Rede LWL-Haushaltes 2004
26. Feb. 2004
Rede zur Verabschiedung des LWL-Haushaltes 2004
Heinz Entfellner
Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im LWL
Rede zur Verabschiedung des LWL-Haushaltes
in der Landschaftsversammlung am 26.02.2004
– es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Vorsitzende, Herr Landesdirektor, meine Damen und Herren!
Noch nie waren sie so kurz und belanglos wie dieses Jahr. Die Rede ist von den Beratungen des Haushaltsentwurfes in den Fachausschüssen. Dieser Haushalt wurde scheibchenweise beraten und beschlossen – grossenteils gegen die Stimmen meiner Fraktion. Die Diskussion und Verabschiedung vieler Einzelvorlagen aus dem Haushaltsbegleitbeschluss, verteilt über ein Jahr, bilden das Korsett des vorliegenden Entwurfes.
Doch selbst dieses kompakte Sparpaket gleicht die defizitäre Struktur des Haushalts lange nicht aus, gleicht eher Tropfen auf den heißen Steinen der Unterdeckung. Ursache hierfür sind nach wie vor die enorm steigenden Kosten in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen.
An diesem Punkt jedoch sind wir abhängig von Entscheidungen aus Berlin und Düsseldorf.
Das Land hat ja immerhin schon ansatzweise begriffen worum es geht, das zeigt der Ansatz von 12 Mio. € Investitionspauschale Eingliederungshilfe im GFG 2004. Den Bund müssen wir weiterhin gemeinsam mit allem Nachdruck auffordern, sich an den Kosten für die Eingliederungshilfe zu beteiligen und für eine solide Ausstattung der Gemeindefinanzen zu sorgen.
An dieser Stelle möchte ich Ihnen, Herr Landesdirektor, für Ihren unermüdlichen Einsatz auf allen fachlichen und politischen Ebenen in Sachen Ausgestaltung der Finanzierung der Eingliederungshilfe meinen Dank aussprechen.
Vor dem Hintergrund meiner letzten Ausführungen frage ich Sie, meine Damen und Herren der CDU- und SPD-Fraktion:
Ist es verantwortbar, quasi in vorauseilender Pflichterfüllung in fast allen Bereichen so massiv den Rotstift anzusetzen? Standards und Leistungen soweit herunterzufahren? Einrichtungen und bewährte Strukturen aufzulösen? Lohnt der Ertrag in vielen Fällen die daraus resultierenden Konsequenzen? Ich meine „nein“! Sogar Sie, die sie diese Beschlüsse zu verantworten haben, sprechen schon von Schmerzgrenze. Freilich ist sie für Sie erst erreicht, ich sage, sie ist bereits überschritten.
Und bedenken Sie dabei, dass nicht Sie die Schmerzen zu spüren bekommen, sondern die von Ihren Beschlüssen betroffenen Menschen. Dies gilt auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verbandes, deren Motivationsfreudigkeit auf eine sehr harte Probe gestellt wird durch personalwirtschaftliche Maßnahmen, die zu Stellenstreichungen, Arbeitsverdichtung und Umsetzungen führen sowie wichtige Teile des Gleichstellungsplanes zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie außer Kraft setzen.
Dass Sie sich beim Sparen vor lauter Eifer schon mal vergaloppieren und übers Ziel hinausschießen, haben Sie ja sogar selbst schon bemerkt. Die dringend nötigen Nachbesserungen im Kulturetat, ohne die unsere Museen nicht mehr arbeitsfähig gewesen wären, zeugen davon. Zu unserem Bedauern fehlte Ihnen diese Einsicht an anderen Stellen.
Und weiter: kann der Verband in der Auseinandersetzung um eine neue Verwaltungsstruktur in NRW bestehen, kann er Verbündete an seine Seite bringen, wenn er weiterhin an seinem Profil nagt, es abflacht? Ich meine „nein“! Spätestens nach der Landtagswahl 2005 werden wir mit dieser Thematik konfrontiert werden. Keine sehr lange Zeit, um wieder neues Profil zu gewinnen!
Trotz aller rigiden Sparmaßnahmen haben CDU und SPD inhaltsgleiche Anträge zur Senkung des Hebesatzes der Landschaftsumlage um 0,3 Prozentpunkte auf 15,9 Punkte, sowie zur weiteren Verwendung der Mehreinnahmen aufgrund der 2. Ergänzungsvorlage zum GFG 2004/05 eingebracht.
Nach intensiver, durchaus kontroverser Diskussion hat meine Fraktion einer Senkung des Hebesatzes um 0,3 Punkte zugestimmt. Wir werden dies heute geschlossen tun, aus Solidarität gegenüber unseren Mitgliedskörperschaften, wohl wissend, dass sich dies auf die zwangsläufige Umlageerhöhung in 2005 negativ auswirken wird. Aber wem das Wasser bis zum Munde steht, orientiert sich bekanntlich nach kurzfristigen Hilfen.
