Rede von Fraktionssprecherin Karen Haltaufderheide zum LWL-Doppelhaushalt 2020/2021

Sehr geehrter Herr Landesdirektor Löb,

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Gebhard,

Sehr geehrte Damen und Herren Landesrät*innen,

Sehr geehrte Mitglieder der Landschaftsversammlung,

Sehr geehrte Gäste,

ich möchte nicht wiederholen, was meine Vorredner*innen zu den aufwändigen und risikobehafteten Veränderungsprozessen beim LWL in Folge des BTHG ausgeführt haben. Alle Beteiligten – die Mitarbeiter*innen des LWL wie auch die Träger und vor allem die betroffenen Menschen – stellt diese Umstellung vor enorme Herausforderungen. Vor allem im Interesse der Betroffenen hoffen wir, dass die Bearbeitungszeiten möglichst bald wieder auf ein normales Maß zurückgehen.

Wir haben uns sehr gefreut, dass unser Haushaltsantrag angenommen wurde, wonach der LWL auch unter geänderten Bedingungen des BTHG die Kosten für Verhütungsmittel für Menschen in besonderen Wohnformen übernimmt. Damit bleibt dieser Teil eines inklusiven Lebensanspruchs gesichert.

Darüber hinaus begrüßen wir es sehr, dass nun auch die CDU und die SPD auf dem Weg sind, die Finanzierung für zusätzliche Arbeitsplätze in Inklusionsbetrieben sichern zu wollen. Auch das ist ein guter Schritt.

Leider ist es damit auch schon ziemlich aus mit der Freude.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

vor der Klammer zu unseren heutigen Ausführungen steht: Der Sondersituation um die Kommunalwahl geschuldet treffen wir heute mit dem Doppelhaushalt Entscheidungen für zwei Jahre. Was wir heute nicht einplanen, bleibt für einen langen Zeitraum nicht machbar.

Eine große Zukunftsaufgabe für den LWL ist die Digitalisierung.

Die Verwaltung hat mit der Vorlage zur Strategie und mit dem Leitbild einen Aufschlag gemacht.

Wir wollen nicht, dass unser Digitalisierungsprozess 2021 ins Stocken gerät, weil wir Ende 2019 nicht genügend Geld eingestellt haben.

Wir alle wissen, dass der Umbau zu einer digitalen Verwaltung und zu digitalisierten Prozessen im LWL zunächst einen enormen Einsatz an Personal und Finanzen erfordert, bis er die erwarteten Effekte der Arbeitserleichterung, Beschleunigung und Ressourceneffizienz bringt.

Hinzu kommt, dass wir als LWL nicht frei sind, über das eigene Tempo zu entscheiden. Das Onlinezugangsgesetz erfordert, dass alle Leistungen bis 2022 online abrufbar sind. Wie viele aus dem Katalog der 575 öffentlichen Leistungen das für den LWL sind, wissen wir noch gar nicht. Und natürlich vertreten wir den Anspruch der Inklusion – digital genauso wie analog. Da gerade unsere Klientel überdurchschnittlich oft von kommunikativen Einschränkungen betroffen ist, muss der Onlinezugang zu allen Leistungen barrierefrei und mit den individuell notwendigen Zugangsmöglichkeiten verfügbar sein. Das ist eine große Aufgabe.

Der Verwaltungs-Teil der Digitalisierung ist klar beschrieben: wie wird Verwaltung medienbruchfrei, nutzerorientiert und unter Beachtung des Datenschutzes sowie der Interessen der Mitarbeiter*innen umgebaut.

Bisher außer Acht gelassen werden Prozesse über das klassische Verwaltungshandeln hinaus. Was bedeutet Digitalisierung für das Raumprogramm, für energieeffiziente Gebäude, für Mobilität von Personen und Dingen, für die Pflege?

Die Zeit läuft. Wir reden über zwei volle Jahre, für die wir umfangreiche Konzepte entwickeln und in die Umsetzung bringen müssen – und für alles müssen wir die notwendigen Mittel bereitstellen. Angesichts der Größe dieser Aufgabe würden wir uns wünschen, dass ein partizipativer und transparenter Prozess eingeleitet wird wie beim Aktionsplan Inklusion.

Bezüglich erforderlicher Finanzmittel kommt der Einwand, man müsse sich erstmal einen Überblick verschaffen und planen.

Tatsächlich gibt es einen Bereich, da wurde schon geplant.

Der Kulturbereich hat neben den üblichen auch ganz eigene Anforderungen an die Digitalisierung. Wir konnten uns im Rahmen unserer letzten Herbstklausur zur Archäologie ein Bild davon machen, welche immensen Herausforderungen eine digitale Aufbereitung von Artefakten und die digitale Archivierung bedeuten.

