch, Mabuse Verlag, Frankfurt 2000,
ISBN-3-933050-16-2
Das Buch und Vorträge können bei der Autorin angefragt / bestellt werden:
Martina Böhmer
Im Aehlemaar 5
51467 Bergisch Gladbach
Tel.: 02202-240380
Fax: 02202-240381
Infos unter www.martinaboehmer.de
Diskussion:
* Wichtig ist der Zusammenhang zwischen falscher Behandlung, fehlender Prävention u.a. und verschwendetem Geld
* Entmündigung: Wer ist Chef – der/die Pflegende oder die Klientin? Eine Frage, die in die Ausbildung gehört
* Qualitätssiegel für Heime – auch der angemessene Umgang mit traumatisierten Menschen muss in den Katalog aufgenommen werden
* Biographiearbeit mit den alten Menschen als Bestandteil der Pflege
Einschub: Brief von Frau Böhmer mit Anregungen, wie wir weiter mit dem Thema umgehen können:
Sehr geehrte Frau von Schoenebeck,
Ich möchte Ihnen hier aufschreiben, was es mit der Qualitätssicherung für Krankenhäuser und Altenheime auf sich hat. Und dass dort verankert werden könnte / sollte, dass und wie mit traumatisierten (alten) Frauen umgegangen werden muss.
Im § 137 SGB V (Sozialgesetzbuch) werden den Krankenhäusern verpflichtende Maßnahmen zur Qualitätssicherung vorgegeben. Häuser, die ihre Verpflichtung nicht einhalten , müssen mit Vergütungsabschlägen rechnen.
Es wird nicht genau gesagt, worin Qualität besteht:
z. B. steht unter § 2 SGB V „Leistungen“ dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen … dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen habe. (Traumaforschung ist ja anerkannt!!!)
Durch Zertifizierungen wird den Unternehmen von unabhängigen Sachverständigen ein bestimmtes Qualitätsniveau attestiert; regelmäßig geschieht das auf Zeit. Sowohl das Heimgesetz als auch das SGB XI sehen inzwischen Qualtiätsnachweise vor. Als Qualitätsnachweis können auch anerkannte Zertifizierungen gelten. Qualitätsnachweise sind bis spätestens 1.1.2004 vorzulegen. Die Zertifizierungsnorm wird u. a. angegeben in dem Werk EN ISO 9004:2000, (kostet ca. 400,– Euro, habe ich in Kopie, bei Interesse von Ihnen) in dem halt genauer definiert wird, wonach diese unabhängigen Prüfer (!) prüfen und beurteilen/bewerten. u. a. unter dem Aspekt KundInnenzufriedenheit! und es gibt verschiedene Vorgaben von Pflegesystemen, die unter „unserem“ Aspekt nützlich wären, wie z. B. Bezugspflege und Pflegeplanung mit Biografiearbeit.
Auch wird festgeschrieben, dass die MitarbeiterInnen regelmäßige Fortbildungen erhalten müssen.
Pflicht ist auch, dass es sogenannte Pflegestandards geben muss, in denen die Pflege bei einzelnen Problemen / Erkrankungen usw. definiert wird. Es gibt da allerlei Möglichkeiten, denke ich. Geprüft wird die Qualität auch durch den MDK, Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Die zahlen ja und sobald da etwas nicht der „Norm“ entspricht, versuchen die ja, Gelder abzuziehen.
Bei genauerem Interesse von Ihnen kann ich gerne ausführlichere Infos geben. Altenheime z. B. sind u. a. auch dazu verpflichtet sogenannte Qualitätshandbücher für ihre Einrichtung zu erstellen. Deswegen rödeln die alle gerade ganz schön rum und sind unter Druck.
Soweit erstmal.
Und auch noch mal vielen Dank für Ihr Interesse an meinem Vortrag und es wäre ja schön, wenn sich noch mal etwas ergeben würde und ich in irgendeiner Form mit meiner Mitarbeit beitragen könnte.
Viele herzliche Grüße
Martina Böhmer
Gespräch mit Monika Voß – Büter:
Gender-Ansätze in der stationären Psychiatrie
Aufsatz:
Ermittlung geschlechtsspezifischer Behandlungsbedürfnisse von Patientinnen und Patienten in der stationären Psychiatrie
Diplom-Psychologin Monika Voß-Büter
Zusammenfassung
Ausgehend von der Absicht, Gender Mainstreaming in das Gesundheitswesen und die Psychiatrie zu implementieren, wurde eine Untersuchung zur Ermittlung geschlechtsspezifischer Behandlungsbedürfnisse von Patientinnen und Patienten in der stationären Psychiatrie mittels eines eigens dafür konzipierten Fragebogens durchgeführt. Ziel war es, die Forschungsergebnisse als Informationsquelle für Optimierungsbemühungen im individuellen Therapieprozess und zur Verbesserung der Versorgung psychisch Kranker zu nutzen und den Qualitätsstandard von Landeskrankenhäusern weiter zu steigern. Die Ergebnisse der Erhebung zeigen, dass sich Patientinnen und Patienten in der stationären Psychiatrie in ihren Behandlungsbedürfnissen unterscheiden. Die signifikantesten Unterschiede ergaben sich in den Merkmalsbereichen, die sich mit geschlechtshomogenen Behandlungssettings und Kontakten befassen.
