Protokoll grüner JHA-Mitglieder
08. Nov. 2002
Protokoll des Treffens grüner JHA-Mitglieder vom 8.11.02
Protokoll
des Treffens grüner JHA-Mitglieder vom 8.11.02
Top 1: Kinderarmut und die Möglichkeiten der Jugendhilfe
Referentin: Frau Mareile Kalscheuer vom Landesjugendamt
Referat und Folien:
(download des Protokoll inkl. Folien am Ende)
Auf Beschluss einer gemeinsamen Sitzung der Landesjugendhilfeausschüsse der beiden Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe haben die beiden Landesjugendämter die Arbeit aufgenommen, Möglichkeiten zu erarbeiten, um im Bereich Kinderarmut (vor allem auch präventiv) tätig zu werden. Die Konzeption wird unter Beteiligung der ISS (Institut für soziale Arbeit e.V. Münster) erarbeitet und geht im März in die Ausschüsse.
Es ist festzustellen:
Kinderarmut ist nicht allein am Kriterium Wohlstand zu messen; Armut im weiteren, ganzheitlichen Sinne bedeutet also nicht nur Mangel an finanziellen / materiellen Möglichkeiten, sondern auch z.B. an Zuwendung, an Bildungschancen, an Anregungen, an gesundheitlicher Vorsorge, an Teilhabe an gesellschaftlichen Angeboten usw.. Auf der anderen Seite gehen geringe finanzielle Mittel nicht zwingend mit einer Vernachlässigung von Kindern einher sowie mit allen negativen Folgen für die Entwicklung der Kinder.
Vernachlässigung wird von vielen Risikofaktoren bestimmt: Außer der materiellen Situation der Familie sind es die soziale und familiale Situation des Kindes und die persönliche Situation der Erziehungspersonen, die die Chancen der Kinder bestimmen.
Dennoch ist eine gewisse Korrelation von Vernachlässigung und Einkommenssituation von Familien nicht zu verkennen; sie ist bei Familien, die HzL empfangen, besonders hoch. Erhebungen in Bielefeld haben gezeigt, dass 6% der Bevölkerung im Durchschnitt SozialhilfeempfängerInnen sind; bei den unter 18jährigen sind es aber schon 12%, bei den bis 7jährigen sogar 14%. Zwar ist Sozialhilfeempfang nicht gleichzusetzen mit Armut, dient aber als Indikator für belastete Lebenssituationen.
Materielle Armut prädestiniert also zwar Schwierigkeiten bei Kindern/Jugendlichen, kann aber nicht gleichgesetzt werden mit Jugendhilfebedarf.
Zu bedenken ist, dass Elternberatung und Familienbildung Angebote sind, die im Normalfall weniger von benachteiligten, sondern von mittelschichtsorientierten Familien in Anspruch genommen werden. Nötig sind also neue Angebote und Methoden, die auch die gefährdeten Familien erreichen.
Möglichkeiten des Eingreifens bieten sich in den Tageseinrichtungen für Kinder an.
Ein sehr frühzeitiges, präventives Eingreifen ist wichtig. Neben den KinderärztInnen und Hebammen kommt den Tageseinrichtungen für Kinder eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Kinder zu. Hier können Angebote wie Mittagstische und Gesundheitsprävention angesiedelt werden, die viel bewirken können.
Im Auftrag des MJFJG NW wird unter der wissenschaftlichen Begleitung des ISS Münster e.V. zur Zeit das Projekt „Entwicklung sozialer Frühwarnsysteme“ entwickelt.
Die Landesjugendämter haben eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit dem Thema Kinderarmut befasst und versucht, ein Unterstützungsnetz für Kinder unter 3 Jahren zu entwickeln. Es gibt viele Anfragen von örtlichen Jugendämtern, die sich an der Entwicklung eines solchen Unterstützungssystem beteiligen wollen. Auch die Volkshochschule Münster hat Interesse an diesem Projekt.