Der Kulturbereich hat – wohl auch dank des kulturpolitischen Konzeptes – festgestellt, dass enorme finanzielle Mittel erforderlich sind, um eben den kulturspezifischen Digitalisierungsprozess nicht ins Stocken zu bringen. Deshalb haben wir den Haushaltsantrag ‚Aktionsplan zur digitalen Transformation des Kulturbereiches‘ gestellt – den Sie abgelehnt haben.

Es geht uns um Bewahrung, um neue Möglichkeiten der Präsentation und es geht auch darum, Kultur für Jugend präsent zu machen, dort nicht den Anschluss zu verlieren.

Trotz aller bisherigen Maßnahmen gehen die Besucher*innenzahlen der Museen unter Jugendlichen weiter zurück. Daher sollte die LWL-Kultur die Medien bespielen, wo junge Leute zu Hause sind. Was wäre schlimm daran, wenn sich Jugendliche, die bisher keinen Fuß in ein Museum setzen, oder eine alte Dame, die nicht mehr mobil ist, Museumsbestände online ansehen könnten – vielleicht sogar Bestände, die aus verschiedensten Gründen in Ausstellungen nicht zu sehen sind, um darüber vielleicht den Weg zur Kunst und ins Museum zu finden?

Wir finden, das sind lohnenswerte Perspektiven und fordern Sie auf, gemeinsam dieses Zukunftsthema für den LWL zu entwickeln.

Leider hat unsere Kulturbegeisterung weitere Dämpfer erfahren. Neben der von uns immer wieder geforderten Dynamisierung der Zuschüsse für Landestheater und -orchester haben wir beantragt, die Betriebskostenzuschüsse für das Center for Literature in den Haushaltsjahren 20 und 21 deutlich zu erhöhen. Die notwendigen Gelder sollten aus Erträgen der RWE-Aktien bzw. der Verkäufe gespeist werden, um die Mitgliedskörperschaften nicht stärker zu belasten. Das lehnen Sie ab – um möglicherweise wenig später die Gelder irgendwo aus dem Haushalt hervorzuzaubern. Das hat nichts mit Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit zu tun!

Unter schwierigen Voraussetzungen hat Dr. Jörg Albrecht in etwas über einem Jahr mit einem ambitionierten Programm dem Projekt nationale und internationale Ausstrahlung verliehen. Unter anderem der crossmediale Ansatz und die Einbindung der freien Szene machen die Burg und das Rüschhaus inzwischen zu einem sehr besonderen Ort. Dieser Ansatz kann angesichts baulicher Herausforderungen und des Ausfalls der Stadt Münster nur gehalten und weiterentwickelt werden, wenn der Betriebskostenzuschuss erhöht wird. Wir wollen die entwickelten Potentiale nicht wieder verschenken und klar zu dem Konzept stehen. Wir fordern Sie auf, sich in diesem Sinne für das Center for Literature einzusetzen.

Voltaire schrieb: „Westfälische Menschen sind von großer Sanftmut, und ein gesundes Urteil entsteigt der Arglosigkeit ihrer Herzen. Leider aber verbindet sich die Wärme ihres gütigen Charakters mit der Rückständigkeit der sonstigen Verhältnisse.“

Die neuen Westfalen sind weltoffene Westfalen, meine Damen und Herren – das sollten wir auf der Burg Hülshoff zeigen!

Und nun zum Klimaschutz:

Wir haben am 12. Juli einen gemeinsamen Beschluss gefasst, der nicht Klimanotstand heißen durfte – inzwischen spricht auch die EU vom Klimanotstand.

Ich zitiere:

„Die Landschaftsversammlung erkennt an, dass die Eindämmung des von Menschen verursachten Klimawandels in der Politik höchste Priorität besitzt und grundsätzlich zu beachten ist.“

Offenbar ist dies von Ihnen nicht so gemeint, wie es beschlossen wurde. Denn unser Antrag, den Klimaschutz in die strategischen Ziele des LWL aufzunehmen, wurde mehrheitlich abgelehnt. Wir wurden seitens der noch GroKo-Fraktionen darüber aufgeklärt, Klimaschutz sei kein vordringliches Ziel des LWL. Das ist erschütternd und gefährlich gestrig. Versuchen Sie mal, das der Fridays for Future-Bewegung zu erklären.

Noch schlimmer sieht es auf der Handlungsebene aus. Gerade tagte – erschreckenderweise ergebnislos – die Weltklimakonferenz in Madrid unter dem Motto: Zeit zum Handeln.