Schlüsselwörter: Geschlechtsspezifische Behandlungsbedürfnisse, Geschlechtermischung,
Gender Mainstreaming und Psychiatrie
Gender Mainstreaming im Gesundheitswesen und in der Psychiatrie
Die Diskussion, wie Gender Mainstreaming als Strategie der Europäischen Gemeinschaft im Gesundheitswesen von Niedersachsen verankert werden soll, führte in Zusammenarbeit mit dem Psychiatriereferat des Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales, dem Niedersächsischen Landeskrankenhaus Osnabrück und der Universität Osnabrück zu der Idee, im Rahmen einer Diplomarbeit zu untersuchen, ob es in der stationären Psychiatrie geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Behandlungsbedürfnissen von Patientinnen und Patienten gibt.
Ausgangspunkt war eine Rede der ehemaligen Niedersächsischen Ministerin für Frauen, Arbeit und Soziales. Frau Merk hatte 1999 in einem Vortrag die Ungleichbehandlung von Patientinnen und Patienten in der Psychiatrie als Beispiel für die Notwendigkeit einer konkreten Umsetzung des Gender Mainstreaming-Gedankens im Gesundheitswesen genannt:
„Trotz einer intensiven Frauenforschung ist es bisher nur teilweise gelungen,
Gesundheit im Kontext des sozialen Geschehens der Menschen zu betrachten und entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung und Sicherung der Gesundheit zu ergreifen. Faktoren wie z.B. Armut, Doppelbelastung der Frauen oder Gewalterfahrungen und deren Wirkung auf die Gesundheit von Frauen und Mädchen sind bisher nicht hinreichend untersucht. Es ist bekannt,
1. dass Frauen mehr Medikamente – speziell Psychopharmaka – verschrieben werden als Männern,
2. dass Patientinnen in der Psychiatrie häufig auf eine Versorgungssituation treffen, die gekennzeichnet ist durch nicht getrennte Unterbringung von Frauen und Männern. Außerdem haben sie vielfach keinerlei Wahlmöglichkeiten, ob sie von männlichem oder
3. weiblichem ärztlichen Pflegepersonal betreut werden. Da davon auszugehen ist, dass ein wesentlicher Teil der Patientinnen Gewalterfahrungen besitzt, ist dieser Umstand wiederum krankheitsverschärfend und wird bisher nicht genügend miteinbezogen.
4. dass Erkenntnismaßstäbe im Gesundheitswesen in vielen Bereichen auf Behandlungen speziell von männlichen Patienten basieren, z.B. ist dies bekannt aus der Medikamentenforschung oder bezüglich der „herkömmlichen“ Symptome beim Herzinfarkt.“
Vorgeschlagen wurde die Herausarbeitung des geschlechtsbezogenen Ansatzes bei jedem einzelnen Vorhaben, um hieraus Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten.
Die Gesundheitsministerkonferenz beschloss im Juni 2001 einstimmig:
„Die GMK stellt fest, dass eine geschlechtsspezifische Differenzierung bei der Betrachtung von Gesundheit und Krankheit in Umsetzung des Gender Mainstreaming in der Gesundheitspolitik in Deutschland bislang nur in Ansätzen erfolgt. Sie hält eine stärkere Berücksichtigung der besonderen Belange von Frauen und Männern als Voraussetzung für eine qualitätsgesicherte, wirksame Diagnostik und Behandlung für erforderlich. Die zu geringe Beachtung geschlechtsrelevanter Bedürfnisunterschiede trägt zu Über-, Unter- und Fehlversorgung im Gesundheitswesen bei.“ (Ergebnisprotokoll vom 21./ 22.06.2001).
Die definierten Ziele der Diplomarbeit stellten sich somit wie folgt dar:
1. Erfassung geschlechtsspezifischer Behandlungsbedürfnisse von Patientinnen und Patienten in der stationären Psychiatrie und Ermittlung von Unterschieden.
2. Entwicklung eines Fragebogens, der alle relevanten Bereiche geschlechtsspezifischer Behandlungsbedürfnisse von Patientinnen und Patienten in der stationären Therapie erfasst und trotzdem, im Hinblick auf eine möglichst geringe Belastung von Patientinnen und Patienten, in einer relativ kurzen Zeit bearbeitet werden kann.
Zur Untersuchung der Frage, ob es unterschiedliche Behandlungsbedürfnisse von Patienten und Patientinnen in der stationären Psychiatrie gibt, stand zum Zeitpunkt der Erhebung kein geeignetes Instrument zur Verfügung. Deshalb war die Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung von Behandlungsbedürfnissen erforderlich.
„Geschlechtsspezifische Behandlungsbedürfnisse“ in der Literatur
Die Literaturrecherche ergab, dass geschlechtsspezifische Behandlungsbedürfnisse nicht in eigenen Studien erfasst werden, sondern nur in Studien zur Behandlungszufriedenheit auf Patientenbedürfnisse hingewiesen wird, wobei in der Schreibweise nicht die Spezifikation der Geschlechtszugehörigkeit berücksichtigt wird. Werden Wünsche und Erwartungen von Patienten erwähnt, geschieht das fast ausschließlich „geschlechtsneutral“. Die Ergebnisse der meisten Studien sind nicht nach Geschlechtern getrennt ausgewertet worden oder es wird angemerkt, dass es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Behandlungsbewertung gibt. Zu fragen wäre an dieser Stelle, ob die benutzte Methodik geeignet war, solche Unterschiede zu erfassen. Nachfolgend sind verschiedene Studien zu Behandlungszufriedenheiten aufgeführt, in denen es Hinweise auf Kategorien, Wünsche und Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten gibt. Die „maskuline“ Schreibweise der Studien wird bei den Literaturangaben wegen der Authentizität beibehalten.