Wir können auch einer Abdeckung des Fehlbetrags aus 2003 bereits in 2004 und der Erhöhung des Sozialhilfeansatzes zustimmen. Beides ist finanzpolitisch sinnvoll.
Dass wir daraus keinen dritten gleich lautenden Antrag schriftlich eingebracht haben, zeigt neben anderem wieder einmal, dass wir sinnvoll zu sparen wissen.
Meine Damen und Herren,
im Folgenden will ich zwei positive Anmerkungen zum vorliegenden Haushalt vortragen:
Ich freue mich, dass es trotz äußerst angespannter Finanzlage im Zusammenwirken von Land, LWL und Region gelungen ist, in diesem Haushalt ein Kulturprojekt von überregionaler Bedeutung anzustoßen, das Klostermuseum Dalheim. Zeigt es doch, dass es bei entsprechendem politischen Gestaltungswillen auch unter schwierigen Bedingungen möglich ist, neue Akzente zu setzen.
Mit dem Grundsatzbeschluss zu Dalheim haben wir eine Tür geöffnet: jetzt gilt es besonnen und mit Augenmaß hindurchzugehen. Es wird Jahre dauern, dieses Projekt zu erstellen, und nicht alles was machbar und wünschenswert erscheint wird auch bezahlbar sein. Wir werden seine Entwicklung wohlwollend kritisch begleiten.
Ebenso erfreulich sind einige Entwicklungen im Sozialbereich, die sich in diesem Haushalt niederschlagen:
Der zahlenmäßige und flächendeckende Ausbau des ambulanten betreuten Wohnens, die Einführung eines individuellen Hilfeplanverfahrens, Erprobung des persönlichen Budgets,
die Ausweitung der Familienpflege und schließlich die Intensivierung der integrativen Erziehung in Kindertageseinrichtungen.
Alle diese Maßnahmen, selbst wenn sie zum allergrößten Teil nur auf fiskalischen Erwägungen basierten, haben neben ihren kurz- mittel- und langfristigen Einspareffekten auch noch ein großes inhaltlich-fachliches Plus: sie orientieren sich an den Bedürfnissen der betroffenen Menschen, verhelfen ihnen zu mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, zu mehr Selbstbestimmung und begreifen sie als Individuen und nicht als Kostenfaktoren.
Mit einem Satz: hier führen Strukturveränderungen zu positiven Konsequenzen für die Menschen und zugleich zu Kosteneinsparungen!
Solchen Einzelentscheidungen haben wir im Laufe des Jahres ja auch zugestimmt, sind doch viele dieser Maßnahmen urgrüne Forderungen!
Dennoch werden wir den Gesamthaushalt ablehnen. Er beinhaltet zu viele Positionen, die wir nicht mittragen können. Zu viele negative Auswirkungen werden damit festgezurrt.
Da wir in den Fachausschüssen unsere Meinung zu vielen Einzelvorlagen ausführlich begründet haben, will ich mich hier auf zwei Beispiele beschränken, die mir wichtig erscheinen, stellvertretend für viele andere.
1. Hat sich der Landschaftsverband mit der Auflösung der Koordinationsstelle Umweltschutz als Konsequenz aus der Umsetzung des Haushaltsbegleitbeschlusses bereits weitgehend wichtiger Aufgaben im Umweltschutz entledigt – ich erinnere nur noch einmal an den Beschluss zur Agenda 21 und den Austritt aus dem Klimabündnis – 2 Beschlüsse, die kaum Einsparungen bringen (Einsparung Mitgliedschaft Klimabündnis gerade einmal 5100 €), die aber ein Licht auf die politische Wertschätzung der großen Fraktionen gegenüber der Klimaschutzpolitik werfen, so weigern Sie sich, meine Damen und Herren aus der CDU- und der SPD Fraktion, jetzt sogar, Maßnahmen zu initiieren, die sich sowohl ökologisch als auch ökonomisch rechnen .
Die Investitionen im Bereich „Kleinere Baumaßnahmen und wertverbessernde Erneuerungs- sowie Energiesparmaßnahmen“ werden zurückgefahren, obwohl das Intracting-Programm schon ausgesetzt wurde. Damit wird ein weiterer Wert- und Vermögensverlust unserer Immobilien eingeleitet. Einer Verlagerung von notwendigen Investitionen in die Zukunft wird unsere Fraktion die Zustimmung verweigern, zumal gerade Maßnahmen, die der Energie- Effizienzsteigerung und CO²-Reduzierung dienen, sich durch reduzierte Betriebskosten mittelfristig amortisieren.