Ja, meine Damen und Herren – es ist Zeit zum Handeln, es ist sogar höchste Zeit zum Handeln. Selbst wenn wir die aktuellen Klimaziele von Paris einhalten würden, würde sich immer noch eine Erderwärmung von ca. 3 °C bis zur Jahrhundertwende ergeben. Wir müssen diese Ziele regelmäßig nachschärfen, um als Menschheit zu überleben. Und das bedeutet: nicht irgendwer muss sich um Klimaschutz kümmern, sondern jede Institution muss sich fragen, wie sie zu einer Abwendung der Klimakatastrophe in ihrem Bereich beitragen kann.

Wir haben im Sommer beschlossen:

„Alle politischen Entscheidungen für den gesamten Landschaftsverband sollen deshalb zukünftig mit Blick darauf betrachtet werden, ob sie klimafreundlich, klimaschädlich oder klimaneutral sind. Die Beschlussvorlagen sind dementsprechend zu ergänzen.“

Und was passiert?

Wir stellen Haushaltsanträge zu klimafreundlicher Mobilität im LWL, zum Nachhaltigen Bauen, zu eine*r Klimaschutzbeauftragten als Querschnittsfunktion, der oder die zentral in der LWL-Verwaltung Einfluss nehmen kann auf die Vorgänge.

Sie lehnen alles ab.

Sie berufen sich darauf, dass wir beim LWL schon so viel geschafft haben in Sachen Klimaschutz.

Ja, man muss manchmal sich selbst und die Mitarbeiter*innen für das loben, was schon geleistet wurde, auch um die Motivation nicht zu verlieren. Aber das Lob darf doch nicht die Gewissheit verdrängen, dass das bisher Geleistete nicht ausreicht, um die Klimakrise einzudämmen.

Und wenn Sie uns sagen, der Ernst der Lage sei bisher nicht klar gewesen, dann erinnere ich mich daran, wie wir als Jugendliche über Umweltschutz und Erneuerbare Energien diskutiert haben, wie Die Grenzen des Wachstums und die Mahnungen des Club of Rome erschienen. Das ist verdammt lang her. Wer wissen will, was notwendig ist, der konnte das damals wissen und der oder die kann es heute. Auf das Handeln kommt es an, dringender denn je.

Wir mussten auch in diesem Sommer erleben, dass Sie von der CDU und der SPD die Verwaltung ausgebremst haben, deren Kompetenz Sie ja gegen unsere Anträge immer hochhalten.

Wir wollten, dass der LWL das Divestment vollzieht und nicht länger Geld damit verdient, dass ganze Landstriche weggebaggert werden für das Verheizen von Braunkohle mit unfassbarem CO2-Ausstoß. Sie haben stattdessen beschlossen, drei Viertel der RWE-Aktien zu behalten und die Erlöse aus den verkauften Aktien wieder konventionell anzulegen.

Der Landesdirektor war mit seinem ursprünglichen Vorschlag schon ein ganzes Stück weiter. In diesem Zusammenhang gilt unser ausdrücklicher Dank Herrn Löb auch dafür, dass er die Baumbesetzer vor dem Landeshaus geduldet und ihr Anliegen ernst genommen hat.

Wir werden uns weiter dafür einsetzen, alle Entscheidungen – ob es um die Ausschreibung zur Schülerbeförderung, um Baumaßnahmen, um Beschaffung oder um Energieversorgung geht – klimagerecht zu gestalten.

Am Ende unserer Haushaltsrede möchte ich einen Ausblick wagen: Unsere Initiativen wurden wieder einmal größtenteils abgelehnt, daher können wir diesem Haushalt nicht zustimmen. Eine weitere Senkung des Umlagesatzes halten wir angesichts der langfristigen Perspektive im Doppelhaushalt, der anstehenden Aufgaben und der finanziellen Risiken aus Frühförderung und Umsetzung BTHG nicht für geboten.

Wir werden nicht müde werden, uns für konsequenten Klimaschutz, eine angemessene Unterstützung der Kultur sowie für eine Fortentwicklung der Inklusion und eine Unterstützung der Schwächsten in unserer Gesellschaft einzusetzen. Unser Antrag zur Entwicklung von Housing-First-Projekten für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten wird im Frühjahr wieder auf die Tagesordnung kommen und wir hoffen, dass Sie bis dahin genügend Zeit hatten, darüber zu beraten oder sich beraten zu lassen – etwa von Expert*innen beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, die schon lange an solchen Projekten arbeiten.

Es ist zu befürchten, dass das Ausmaß der Klimakrise über den nächsten Sommer jedem und jeder noch deutlicher vor Augen geführt wird. Die nächste Landschaftsversammlung wird den notwendigen Entscheidungen nicht mehr ausweichen können. Bis dahin wünsche ich uns allen Einsicht in diese Notwendigkeit.

Bei Rückfragen:
Karen Haltaufderheide: 0172 7883213

 

 

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