In einer Studie von Spießl, H., A. Spießl, C. Cording (1999) wurde 116 Patienten ein Fragebogen vorgelegt, der von 58 Patienten (50 %), die für den stationären allgemeinpsychiatrischen Bereich repräsentativ waren, vollständig beantwortet wurde. Mit dem gleichen Fragebogen wurden außerdem 43 Therapeuten (Rücklauf 63 %) befragt. Der Studie ließ sich nicht entnehmen, wie sich das Verhältnis von befragten Frauen und Männern darstellte. Die Einschätzung der 39 Items erfolgte auf einer sechsstufigen Antwortskala von „sehr wichtig“ (1) bis „ganz unwichtig“ (6). Die Autoren und die Autorin ermittelten als wichtigste Faktoren für die Patientenzufriedenheit eine erfolgreiche Therapie, Wahrung der Menschenrechte, Privatsphäre, einfühlsame Ärzte, freundliche Mitarbeiter und freier Ausgang. Bis auf den letzten Aspekt wurden diese Faktoren auch von den Therapeuten übereinstimmend bewertet. Signifikant von den Therapeuten unterschätzt wurden im Vergleich zu den Aussagen der Patienten die Aspekte freier Ausgang, Tagesablauf frei bestimmen, Rücksichtnahme unter Patienten, Zweibettzimmer, Ausstattung der Klinik und Mitsprache der Patienten bei der Therapie. Die Verfasser und die Verfasserin geben in ihrer Studie zu bedenken, dass vorliegende Erhebungsinstrumente fast ausnahmslos von Wissenschaftlern entwickelt wurden und es fraglich sei, inwieweit diese die für Patienten wesentlichen Gesichtspunkte einer Behandlungszufriedenheit überhaupt erfassen können. Vorstellungen von Patienten seien bisher nur vereinzelt mit einbezogen worden.
In Übereinstimmung mit anderen Studien beurteilten Patienten Gespräche als wichtiger als Medikamente und Einzeltherapie als wichtiger als Gruppentherapie (Finke, J., L. Teusch,
M. Gastpar, 1995).
Darüber hinaus erwiesen sich die Art und das Verhalten von Mitpatienten als wichtige Kriterien für die Beurteilung der Klinikbehandlung, was in früheren Untersuchungen weitgehend unbeachtet blieb. Als besonders sensible Punkte sind die zwischenmenschlichen Aspekte der Behandlung, wie Verhältnis zwischen Patienten, Ärzten und Pflegepersonal zu berücksichtigen. (Rentrop, M., A. Böhm, W. Kissling, 1999)
Ein bedeutsamer Aspekt bei geschlechtsspezifischen Bedürfnissen ist die Präferenz gemischtgeschlechtlicher oder getrenntgeschlechtlicher Stationen. Die wichtigsten Argumente für einen gemischten Stationstyp waren die Normalisierung und Humanisierung der Klinikwelt sowie die Simulation der außerklinischen Welt im therapeutischen Umfeld. Damit war die Hoffnung verbunden, dass durch die Gegenwart des anderen Geschlechts aggressive Verhaltensweisen gehemmt und Patienten und Patientinnen mehr auf ihr Äußeres und ihre Umgangsformen achten. (Gebhardt, R.-P. u. T. Steinert, 2000; Spießl, H., U. Frick,
U. v. Kovatsits, H.E. Klein, A. Vukovich, 2001). Diese Hoffnungen wurden in den Untersuchungen vom Klinikpersonal geäußert und waren keine Aussagen der befragten Patientinnen und Patienten.
Spießl et al. (2001) wiesen in ihrer Studie eine signifikante Bedeutung von Einflussvariablen wie Stationstyp, Alter und Geschlecht bei der Präferenz eines bestimmten Stationstyps nach. Danach präferieren Frauen, die auf einer reinen Frauenstation behandelt werden, diesen Stationstyp deutlich (77 %). Befinden sie sich aber auf einer gemischten Station, so lehnen sie eine getrenntgeschlechtliche Behandlung mit fast der gleichen Mehrheit ab (75 %). Männer dagegen geben gemischten Stationen immer den Vorzug, unabhängig davon, auf welcher Station sie sich aktuell befinden. Eine weitere Bedeutung bei der Präferenz eines bestimmten Stationstyps kommt dem Alter zu. Jüngere Patienten bevorzugen gemischtgeschlechtliche Stationen, ältere Patienten fühlen sich wohler auf getrenntgeschlechtlichen Stationen.
Auch in anderen Studien wurde darauf hingewiesen, dass Frauen in Abhängigkeit davon, auf welchem Stationstyp sie behandelt werden, diesen auch entsprechend bevorzugen (Myers DH, A. Leahy, H. Shoeb, J. Ryder, 1990; Kotin, J. u. J.M. Schur, 1969; Vieweg, T., R. Schubert, S. Lemke, 1996).
Die Notwendigkeit getrenntgeschlechtlicher Aufnahmesituationen wird in Untersuchungen und Erfahrungsberichten aus der Frauenforschung thematisiert (Enders-Dragässer, U. und
B. Sellach, 1999). Eine Aufnahmestation für Frauen und Männer kann für Frauen mit Gewalterfahrungen eine Wiederholung erlebter Grenzverletzungen oder erlebten Missbrauchs bedeuten, zum Beispiel wenn Frauen von Männern fixiert würden. Erforderlich sei es auch, Frauen mit Kontrollverlust in der akuten Phase ihrer Erkrankung, in der es möglicherweise von Seiten der Frauen zu Grenzüberschreitungen kommt (sexuelle Kontaktaufnahmen, Pseudobeziehungen), vor sich selbst zu schützen. Immer wieder wird kritisch hervorgehoben, dass in der psychiatrischen Behandlung die Lebensrealität von Frauen ausgegrenzt und krankmachende weibliche Lebensbedingungen wie Extremerfahrungen körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt, Identitäts- und Existenzkrisen durch Beziehungsprobleme und Wegnahme von Kindern, berufliche und sonstige Benachteiligungen, wirtschaftliche Not und Wohnungslosigkeit ignoriert werden oder zu wenig Beachtung finden.
