Nutztierrassen
03. Apr. 2001
2001-04-03 Positionspapier zur Erhaltung alter und gefährdeter Nutztierrassen in Westfalen- Lippe
Positionspapier zur Erhaltung alter und gefährdeter Nutztierrassen in Westfalen- Lippe
von Thomas Hinze
Die Erhaltung und Förderung alter und bedrohter Nutztierassen ist eine Aufgabe, der sich in Westfalen- Lippe einige wenige Tiergärten und Haustierparks sowie in der Bundesrepublik Deutschland die Gesellschaft zu Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen widmet. In Westfalen- Lippe kümmert sich im musealen Bereich auch das Westfälische Freilichtmuseum in Detmold u.a. um die Haltung einiger weniger alter und gefährdeter Nutztierrassen. Diese Bemühungen sind gut und wichtig, reichen jedoch insgesamt nicht aus.
Schon seit frühster Zeit waren Nutztierhaltung und Landnutzung eng miteinander gekoppelt. Das Bild in den ländlichen Regionen Westfalen-Lippes wurde in den Dörfern und Kleinstädten entscheidend durch das Vorhandensein unserer Nutztiere geprägt. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich dabei eine Vielzahl regional verankerter Nutztierrassen mit typischen gebietsspezifischen Eigenschaften. Exemplarisch zu nennen wären hier die klassischen Dreinutzungsrassen (Milch, Fleisch, Zugkraft).
In Westfalen-Lippe sind beispielweise die Senner-Pferde, die Bentheimer Landschafe, die bunten Bentheimer Schweine, die schwarzbunten bzw. rotbunten Kühe, das rote Höhenvieh sowie an Geflügel die Lippe-Gans, die Westfälischen Totleger, Krüper- und Lakenfelder Hühner regional beheimatet.
Mit fortschreitendem Strukturwandel setzte eine Reduzierung der Leistungsmerkmale ein, die diese Zeugnisse der traditionellen Landwirtschaft aus der Landschaft verschwinden ließ. Damit fehlt nicht nur ein kulturhistorisches Element des Landschaftsbildes; auch die regionale Eigenart und vor allem die genetische Vielfalt gehen unwiederbringlich verloren. Alte Nutztierrassen stellen eine Genreserve dar und haben einen hohen kulturhistorischen Wert. In diesem Zusammenhang sind die Erhaltungsbemühungen des Stammbuches Lippegans oder das Auswilderungsprojekt der Senner-Pferde in der Senne zu sehen.
Um Ansätze für eine notwendige und dauerhafte Erhaltungsarbeit der gefährdeten Nutztierrassen zu entwickeln, müssen neben einer rein musealen Haltung (z. B. im Westfälischen Freilichtmuseum in Detmold) Rahmenbedingungen für einen sinnvollen Einsatz und die Züchtung in Westfalen- Lippe geschaffen werden. Dabei soll grundsätzlich erreicht werden, die alten und bedrohten Nutztierrassen stärker in Westfalen- Lippe zu verankern, indem den Tieren ein sinnvolles Betätigungsfeld in Betrieben und Projekten geboten wird. Dies ist nicht als eine Konkurrenz zur konventionellen Landwirtschaft zu verstehen (Nischenbildung).
Zu nennen sind in diesem Zusammenhang beispielsweise folgende Aufgabenbereiche in Westfalen-Lippe:
1.Der Einsatz alter Nutztierrassen in der Landschaftspflege insbesondere von Schafen und Ziegen zur extensiven Beweidung in Naturschutzschutzgebieten oder Restflächen in Westfalen -Lippe anstatt einer kosten- und arbeitsträchtigen manuellen Bearbeitung dieser Flächen. Eine Vielzahl unterschiedlicher alter Rassen mit unterschiedlichen Nutzungseigenschaften ermöglicht den Einsatz einer optimal angepassten Rasse für jeden Standort.
2.Der Einsatz von alten und gefährdeten Pferderassen (Kaltblüter) als Rückepferde in der Forstwirtschaft an für Räumfahrzeuge schwer zugänglichen Stellen sowie als umweltfreundliche Methode zur Vermeidung von Rückeschäden.
3.Die Haltung alter und gefährdeter Nutztierrassen aus pädagogischen oder therapeutischen Gründen (Heranführung von Schülern, Patienten etc. an Arbeits- und Lebensrhythmen, Tagesstrukturen auf Schulbauernhöfen, Kliniken oder stationären Jugendwohngruppen in Jugendhilfeeinrichtungen) Zu nennen sind hier beispielsweise das Projekt „Harte Jungs und Kaltblutpferde oder der Schulbauernhof in Bielefeld-Ummeln.
4.Die Haltung alter und gefährdeter Nutztierassen zur Tourismus-Förderung in den ländlichen Gebietskörperschaften Westfalen- Lippes. Steigerung der Attraktivität des „Urlaubs auf dem Bauernhof“ (Arche-Hof Projekt der GEH, Verein Tiere im Dorf, Dörentrup).
Das Hauptanliegen und Ziel ist die Schaffung von Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten als Anreiz zur Haltung, Züchtung und Integration alter und gefährdeter Nutztierrassen in Westfalen- Lippe. Es geht um die Unterstützung von Kliniken, Schulen, Vereinen, Projekten sowie forst- und landwirtschaftlichen Betrieben, die alte und gefährdete Nutztierrassen aus pädagogischen, therapeutischen und ökologischen Gründen einsetzen und die Tiere somit wieder „einer Aufgabe zuführen“, die über einen rein musealen Charakter hinausgeht.
Eine vielfältige sinnvolle Haltung und Nutzung von alten und gefährdeten Nutztierrassen führt automatisch zum Erhalt einen biologischen Artenvielfalt, zum Erhalt von Genreserven sowie zum Erhalt eines hohen kulturhistorischen Wertes.