Rede zur Verabschiedung des LWL-Haushaltes 2022 von Fraktionssprecherin Martina Müller

Landschaftsversammlung am 27.01.2022

-Es gilt das gesprochene Wort-

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Landesdirektor, meine Damen und Herren,

zwei Jahre Pandemie, ein unfassbares Hochwasser, ganze Landstriche auf der Welt haben gebrannt, große Waldflächen sind vertrocknet, Afghanistan den Taliban überlassen, viele Flüchtende an der belarussisch/polnischen Grenze und nach wie vor Elend in den überfüllten Flüchtlingslagern, drohende Kriegsgefahr in der Ukraine.

Es ist keine einfache Aufgabe, in diesen Zeiten die richtigen Worte zu finden, um in einer Haushaltsrede, die immer auch politische Standortbestimmung ist, den Blick auf den Landschaftsverband zu werfen. Wir wissen inzwischen, dass alles mit allem zusammenhängt und die Liste oben ist ja nicht mal vollständig.

Uns als GRÜNE Fraktion in der Landschaftsversammlung ist es daher besonders wichtig, dass endlich der Schutz des Klimas im Vorbericht zum Haushalt als strategisches Ziel benannt wird. Dass einer der ersten Beschlüsse der neuen Mehrheit die Klimaneutralität 2030 war, zeigt, dass es uns ernst ist, der Klimakatastrophe entgegenzuwirken und auf das 1,5 Grad-Ziel zu kommen. Mit dem EMAS-Beschluss, dem Mobilitätskonzept, den demnächst zu beschließenden Gebäudeleitlinien und dem Integrierten Klimaschutzkonzept (IKSK) gehen wir jetzt in die konkrete Umsetzung in unseren Einrichtungen.

Vor Corona aßen die Menschen an fünf von sieben Tagen nicht mehr zu Hause, sondern in Kitas, Schulen, Krankenhäusern und Kantinen. Es ist unsere Aufgabe, dort regionales und zum großen Teil biologisches und qualitativ hochwertiges, dabei bezahlbares Essen anzubieten. Münster-Lengerich macht es vor, andere Klinikverbünde wie Marl/Hamm/Dortmund und Gütersloh/Paderborn ziehen nach. Am 17. Januar gab es einen schönen Pressebericht von der Hans-Prinzhorn-Klinik Hemer mit der Überschrift: „Mit Begeisterung auf dem Weg zur Bio-Küche“. Auch das GeNAH-Forschungsprojekt mit dem Ziel einer nachhaltigen Versorgung in den LWL-Kantinen und das Forschungsprojekt zum Einsatz nachhaltiger Desinfektionsmittel – ein großer CO2-Faktor für den LWL – sind positive Ansätze.

Wir wissen aber auch, dass 40-50 Gebäude jährlich sanieren zu müssen und die Mobilitätswende besonders bei den Spezialverkehren zu schaffen, für den LWL personell und finanziell sehr herausfordernd wird.

Wir wissen, wie schwierig es sein wird, in unserer Anlagepolitik eine angemessene Rendite zu erwirtschaften, unter Beachtung wirtschaftlicher und politischer Risiken sowie des Währungsrisikos und gleichzeitig unter strenger Beachtung sozialer, ökologischer und entwicklungspolitischer Kriterien. Nach dem gefassten Grundsatzbeschluss zur Nachhaltigen Anlagepolitik liegt jetzt die Erarbeitung von Ausschlusskriterien bzw. Positivkriterien vor uns. Wir werden klären müssen, wie und wo wir in die Produktion von Erneuerbaren verstärkt einsteigen.

Wir wissen, und das sage ich bewusst so: Unser Handeln in der Klimaschutzpolitik ist alternativlos.

Denn es kann nicht sein, dass der LWL 2030 den größten Teil der CO2-Emmissionen kompensieren muss, wie es der Zwischenbericht des IKSK vorsieht. Wenn das alle machen wollen, erreichen wir in Deutschland, geschweige denn in Europa oder weltweit die Klimaziele nicht. Das Integrierte Klimaschutzkonzept ist ein stets mit den neuen Erkenntnissen und technologischen Entwicklungen sich veränderndes Konzept. Da werden wir im Laufe der Jahre noch nacharbeiten und noch besser werden müssen.