Mit der Psychiatriereform sind die Alltagsbezüge der Patientinnen und Patienten stärker ins Blickfeld geraten, doch es fehlt immer noch an hinreichenden und systematischen geschlechtsspezifischen Differenzierungen. Festzustellen bleibt, dass gegenwärtig häufig keine Wahlfreiheit zwischen gemischten und getrennten Stationen besteht. Diese Tatsache kann bei der Ergebnisdarstellung nicht unberücksichtigt bleiben.
Empirische Arbeit
Hinweise in Studien zu Behandlungszufriedenheiten, in populärwissenschaftlicher Literatur zur Frauenforschung, in einer unveröffentlichten Diplomarbeit zur Behandlungszufriedenheit im psychiatrischen Krankenhaus und Gespräche mit Psychiatrieerfahrenen und dem Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener (LPEN) dienten als Grundlage für die Entwicklung des Fragebogens zur Ermittlung geschlechtsspezifischer Behandlungs-bedürfnisse von Patientinnen und Patienten in der stationären Psychiatrie. Die Intention bei der Konstruktion des Instruments war, ein breites Spektrum relevanter Aspekte von Behandlungsbedürfnissen abzubilden, wobei insbesondere die Aspekte Berücksichtigung finden sollten, die Hinweise auf mögliche geschlechtsspezifische Unterschiede in den Behandlungsbedürfnissen liefern. Dazu war es erforderlich, entsprechende Hinweise in Studien und anderen Veröffentlichungen zu sichten und aus diesen Publikationen einen großen Itempool zu sammeln.
Der aus den genannten Publikationen gesammelte Itempool wurde acht Primärskalen zugeordnet. Bei der Konstruktion von Skalen galt es, Merkmalsbereiche festzulegen, die relevant sind für geschlechtsspezifische Behandlungsbedürfnisse in der stationären psychiatrischen Versorgung. Die erstellten acht Skalen des Fragebogens erhielten folgende Bezeichnungen: I Therapiebedingungen, II Soziale Kontakte, III Beziehungen,
IV Therapieangebote, V Selbstbestimmung und Struktur, VI Räumliche Situation und wohnliche Atmosphäre, VII Beziehungen zu Mitpatientinnen und Mitpatienten und
VIII Informationen.
Skala I erfragt Bedürfnisse nach gleichgeschlechtlichen Beziehungen im therapeutischen Setting (9 Items). Skala II enthält sieben Items, die die Wichtigkeit gleichgeschlechtlicher sozialer Kontakte erfragen. In Skala III geht es um die Beziehungen zwischen Behandelnden und den stationär Aufgenommenen (17 Items). Skala IV prüft mit siebzehn Items Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten nach bestimmten Therapieformen und –inhalten. Die Skala V beinhaltet zwölf Items zu Autonomiebedürfnissen und sieben Items, die Wünsche nach Struktur und Regeln erfassen. Skala VI soll die Wichtigkeit der räumlichen Gegebenheiten und der Atmosphäre auf den Stationen für das Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten abfragen (19 Items). In Skala VII wird mit 9 Items die Bedeutung der Beziehung zu Mitpatienten und Mitpatientinnen festgestellt. Skala VIII versucht mit sechzehn Items den Bedarf der Patientinnen und Patienten nach Aufklärung über die Medikation und deren Nebenwirkungen sowie Bedürfnisse nach Informationen zum Sorgerecht und Fragen zur Situation nach Beendigung der stationären Behandlung zu ermitteln.
Zur Vermeidung von Dualisierungen innerhalb eines Items, z.B. „Beim Aufnahmegespräch mit einer Frau / einem Mann sprechen zu können…“, wurde beschlossen, den Fragebogen in zwei Versionen, getrennt für Patientinnen und Patienten, zu erstellen.
Die Primärfassung des Fragebogens umfasste 115 Items. Die Items wurden als Aussagen formuliert, zu denen die befragten Patientinnen und Patienten in einer mehrfach abgestuften Antwortskala angeben konnten, wie wichtig ihnen ein bestimmter Behandlungsaspekt ist. Für die Beantwortung wurde eine fünfstufige Antwortskala verwendet. Die 4 steht für die stärkste Ausprägung „sehr wichtig“, die 3 für „ziemlich wichtig“, die 2 für „etwas wichtig“, die 1 für „weniger wichtig“ und die O steht für die geringste Ausprägung „gar nicht wichtig“. Die Fragen zu familiären und beruflichen Lebensbedingungen und persönlichen Befindlichkeiten in den Patientendaten sind dichotom und mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten. Die Antwort „ja“ wurde mit 1, „nein“ mit 2 codiert. Unter Einbeziehung testtheoretischer und inhaltlicher Überlegungen (Korrigierte Trennschärfen, Itemschwierigkeiten und Korrelationen) wurden nach Auswertung der Daten dreizehn Items eliminiert.
Stichprobe
An der Fragebogenuntersuchung nahmen 40 Patientinnen und 40 Patienten des Niedersächsischen Landeskrankenhauses Osnabrück teil. Von den befragten 40 Patientinnen befanden sich 19 Frauen auf einer Station mit dem Schwerpunkt Depression, 12 auf einer allgemeinpsychiatrischen Station mit einem Spezialangebot für Zwangs- und Angstkranke, 5 auf einer Station mit Schwerpunkt in der rehabilitativ orientierten Behandlung und 4 auf der Station für Drogenabhängige. Die meisten der befragten Patienten (N=21) befanden sich auf der Station für Drogenabhängige, 11 Patienten waren auf der Station mit rehabilitativ orientierter Behandlung untergebracht und jeweils 4 Männer befanden sich auf den Stationen Schwerpunkt Depression und Zwangs- und Angstkranke.