Diskussion
Ute Koczy: Die CDU im Landtag hat zum Thema Armut einen Antrag gestellt. In der nächsten Woche wird die Landesregierung zu dem gerade skizzierten Projekt berichten
Wichtig ist, bei Familien in Notlagen zu verhindern, dass die Kinder erst Probleme bekommen / produzieren. Jugendhilfe hat für die unter 3jährigen traditionell keine Angebote – Vernachlässigung findet aber schon früh statt; Jugendhilfe sollte künftig auch diese Kinder schon erreichen.
Top 2: Bericht aus dem Landtag von Ute Koczy, MdL
1. Die Veranstaltung „Kinderrechte in die Verfassung“, die die GRÜNEN im Landtag zusammen mit den GRÜNEN in den Landschaftsverbänden durchgeführt haben, war gut besucht. Die Kinder und Jugendlichen stellten eindrucksvoll dar, was sie selbst für wichtig halten und von den PolitikerInnen einfordern. 1 Jahr nach der Veranstaltung bekommen die beteiligten Kinder und Jugendlichen Post, was die PolitikerInnen von der Liste ihrer Forderungen angepackt haben.
Mehr zum Thema Kinderrechte ist nachzulesen auf der homepage der grünen Landtagsfraktion unter: www.gruene.landtag.nrw.de
2. Landes-Haushalt 2003
Die Themenbereiche Kinder, Erziehungsberatung sind Hauptfokus der grünen Forderungen auf Nachbesserungen, Kindererholung und Jugendwohnen werden leider unter den Tisch fallen. Eine Verpflichtungsermächtigung für Investitionen muß ins GTK. Bei der Familienbildung wollen die GRÜNEN die anvisierte 10%ige Kürzung teilweise zurückholen. Die Einzelheiten der grünen Forderungen zum Landes-HH zum Thema Soziales sind zu finden unter www.gruene.landtag.nrw.de
3. Offene Ganztagsschule
Der Entwurf des Ministeriums, der auf einem rot-grünen Eckpunktepapier beruht, wird zur Zeit auf Kabinettsebene diskutiert. Der Entwurf beinhaltet etliche qualitative Veränderungen des Eckpunktepapiers. Zum 1.8.03 soll mit dem Modell begonnen werden. Sonderschulen sind mitgemeint.
Um das Modell bis zum Beginn des neuen Schuljahrs einzustielen, wäre Hochdruck nötig. Die kommunalen Spitzenverbände lehnen den jetzigen Entwurf aber ab; es gibt ohnehin mit einem neuen Ministerpräsidenten und einer neuen Ministerin und einem neuen Zuschnitt der Zuständigkeiten zahlreiche Verzögerungen. Ministerpräsident Steinbrück will nur dann mit dem Modell beginnen, wenn es wirklich Hand und Fuss hat, und Aussicht auf positive Umsetzung hat. Er will als neuer Ministerpräsident nicht gleich mit einem Flop starten.
Es besteht Freiwilligkeit der Kommunen, das Modell einzuführen. Dies soll schrittweise geschehen. Bedingung für die teilnehmenden Kommunen ist die Abschaffung ihrer Hortplätze (was GRÜNE ablehnen); die freiwerdenden Gelder sollen in die offene Ganztagsschule gesteckt werden. Alle Gelder für Horte, SIT und ähnliche solche Projekte sollen in die offene Ganztagsschule fließen. Die Kommune soll zum Schulträger werden.
Ans GTK geht in dieser Legislaturperiode niemand heran.
Fazit ist, dass nur die Kommunen, die jetzt Horte haben, mit dem Modell beginnen können, das sind in der Regel die Kommunen, die finanziell noch etwas besser ausgestattet sind und durch die freiwerdenden Mittel für die aufzugebenden Hortplätze überhaupt zum Start der Offenen Ganztagsschule in der Lage sind. Das sind rund 90 Kommunen – von dem geplanten flächendeckenden Angebot kann also in absehbarer Zeit keine Rede sein.
03.12.02 Brigitte von Schoenebeck