Auch die von uns beantragte Zertifizierung der Verwaltung nach der EMAS-Verordnung (Öko-Audit) ist eine Investition in die Zukunft. Neben Kosteneffizienz und Einsparung infolge ständiger Verbesserung technischer und organisatorischer Umweltmaßnahmen, sowie einer Steigerung des Umweltbewusstseins bei den MitarbeiterInnen, ist die Imageverbesserung die daraus gewonnen werden kann, nicht hoch genug einzuschätzen. Für 100.000 €, verteilt auf 2 Jahre, hätte man neben dem ökologischen Gewinn auch einen positiven Werbeeffekt erzielen können, der mit Sicherheit nachhaltiger wirkt als Fahnen und Hochglanzbroschüren.
2. Nachdem Sie, meine Damen und Herren der CDU- und SPD Fraktion im vergangenen Jahr mit Hilfe des Haushaltsbegleitbeschlusses bereits an den Standards in unseren Schulen gesägt haben, indem Sie Schwimmbäder schließen ließen und die Ausstattung der Schulen mit Computern durch die Streckung des Medienkonzeptes immer weiter in die Zukunft verschoben haben, geht es jetzt weiter. Nun sind die TherapeutInnenstellen dran. Früher galt noch – ich zitiere aus einer Broschüre des LWL: „Die körperliche Belastung durch einen Schulalltag kann ein Großteil der körperbehinderten Schülerinnen und Schüler nur mit einer regelmäßigen unterrichtsbegleitenden Behandlung verkraften“ und „Um den Schülerinnen und Schülern eine schulische Förderung zukommen zu lassen, die ihren Neigungen und Fähigkeiten entspricht und ihre Beeinträchtigungen berücksichtigt, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Lehrpersonal sowie dem therapeutischen Dienst sinnvoll und notwendig.“ Dies scheint für Sie heute kein Thema mehr zu sein.
Im Gegenteil: Sie meine Damen und Herren von CDU und SPD Fraktion verkünden, es sei verantwortbar, vertretbar, angemessen, die TherapeutInnenstellen an unseren Schulen um insgesamt 15 Stellen zu streichen. Die Stellen seien ja gar nicht besetzt!
Meine Damen und Herren, das käme der Idee gleich, alle Stellen im Verbandsbereich , die am 30.06. nicht besetzt waren, aus dem Stellenplan zu streichen.
Das würde immerhin 50 Stellen bringen, die einzusparen wären. Das wäre doch verantwortbar, vertretbar, angemessen, da diese Stellen ja gar nicht besetzt waren.
Der eigentliche Skandal besteht doch darin, dass so viele Stellen nicht besetzt sind und anscheinend auch in absehbarer Zeit nicht besetzt werden, aus Kostengründen. Dann ist es ja schließlich egal, ob eine Stelle unbesetzt oder gestrichen ist, die Konsequenzen in der Praxis unserer Schulen ist die gleiche:
Die Therapiepläne wurden und werden auch weiterhin ausgedünnt, es werden zunehmend nur die Therapiestunden vorgehalten , die durch die Krankenkassen refinanzierbar sind, die Kontakte der TherapeutInnen zu LehrerInnen und Eltern werden kontinuierlich zurückgefahren; bislang ein Zeichen für Qualität, heute anscheinend ein Abbau von Wildwuchs, ein Weg zur Normalisierung?
Und wenn wir in einer Presseerklärung diese Fakten beim Namen nennen, dann werfen Sie uns vor, wir würden die Eltern beunruhigen. Die Beunruhigung der Eltern geht von Ihnen aus, meine Damen und Herren, die Sie diesen Beschluss gefasst haben. Die Eltern befürchten schlicht, und da ist doch was dran, dass das, was ihre Kinder in der Vergangenheit an therapeutischer Versorgung hatten, heute oder morgen nicht mehr gewährleistet ist.
Bisher sind Sie uns und den Eltern einige Antworten schuldig geblieben:
* Wie wollen Sie erreichen, dass von den gekürzten Stellen nicht wieder 30 unbesetzt bleiben wie bisher?
* Warum sind Eltern- und Lehrerkontakte heute verzichtbar und waren vor Jahren ein Zeichen für Qualität?
* Was verstehen Sie unter angemessen und vertretbar? Gehören zu solchen Worten nicht Festlegungen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht?
Legen Sie doch einen neuen Schlüssel fest! Dann hätten die Schülerinnen und Schüler und deren Eltern Gewissheit, dass sie sich mit der Senkung der Standards in den Schulen nicht im freien Fall befinden! Denn es ist für die Menschen, für die der Landschaftsverband Verantwortung trägt, mehr als wichtig, Planungssicherheit zu bekommen und Vertrauen in die Qualität der Betreuung zu bewahren.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.