Das Alter der Befragten lag bei den Frauen zwischen 16 und 77 Jahren, bei den Männern zwischen 17 und 53 Jahren. Die meisten der Befragten hatten einen Hauptschulabschluss (47,5 % der Männer und 55 % der Frauen). 48,7 % der befragten Frauen und 17,5 % der Männer lebten in einer Paarbeziehung. Von den Männern lebten 40 % allein und 42,5 % in unterschiedlichen Beziehungen, z.B. mit Kindern, Eltern oder in anderen Wohngemeinschaften. 37,5 % der Frauen hatten sexuelle und 42,5 % körperliche Gewalterfahrungen, bei den Männern waren es 10 % mit sexueller und 40 % mit körperlicher Gewalterfahrung.
Alle befragten Patientinnen waren auf eigenen Wunsch in stationärer Behandlung, von den Männern waren 15 % nicht freiwillig im Landeskrankenhaus.
Ergebnisse
Um zu prüfen, ob Patientinnen und Patienten sich in ihren Bewertungen der Wichtigkeiten von Behandlungsbedürfnissen unterscheiden, wurden Mittelwertvergleiche (t-Tests für unabhängige Stichproben) durchgeführt. Da die Antwort „sehr wichtig“ mit 4 codiert wurde, bedeutet ein hoher Mittelwert eine hohe Wichtigkeit des entsprechenden Merkmalbereichs in der Bewertung der Patientinnen und Patienten. Je größer die Differenz der Mittelwerte zwischen den Patienten und Patientinnen ist, desto stärker unterscheiden sich die Geschlechter in ihren jeweiligen Behandlungsbedürfnissen.
Die Tabelle 1 zeigt die Mittelwerte auf Skalenebene nach Geschlechtern getrennt.
Tabelle 1: Mittelwertvergleich aller Patientinnen und Patienten auf Skalenebene
Skalen I bis VIII
Anzahl der
Geschlecht
Stich-
Mittelwert
Standardab-
Signifikanz
Items
probe
weichung
I Therapiebedingungen
9
m
40
,83
,61
,000**
w
40
1,98
,77
II Soziale Kontakte
7
m
40
1,42
,75
,000**
w
40
2,72
,73
III Beziehungen
17
m
40
3,03
,72
,001**
w
40
3,46
,31
IV Therapieangebote
19
m
40
2,69
,68
,010**
w
40
3,05
,52
V Selbstbestimmung
und Struktur
19
m
40
3,03
,56
,464 n.s.
w
40
3,12
,52
VI Räumlichkeiten und
wohnliche Atmosphäre
19
m
40
2,97
,56
,146 n.s.
w
40
3,13
,41
VII Beziehungen zu Mitpatienten
und Mitpatientinnen
9
m
40
3,06
,70
,618 n.s.
w
40
3,12
47
VIII Informationen
16
m
40
2,88
,74
,687 n.s.
w
40
2,97
,59
Anmerkungen: n.s. = nicht signifikant; ** p < .01
Die Skalen I „Therapiebedingungen“ und II „Soziale Kontakte“ weisen hoch signifikante Mittelwertunterschiede auf (p < .01). Auch in den Skalen III „Beziehungen“ und
IV „Therapieangebote“ sind die Mittelwerte von Patientinnen höher als die Mittelwerte der stationär aufgenommenen Männer. Das bedeutet, dass sich Patientinnen und Patienten in den vorgenannten vier Skalen, insbesondere aber in den Skalen I und II, in Bezug auf ihre Behandlungsbedürfnisse unterscheiden. Die Skalen V bis VIII weisen keine signifikanten Mittelwertunterschiede zwischen weiblichen und männlichen Patienten auf.
Um zu prüfen, bei welchen Bedürfnissen geschlechtsspezifische Unterschiede deutlich werden, wurden mit Hilfe des t-Tests die Mittelwerte, getrennt nach Frauen und Männern, für jedes Item einzeln berechnet. In der Skala I weisen alle Items hoch signifikante Mittelwertunterschiede auf. Inhaltlich bedeutet das, dass bei Patientinnen das Bedürfnis nach gleichgeschlechtlichen Beziehungen im Therapiesetting sehr viel stärker ist als bei Patienten. Beispielsweise ist es für 65 % der befragten Patientinnen wichtig, bei dem Aufnahmegespräch mit einer Frau sprechen zu können, während es für nur 17,5 % der befragten Patienten wichtig ist, mit einem Mann zu sprechen. 82,5% der Frauen wünschen sich eine Therapeutin, aber nur 10 % der Patienten präferieren einen Mann als Therapeuten.
Tabelle 2 zeigt die signifikanten Unterschiede für jedes Item der Skala I.
Tabelle 2: Mittelwertunterschiede in den Items der Skala I zwischen Patientinnen und Patienten
Skala I Therapiebedingungen
Geschlecht
Mittelwert
Standardabw.
