Integrative Verkehrspolitik
Integrative Verkehrspolitik ist ein Fremdwort
Der Strassen- und Hochbauausschuß im LWL
Ganzheitliches Denken gefragt
Integrative Verkehrspolitik ist ein Fremdwort
In Düsseldorf befaßt sich die Enquete-Kommission „Zukunft der Mobilität“ im Auftrag des Landtags mit der Entwicklung einer integrierten Gesamtverkehrsplanung für Nordrhein-Westfalen. Ziel ist es, die jetzigen sektoralen Fachplanungen im Verkehrsbereich zu überwinden.
Doch davon ist in Münster im zuständigen Fachausschuss des LWL nichts zu verspüren. Eine große Koalition aus CDU und SPD fordert dort unverdrossen „Mehr Geld für mehr Straßen“ verbunden mit ständigen Attacken auf die rot-grüne Landesregierung und Seitenhieben auf Grüne Traumtänzerei in der Verkehrspolitik. Ganzheitliches Denken in ökonomischen, ökologischen und sozialen Zusammenhängen bei der Gestaltung zukünftiger Mobilität ist den Verkehrs-„Experten“ in CDU und SPD fremd. Ebenso unverdrossen haben wir dem entgegengehalten, daß die umweltverträglicheren Verkehrsmittel gestärkt und die Integration von Verkehrsplanung mit der Raum- und Umweltplanung erfolgen müssen.
Planung mangelhaft
Auf Unverständnis stießen auch unsere Einwände gegen die Fortschreibung des Landesstraßenbedarfsplans. In enger Kooperation mit den zuständigen Abgeordneten unserer Landtagsfraktion haben wir die Inhalte und das Aufstellungsverfahren durchleuchtet. Die Planungsunterlagen haben wir nach unserem intensiven Aktenstudium als unzureichend bewertet, um damit Straßenneubau in dem geforderten Umfang auch nur rechtfertigen zu können. Gerade Umweltschutzziele waren in den Planungsunterlagen unvollständig oder oberflächlich dargestellt. Städtebauliche Belange und die Konkurrenz der Straße zu öffentlichen Verkehrsmittel kamen zu kurz.
Die Fortschreibung des Landestraßenbedarfsplanes liegt mittlerweile in Düsseldorf auf Eis – mit ungewissem Ausgang. Wir können uns vorstellen, daß im Zuge der Reform der mittleren Verwaltungsebene die Aufgaben einer regionalisierten, integrierten Verkehrsplanung von den Landschaftsverbänden bzw. den geplanten Regionalverbänden übernommen werden. Damit wäre der jetzige Landesstraßenbedarfsplan der letzte gewesen.
Statt neue Straßen zu bauen, ist es schon aus Gründen der Verkehrssicherheit – sinnvoll, das bestehende Straßennetz zu unterhalten. Die Senkung der Mittel für den Neubau von Landesstraßen wurde von uns natürlich begrüßt. Leider hat das Land in den letzten Jahren parallel dazu auch die Zuweisungen für die Unterhaltung und Sanierung von Straßen und für kleinere Baumaßnahmen gekürzt. Gemeinsam mit CDU und SPD haben wir daher mehr Landesmittel gefordert, für den Erhalt des vorhandenen Straßennetzes, für den Radwegebau, für den Rückbau von Ortsdurchfahrten und für andere vor Ort unstrittige, kleinere Baumaßnahmen.
Zu einem Dauerthema im Straßen- und Hochbauausschuß des LWL hat sich die Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und deren Auswirkungen auf die Straßenplanung entwickelt (siehe dazu unsere Berichte in den Rundbriefen). Von überzogenen Ansprüchen des Umweltschutzes und unnötiger Verteuerung des Straßenbaus sprachen CDU und SPD. Dabei wurde deutlich, daß in dieser „großen“ Straßenbaukoalition die eigentlichen Schutzziele, die diese EG-Richtlinie verfolgt, nämlich den Erhalt von europaweit bedeutsamen Lebensräumen und die Vernetzung schutzwürdiger Biotope, überhaupt nicht verstanden werden.
Veränderungsdruck
Ein besonderes Schwerpunktthema war die Verwaltungsstrukturreform: Abflachung von Hierachien, mehr Eigenverantwortung für die MitarbeiterInnen, selbständige Budgetverwaltung, KundInnenorientierung, aber auch Kostenreduzierung durch Effizienzsteigerung und Abbau von Arbeitsplätzen. Wir haben den notwendigen Reformprozeß kritisch-kontruktiv begleitet und insbesondere die notwendige Sozialverträglichkeit solcher Maßnahmen eingefordert.
Die Straßenbauverwaltung gerät zunehmend unter den Druck von Privatisierungsbestrebungen. Auch wenn die Teilprivatisierung einzelner Aufgaben durchaus sinnvoll sein kann, wie etwa die Neuorganisation des Vermessungsamtes als Profit-Center, sehen wir eine weitgehende Privatisierung äußerst kritisch. Die VEW steht schon in den Startlöchern, um den Straßenbetriebsdienst zu übernehmen. Wir lehnen das entschieden ab, weil es den Abbau von fachlichen und sozialen Standards bedeuten würde. Durch die vom Bundesverkehrsministerium vorangetriebene Privatisierung des Autobahnnotrufsystems sind z. B. Arbeitsplätze von Behinderten gefährdet. Um sich der Konkurrenz der Privaten stellen zu können, muß die Straßenbauverwaltung in Zukunft noch kostengünstiger arbeiten und die Pilotprojekte zur Verwaltungsreform zügig auf alle Ämter übertragen.
Die Bestrebungen von Bund und Land Straßenneubau privat vorzufinanzieren, lehnen wir ab. Diese Art der Vorfinanzierung ermöglicht weiteren massiven Straßenneubau und bildet eine unkalkulierbare Hypothek für die öffentlichen Haushalte der kommenden Generationen.
Mit Geduld und Spucke
Unsere Arbeit im Fachausschuss wurde begleitet durch intensive Beratungen im Facharbeitskreis, wo wir regelmäßig Anfragen erarbeitet und Anträge zu aktuellen und grundsätzlichen Fragestellungen der Verkehrspolitik entwickelt haben.
Eng verknüpft war unsere Arbeit im Fachausschuß mit den Themen des Umweltausschusses. Da unser Ausschuß auch für Hochbaumaßnahmen des LWL zuständig ist, haben wir – wann immer möglich – die Verbesserung von Umweltstandards bei Baustoffen (z. B. Vermeidung von PVC), beim sparsamen Energieeinsatz (z. B. BHKWs) und beim Abwasser (z. B. Kanalsanierung in den Einrichtungen des LWL) eingefordert. Hierbei konnten wir keine durchschlagenden Erfolge erzielen. Als Folge unserer beharrlichen Forderungen wurden inzwischen Energie- und Kanalsanierungs-Konzepte für die Einrichtungen des LWL erarbeitet, die nun finanziert und umgesetzt werden sollen. Aus unserer Sicht sind dies nur erste Schritte. Dennoch hoffen wir, daß sich auch bei CDU und SPD endlich die Einsicht durchsetzt, daß Investitionen in den Umweltschutz sich langfristig auch ökonomisch positiv auswirken.