An dieser Stelle möchte ich von hier aus noch einmal Dr. Lunemann zu seiner Wahl als neuem Landesdirektor auch im Namen der GRÜNEN Fraktion herzlich gratulieren. Wir wünschen Ihnen eine gute Hand für die vor Ihnen liegenden schwierigen Aufgaben.

Mein Dank geht aber auch an Matthias Löb für seine geleistete Arbeit  – ich nenne hier nur beispielhaft seinen großen Einsatz bei der Fusion der Provinzial und auch die Implementierung des Inklusionsbeirates.

Danke Matthias vor allem auch, für Deinen stets fairen und respektvollen Umgang mit unserer Fraktion.

Meine Damen und Herren,

immer mehr Menschen mit wesentlichen Behinderungen leben in ihren eigenen vier Wänden. Das will der LWL, die Presseberichten in den letzten Tagen sind da eindeutig, auch wenn intensiv-ambulante Angebote wie erwartet mehr Geld kosten. Eine Standarddebatte zur Kosteneinsparung an dieser Stelle lostreten zu wollen, ist unangebracht und widerspricht dem Geist der UN-Behindertenrechtskonvention. Die betroffenen Menschen erhalten ohnehin nur das, was ihnen nach dem Bundesteilhabegesetz zusteht. Die Kostenerhöhungen im vergangenen Jahr sind vielmehr den immer noch nach Einführung des BTHG nachlaufenden zu niedrigen Fallzahlmeldungen, den Tarifsteigerungen, den Auswirkungen des Angehörigen-Entlastungsgesetzes, einer veränderten Flächenaufteilung bei den besonderen Wohnformen zu Lasten der Fachleistungsflächen und dem Verwaltungskostenzuschlag geschuldet.

Es ist richtig, dass wir als Landschaftsverbände weiterhin dafür einstehen, das BTHG in seinen finanziellen Auswirkungen zu evaluieren. Und die Information, dass da nur noch Mecklenburg-Vorpommern an der Seite von NRW steht, hat mich dann doch erschüttert.

Es sind jetzt genau zehn Jahre her, dass wir unser Anliegen in Berlin vorgetragen haben, Stichwort: fünf Milliarden. Damals sind wir nicht durchgedrungen. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, das Thema bei der neuen Regierung erneut zu setzen.

Erstmals weist der heute zu verabschiedende Haushalt einen Ansatz für Housing First-Projekte aus. Ein Meilenstein für den Umgang mit wohnungslosen Menschen, den die neue Mehrheit auf den Weg gebracht hat, und letztlich – zu unserer Freude – einstimmig im Landschaftsausschuss verabschiedet wurde. Zusammen mit der LWL-Sozialstiftung werden sechs Mio. Euro zur Verfügung stehen. Dabei richten wir das Angebot auch besonders an Frauen, die häufig unsichtbar auf der Straße sind und vielfache Gewalterfahrungen haben und ältere Männer mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und pflegerischen Bedarfen. Damit wird das Konzept „Zuerst kommt das Zuhause“, ein – wie ich finde – passender Slogan der Caritas zum Thema, in Zusammenarbeit mit Städten, aber auch ländlichen Kommunen in passende Projekte in Westfalen-Lippe umgesetzt.

Ein starkes Signal geben wir mit diesem Haushalt auch an die Pflegefamilien mit Kindern mit Behinderungen. Der LWL hat mit dem schnelleren Zugang zu den Entlastungsleistungen deutlich gemacht, dass Pflegefamilien mit Kindern mit Einschränkungen eben noch einmal andere Bedürfnisse haben und hat diese besonders in den Blick genommen.