Signifikanz
I.1 Beim Aufnahmegespräch mit einer
Frau/einem Mann sprechen zu können
m
,95
1,06
,000**
w
2,15
1,44
I.2 Eine Frau/einen Mann als Therapeutin/en wählen zu können
m
,65
,74
,000**
w
3,03
1,27
I.3 Ausschließlich weibliches/männliches Pflegepersonal auf der Station
m
,53
,88
,005**
w
1,23
1,23
I.4 Dass leitende Positionen in der Klinik von Frauen/Männern besetzt sind
m
,88
1,04
,000**
w
2,08
1,21
I.5 Dass ich bei einem/r Psychologen/ Psychologin Einzeltherapie habe
m
1,63
1,31
,000**
w
3,18
1,30
I.6 In einer reinen männlichen/weiblichen Gruppe Therapie zu machen
m
,75
1,03
,033*
w
1,30
1,22
I.7 Dass die Gruppe von einer Frau/ einem Mann geleitet wird
m
,83
1,06
,000**
w
1,90
1,41
I.8 Dass es Therapieangebote speziell nur für Frauen / Männer gibt
m
1,05
1,22
,002**
w
2,05
1,57
I.9 Auf einer reinen Frauen-/ Männerstation zu sein
m
,25
,59
,004**
w
,88
1,16
Anmerkungen: **p < .01, *p < .05
In der Skala II „Soziale Kontakte“ gibt es hoch signifikante Mittelwertunterschiede (p < .01) zwischen Frauen und Männern bei den Items 1, 2, 3 und 6 (siehe Tabelle 3). Diese Ergebnisse unterstützen die schon in Skala I „Therapiebedingungen“ gemachten Befunde, dass sich Patientinnen und Patienten gerade in den Merkmalsbereichen, in denen es um geschlechtshomogene Beziehungen sowohl auf therapeutischer als auch auf allgemeiner zwischenmenschlicher Ebene geht, deutlich unterscheiden.
Tabelle 3 zeigt die Mittelwerte, Standardabweichungen und Signifikanzen der Items, bei denen Unterschiede auftreten.
Tabelle 3: Mittelwerte, Standardabweichungen und Signifikanzen der Skala II „Soziale Kontakte“
Skala II Soziale Kontakte
Geschlecht
Mittelwert
Standardabw.
Signifikanz
II.1 Gespräche mit einer Frau/einem Mann zu führen
m
1,10
1,01
,000**
w
3,20
,79
II.2 Mit einer Frau/einem Mann über Probleme zu sprechen
m
1,20
1,02
,000**
w
3,30
,79
II.3 Mit einer Frau/einem Mann über Gefühle und Ängste zu sprechen
m
1,03
1,10
,000**
w
3,15
,92
II.6 Mit einer Frau/einem Mann über sexuelle Erfahrungen zu sprechen
m
,98
1,19
,000**
w
2,38
1,58
Anmerkungen: ** p < .01;
Die graphische Darstellung veranschaulicht noch einmal die signifikanten Unterschiede in den beiden ersten Skalen.
Abbildung 1: Graphische Darstellung der Mittelwerte der Skalen I und II, getrennt nach
Geschlechtern
Für die Skalen III „Beziehungen“ und IV „Therapieangebote“ werden an dieser Stelle exemplarisch einige Items genannt, die deutliche Unterschiede in der Bewertung der Wichtigkeiten für Patientinnen und Patienten aufweisen:
„Immer von ein und derselben Therapeutin / demselben Therapeuten betreut zu werden“ (Item III.1) ist für 95 % der Frauen, aber nur für 72,5 % der Männer wichtig. „Regelmäßige Gespräche mit PsychologInnen“ (Item III.3) wünschen sich 92,5 % der Frauen und 65 % der Männer.
Das Bedürfnis nach „Regelmäßiger Einzeltherapie“ (Item IV.1) haben 92,5 % der Frauen, aber nur 60 % der Männer. Die Therapieangebote „Ergotherapie“, „Physiotherapie“ und „Entspannung“ werden von 70 bis 80 % der Patientinnen und durchschnittlich 50 % der Patienten als „ziemlich“ bis „sehr wichtig“ bewertet.
Die Behandlungsbedürfnisse von Frauen und Männern in den anderen Merkmalsbereichen weisen starke Ähnlichkeiten in den Bewertungen der Wichtigkeiten auf. Die Abbildung 2 stellt die weitgehenden Übereinstimmungen graphisch dar.
Abbildung 2: Graphische Darstellung der Mittelwerte der Skalen V bis VIII, getrennt nach
Geschlechtern
Die Hinweise von Spießl et al. (2001), dass die Station, auf der sich Patientinnen und Patienten befinden, als Einflussvariable eine signifikante Bedeutung für die Präferenz eines bestimmten Stationstyps hat, scheint sich in dieser Studie zu bestätigen. Nur 17.5 % der befragten Frauen bevorzugten eine reine Frauenstation, während nur 2,5 % der Männer eine reine Männerstation präferierten. Alle befragten Probanden befanden sich zum Zeitpunkt der Erhebung auf gemischtgeschlechtlichen Stationen.
Einfluss von Kovariaten
Um zu prüfen, ob es außer dem Faktor „Geschlecht“ noch andere Faktoren gibt, die sich auf die Variable „Behandlungsbedürfnisse“ auswirken, wurde mittels Varianzanalyse der Einfluss konfundierender Faktoren untersucht. Für die Skalen I „Therapiebedingungen“ und
II „Soziale Kontakte“ ergaben sich keine weiteren Effekte, so dass der Befund als valide angesehen werden kann. Man kann davon ausgehen, dass die gefundenen signifikanten Unterschiede in den beiden Skalen auf geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Bewertungen der Wichtigkeit abgefragter Behandlungsaspekte basieren.
Die varianzanalytische Überprüfung der beiden Skalen III „Beziehungen“ und
IV „Therapieangebote“ lassen dagegen auf univariater Ebene einen Einfluss der Kovariaten „Drogenabhängigkeit“ erkennen. Im Vergleich weisen drogenabhängige Männer (die Ergebnisse der drogenabhängigen Frauen lassen sich wegen der zu kleinen Stichprobe N=4 nicht interpretieren) gegenüber nicht drogenabhängigen Männern und Frauen in den Skalen III und IV einen deutlich geringeren Mittelwert auf:
drogenabhängige nicht drogenabhängige nicht drogenabhängige
Männer Männer Frauen
Skala III M = 2,74 M = 3,35 M = 3,47
Skala IV M = 2,39 M = 3,03 M = 3,05.
Dieses Ergebnis lässt sich dahingehend interpretieren, dass die stationär aufgenommenen Drogenabhängigen sich zum Zeitpunkt der Aufnahme und während des durchschnittlich zehn Tage währenden Aufenthalts noch in einer Akutphase befinden, in der sie wenig an Beziehungen und Therapieangeboten interessiert sind. Die körperlichen Symptome und allgemeinen Missempfindungen sind derart vorherrschend, dass alle von außen herangetragenen Angebote als störend empfunden werden. Diese Auffassung wird durch die Erfahrungen der Schwestern und Pfleger der Stationen S 4 / S 5 bestätigt.
Abbildung 3 zeigt die graphische Darstellung der Mittelwerte der Skalen III „Beziehungen“ und IV „Therapieangebote“ getrennt nach den Gruppen „drogenabhängige Männer“ (Drogmen), „nicht drogenabhängige Männer“ (MänneroDro), „nicht drogenabhängige Frauen“ (FrauenoDro) und „drogenabhängige Frauen“ (Drogfrauen).
Abbildung 3: Mittelwerte der Skalen III und IV getrennt nach vier Gruppen
Es muss aber an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass multivariat keine Signifikanz sichtbar wurde (p=.082), so dass der Einfluss des Faktors „Drogen“ im Rahmen dieser Analyse als nicht bewiesen angesehen werden muss. Festzuhalten bleibt, dass nicht drogenabhängige Frauen und Männer in den beiden überprüften Skalen III und IV sehr ähnliche Bedürfnisse in den abgefragten Merkmalsbereichen haben und sich darin nicht wesentlich voneinander unterscheiden.
Überraschend ist, dass sich sexuelle Gewalterfahrungen von Patientinnen in dieser Untersuchung kaum auf die Behandlungsbedürfnisse auswirken.
Bei der Überprüfung des Zusammenhangs von „sexuellen Gewalterfahrungen“ mit den Bedürfnissen gab es kein signifikantes Ergebnis. Abbildung 4 zeigt für die Skalen I „Therapiebedingungen“ und II „Soziale Kontakte“ die Auswirkung sexueller Gewalterfahrungen von Frauen und Männern auf die Behandlungsbedürfnisse.
Abbildung 4: Interaktion Behandlungsbedürfnisse und sexuelle Gewalterfahrungen
Interessant ist auch, dass 74,3 % der befragten Patientinnen und 72,5 % der Patienten die Frage, ob die Möglichkeit einer stationären Mitaufnahme von Kindern für sie wichtig ist, mit „nein“ beantworteten. Eine Erklärung könnte sein, dass stationär aufgenommene Frauen und Männer so viele Probleme mit sich selbst haben, dass sie sich nicht in der Lage fühlen, sich noch zusätzlich um ihre Kinder zu kümmern.
Diskussion
Es wurde die Frage untersucht, ob sich Patientinnen und Patienten in der stationären Psychiatrie in ihren Behandlungsbedürfnissen unterscheiden. Diese Annahme wurde auf Skalen- und Itemebene geprüft. Für die beiden Skalen I „Therapiebedingungen“ und
II „Soziale Kontakte“ lässt sich die Aussage treffen, dass die hier gefundenen Unterschiede in den Behandlungsbedürfnissen geschlechtsspezifisch sind, da sich keine anderen Einflüsse nachweisen ließen.
Die tendenziell niedrigere Beurteilung der Relevanz geschlechtshomogener Konstellationen im Behandlungssetting von beiden Geschlechtern gegenüber anderen Aspekten von Behandlungsbedürfnissen wirft die Frage auf, ob dieser Merkmalsbereich tatsächlich als weniger wichtig bewertet wird als andere Bedürfnisbereiche oder ob es eine andere Erklärung
gibt. Beispielsweise könnte ein Zusammenhang bestehen zwischen einer abwartenderen und kritischeren Haltung der Probanden zu Beginn einer Befragung und der Platzierung eines Themenbereiches am Anfang des Fragebogens.
Die relativ hohen Mittelwerte der anderen Skalen geben Anlass zu der Überlegung, ob Statements in diesen Skalen (alle Items sind als Aussagen formuliert) positive Antworttendenzen indizieren. Eine Umformulierung von Items zur Vermeidung von Deckeneffekten, die eine Differenzierung erschweren, sollte in Erwägung gezogen werden.
Anzumerken wäre an dieser Stelle, dass Fragen zu Bedürfnissen nach gegengeschlechtlichen therapeutischen Bezugspersonen als Ergänzung zu Fragen nach gleichgeschlechtlichen Kontakten im Therapiesetting sinnvoll sein können. In Gesprächen mit Patienten kam zum Ausdruck, dass einige von ihnen Frauen wegen des „größeren Einfühlungsvermögens“ bevorzugen würden.
Bei der Interpretation der Ergebnisse bleibt zu berücksichtigen, dass für diesen Forschungsbereich vergleichbare empirische Untersuchungen zu Behandlungsbedürfnissen fehlen.