Meine Damen und Herren,

mit dem Beschluss zur Weiterentwicklung der Gedenkstätte Stalag 326 in Stukenbrock bekennen wir uns zu unserer politischen Verantwortung für eine lebendige Erinnerungskultur. STALAG soll sich zu einem authentischen Geschichtsort von regionaler, nationaler und internationaler Bedeutung entwickeln, der Raum und Möglichkeiten für Gedenken, Forschen und zukunftsgerichtete politisch-historische Bildung bietet. Wir sind froh, dass das Land sich dauerhaft an den Kosten beteiligen wird, ebenso natürlich wie die Region. Ein Finanzcontrolling sollte etabliert werden, um die finanziellen Risiken der Planung und Umsetzung im Auge zu behalten. Natürlich wird der LWL federführend in der zukünftigen Trägerstiftung sein. Die konzeptionell-fachlichen Planungen müssen von Beginn an, schon bei der Vorbereitung des Architekt*innenwettbewerbes transparent und dialogbasiert sein, unter Einbeziehung von Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus der Gedenkstättenarbeit und von engagierten Menschen vor Ort, wie dem Verein Blumen für Stukenbrock und dem Förderverein Gedenkstätte STALAG 326.

Heute am Holocaust-Gedenktag möchte ich noch kurz auf das deutsch-jüdische Festjahr anlässlich 1700 Jahre jüdisches Leben zurückblicken. 24 Kulturprojekte aus dem Förderprogramm der LWL-Kulturstiftung haben jüdisches Leben sichtbar und erlebbar gemacht. Konzerte, Klanginstallationen, Ausstellungen und viele Aktivitäten mehr, hätten eine Zeit ohne Corona verdient. Aber auch so waren die Veranstaltungen vielbeachtet und hochgelobt. Ich möchte allen Beteiligten den Dank unserer Fraktion aussprechen für dieses großartige Themenjahr.

Meine Damen und Herren,

mit diesem Haushalt steigen wir auch in eine Überprüfung einer geschlechtergerechten Haushaltsgestaltung ein, wie es EU-Recht inzwischen vorgibt. Die Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung stellt eine Strategie dar, mit dem langfristigen Ziel, Auswirkungen von Haushaltsbeschlüssen bewerten zu können und diese gegebenenfalls zur Förderung der Geschlechtergleichstellung anzupassen oder wo notwendig umzusteuern. In Städten, die bereits Erfahrungen mit gleichstellungsorientierter Haushaltssteuerung haben, hat sich im Prozess deutlich der Blick für bisherige Ausgaben-Ungerechtigkeiten geschärft, so dass die Ressourcen deutlich wirkungsbasierter eingesetzt werden können.

Außenstehende werden sich sicher gewundert haben, dass die Umlagehöhe in diesem Jahr erstmals – solange ich mich erinnern kann –  so verabschiedet wird, wie von der Verwaltung vorgeschlagen. Schnell war nach Haushaltseinbringung klar, dass der Hebesatz verantwortungsvoll angesetzt wurde. Die Reaktionen aus Städten und Kreisen waren ja auch entsprechend moderat.

Niemand kann seriös sagen, wie sich die Steuereinnahmen entwickeln werden und ob Bund und Land im dritten Corona-Jahr die kommunale Ebene entlasten werden (Stichwort: Altschulden). Unser Ziel ist es, 3-4 % des Haushaltsvolumens als Ausgleichsrücklage zu erhalten. Dabei werden wir gleichzeitig versuchen, die mittelfristige Finanzplanung anzupassen, um die Kommunen weniger stark zu belasten.

Mein Dank geht an dieser Stelle an die Landesrät:innen und an die Mitarbeitenden in der LWL-Verwaltung für die geleistete Arbeit in den letzten beiden Jahren, besonders an die Mitarbeitenden in der Kämmerei für die Haushaltsaufstellung in schwierigen Zeiten.

Danke sage ich auch den Kolleginnen und Kollegen der CDU für die gute fachliche und menschliche Zusammenarbeit im vergangenen Jahr.

Meine Damen und Herren,

ein Kind, das heute geboren wird, hat beste Chancen, Sylvester 2100 zu feiern – nur wie wird sein oder ihr Leben bis dahin aussehen?

Wir alle, liebe Kolleginnen und Kollegen haben aber, wie Hannah Arendt es geschrieben hat, „Die Wunder wirkende Fähigkeit des Handelns“. Tun wir es.

Martina Müller

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