Fazit
Die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass sich Patientinnen und Patienten in der stationären Psychiatrie in ihren Behandlungsbedürfnissen unterscheiden. Sie unterscheiden sich in den Merkmalsbereichen, in denen es um geschlechtshomogene Beziehungen im therapeutischen Setting und auf alltäglicher zwischenmenschlicher Ebene geht. In anderen Bereichen wie beispielsweise „Informationen“ weisen Frauen und Männer in ihren Bedürfnissen weitgehende Übereinstimmungen auf.
Ausblick
Für die Weiterentwicklung und Fortführung des Gender Mainstreaming-Gedankens im niedersächsischen Gesundheitswesen sind weitere empirische Untersuchungen zu geschlechtsspezifischen Behandlungsbedürfnissen notwendig und geplant. Die intensive Erforschung der Behandlungsbedürfnisse von Patientinnen und Patienten in der stationären Psychiatrie im Sinne von Gender Mainstreaming soll als Informationsquelle für Optimierungsbemühungen im individuellen Therapieprozess und zur Verbesserung der Versorgung psychisch Kranker genutzt werden und dazu dienen, den Qualitätsstandard der Landeskrankenhäuser weiter zu erhöhen.
Es lässt sich die Hypothese aufstellen, dass die Befriedigung spezifischer Bedürfnisse von Männern und Frauen in der stationären Therapie Einfluss auf die Behandlungszufriedenheit hat, die wiederum die Compliance von Patientinnen und Patienten mitbestimmt und somit auch für die Prädiktion des Therapieerfolges von Bedeutung ist.
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Angaben zur Autorin:
Monika Voß-Büter, Diplom-Psychologin; Beauftragte des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit zur Unterstützung des Projektes „Implementierung von Gender Mainstreaming in den Niedersächsischen Landeskrankenhäusern“ (Fragebogenerhebung an allen Niedersächsischen Landeskrankenhäusern zur Ermittlung geschlechtsspezifischer Behandlungs-bedürfnisse von Patientinnen und Patienten in der stationären Psychiatrie und Auswertung); Systemische Organisationsberatung; Qualifizierung zur Verbindung von Projektmanagement und Gender Mainstreaming; Verkehrspsychologische Gutachterin.
Veröffentlicht wurde dieser Aufsatz in der Zeitschrift Verhaltenspsychologie und psychosoziale Praxis, dgvt-Verlag, Ausgabe 34. JG. 3/2002
Kontaktadresse
Monika Voß-Büter
Tömmern 23
49565 Bramsche
Telefon: 05461 / 969438
Fax: 05461 / 969439
3. Gespräch mit der Ansprechpartnerin der Klinik Herten Frau Stauder und der Personalrätin Frau Poberitz
Frau Stauder ist Krankenschwester und hat den Ansprechpartnerinnenjob ganz neu. Sie ist für ihre Aufgabe mit 10 Stunden freigestellt; sie hat ein eigenes Büro durchgesetzt und bietet eine sechsstündige regelmäßige Sprechzeit an. Der Rest ihrer Stunden fließt in Vorstellungsgespräche, Fortbildung in MS usw.
Sie hat keinen eigenen Etat. Die Ausstattung des Büros ist gut, die Einladungen zu den Vorstellungsgesprächen erfolgen, sonstige Informationen müssen selbst beschafft werden. Sie ist für die 10 Stunden zwar freigestellt, ihr Fehlen auf der Station wird aber nicht kompensiert, so daß die Kolleginnen für sie mitarbeiten müssen.
Die Themen, die sie als erstes angeht, sind: Beurlaubtentreffen; Teilzeit (es gibt eine Verfügung der Betriebsleitung, dass keine Teilzeit mehr unter 19 Stunden gewährt wird). Stellenreste werden nicht zu neuen Stellen zusammengefasst.
Der LWL will ab sofort vakant werdende Ansprechpartnerinnenstellen nicht wieder besetzen (wegen geplantem Verbundsytem Ruhrgebiet?)
Es gibt jetzt eine Überprüfung des Ansprechpartnerinnenkonzepts (Fragebogen), um Stundenanzahl, Ausstattung usw. abzufragen.
Frau Poberitz:
Der PR hat 7 Mitglieder: 4 Frauen und 3 Männer; ganze Freistellung; Männer sind relativ aufgeschlossen für Frauenthemen; Infos müssen sich beschafft werden. Die ganze Führungsriege ab Oberarztebene ist männlich, dies macht atmosphärische Probleme.
Es gibt keine unbefristeten Arbeitsverträge in Herten; eine Ersatzeinstellung für Erziehungsurlaub erfolgt nicht.
Service GmBH: Die Reinigungsdienste in Herten sind immer schon privatisiert ( es besteht großer Zeitdruck, jede Reinigungskraft hat viel Arbeit zu leisten). Die Technik von Herten und Bochum sind zusammengelegt worden (Verbundsystem), das klappt gut. Küche: Man hat eine öffentliche Cafeteria eingerichtet, die gut angenommen wird, da sie gutes Essen bietet. Was die Küche für die für PatientInnen betrifft, besteht die Überlegung einer Fusionierung mit Bochum.
Wünsche des PR an die Politik, ein Auge zu haben auf
* FFP und Gleichstellungsplan sind außer Kraft gesetzt wegen HH-Sperre
* Dienstvereinbarung des ganzen LWL zum partnerschaftlichen Umgang miteinander (Mobbing) ist erarbeitet und vom LD abgelehnt worden; stattdessen hat der LD einen Entwurf der Stadt München favorisiert; gekippt wurde dabei z.B. die Stelle eineR Mobbingbeauftragten.
23.07.03 Brigitte von Schoenebeck