Novellierung Landespflegegesetzes
18. Jul. 2003
2003-07-18 Protokoll Novellierung des Landespflegegesetzes
Protokoll der Sitzung des Treffens grüner Sozialausschussmitglieder vom 18.7.03
Novellierung des Landespflegegesetzes
1. Barbara Steffens, MdL
berichtet von der Novellierung des Landespflegegesetzes, das am 4.7.03 im Landtag verabschiedet worden ist.
Grüne haben sich in mehreren wichtigen Punkten durchgesetzt, z. Teil Schlimmeres verhindert. Wichtigste Punkte sind:
* Festschreibung einer kommunalen Pflegeplanung, Einrichtung eines kommunalen Pflegediskurses
* Die Investitionskosten im ambulanten Bereich werden belassen wie bisher
* Vermögensanrechnung: Schonvermögen in Höhe von 10.000€
Nähere Informationen zur Novellierung des Landespflegegesetzes s. unter http://www.gruene.landtag.nrw.de/index2.htm unter „Infos und Broschüren“.
1. Herr Dr. Strunz, Geschäftsführer der LAG Selbsthilfe Behinderter und Mitglied im Landesbehindertenrat
* Es gibt keine gemeinsame Stellungnahme der Behindertenverbände zum Landespflegegesetz; aber starke Impulse werden durch „Selbstbestimmt leben“ gesetzt.
* Es gibt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: man kann im Pflegeheim ein selbstbestimmtes Leben nicht einklagen, solches ist in der Organisationsstruktur eines Pflegeheimes nicht möglich.
* Eine Pflegekontrolle in mehreren ausgesuchten Heimen ergab eine sehr mittelmäßige bis schlechte Qualität: Pflege und Pflegeheim ist etwas, was sich niemand wünschen kann.
* Es ist ganz wichtig, die ambulante Pflege mehr auszubauen – es ist erschütternd, dass sich der prozentuale Anteil ambulanter gegenüber stationärer Plätze immer noch nicht verändert hat. Auch im Bereich der freien Wohlfahrtspflege hat sich an diesem Verhältnis nichts geändert: die Wohlfahrtsverbände lassen nur sehr schwer von der Fokussierung auf Pflegeheime ab, die Strukturen sind sehr unflexibel, ein Umdenken kommt nur schwerfällig in Gang.
Von der Existenz der Heime hängen viele Angestellte der freien Wohlfahrtspflege ab, denen sich die Verbände anscheinend manchmal mehr verpflichtet zu fühlen scheinen als ihrer Klientel.
* Pflegekonferenzen: Es sind meistens Professionelle, die in diesem Gremium sitzen, was es für Ehrenamtliche z.T. sehr schwierig macht. Echte Partizipation kommt oft nicht zustande, weil die TrägervertreterInnen sehr dominant, abstrahiert und technisch diskutieren, was für die Ehrenamtlichen sehr fremd ist. Die Sitze der Selbsthilfe in den örtlichen Pflegekonferenzen können vor Ort oft nicht wahrgenommen werden, da die Ehrenamtlichen immer noch dünn gesät sind. Es gibt zwar 12 sehr gut organisierte Arbeitsgemeinschaften der LAG Selbsthilfe, das reicht aber immer noch nicht zur Besetzung aller Sitze: Diese freien Sitze werden dann oft von anderen Trägern besetzt! Gesetzlich sind Beschlüsse, die so – ohne Beteiligung der Betroffenen – gefaßt werden, nicht gültig.
Diskussion / Fragen:
* Barbara will bei den Kommunalas/os die Zusammensetzung der örtlichen Pflegekonferenzen erfragen. Auch: Die Tagungshäufigkeit der Pflegekonferenzen ist zum Teil viel zu wenig, manchmal vergehen Jahre dazwischen. Frage: Nach welchen Kriterien wird eingeladen?
* Kürzung Pflegewohngeld: Da hier eine Festschreibung im Bundesgesetz fehlte, hat das Land übernehmen müssen und hat es vorgezogen, den Akzent auf die Investitionskosten zu setzen.
* Thema Demenz und Alzheimer-Krankheit: Der Pflegebedarf ist nicht sehr hoch, dennoch ist der Zeitaufwand intensiv. Können diese Menschen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben, sind sie viel mehr intellektuell ansprechbar und beweglicher – trotz des hohen Betreuungsaufwandes ist eine ambulante Betreuung also sehr wichtig. Mit der Zunahme älterer Menschen wird dies Problem immer dringlicher werden. Stationäre Formen müssen zugeschnitten werden auf bestimmte Zielgruppen und Bedarfe (nicht nur Demenz und Alzheimer!) Auch braucht es eine Ausführungsverordnung niedrigschwelliger Hilfen für Demenzkranke.
* Wichtig: Stärkung wohnungsähnlicher Heimformen für die Gruppe von Menschen, die am Ende doch eine stationäre Betreuung brauchen. Es muss etwas an dem Filz in den Pflegestrukturen der Wohlfahrtsverbände getan werden. Den vielen Begründungen, stationäre Plätze zu behalten, muss begegnet werden: Da die Gewinnsparte im stationären Bereich größer ist als im ambulanten, ist das Verharren in den alten Strukturen hartnäckig ist. So hatte die Wohlfahrtspflege sich im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes stark auf die Aufweichung der 80-Plätze-Regelung konzentriert; die GRÜNEN haben jedoch standgehalten und sogar durchgesetzt, die mindestens 40-Plätze-Regelung abzuschaffen.
* Bessere Betreuung und Begleitung von pflegenden Angehörigen ist vonnöten
* Finanzierung der Pflegeberatung: Die Pauschalen für diese Aufgabe fallen jetzt weg; mit der Forderung, sie aufrechtzuerhalten, blieben die Grünen allein. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich gegen die Pauschalen gewandt, weil diese nicht zeitgemäß seien. Im Grunde wollte man eine Pflichtfinanzierung durch das Land erreichen statt der Umlagefinanzierung durch die Landschaftsverbände. Jetzt liegt diese Aufgabe in den Händen der Kommunen, die sich jetzt mit ihren Spitzenverbänden auseinanderzusetzen, weil sie zu hoch gepokert haben. Die Kosten bleiben jetzt bei den Kommunen hängen, d.h. aus finanziellen Gründen wird in vielen Kommunen diese Aufgabe nicht mehr vernünftig erfüllt werden. Es gibt im Gesetz keine Handhabe des Landes, Beratung als Pflichtaufgabe durchzusetzen: Da nach dem Konnexitätsprinzip das Land hätte bezahlen müssen, wenn diese Aufgabe als Pflichtaufgabe festgeschrieben worden wäre, (wer die Musik bestellt, bezahlt sie), ist dies unterblieben.
* : Das Pflegeleistungsqualitätsgesetz hat viele neue Qualitätskataloge zugefügt, ohne dass sich an den Rahmenbedingungen etwas geändert hätte.
* Personal: Schlecht ist in den Heimen oft die Nacht- und Notbesetzung: Gerade Demenzkranke sind auch nachts sehr aktiv. Da wird schnell auf Beruhigungsmittel zurückgegriffen, wenn Personal fehlt. Bei der Refinanzierung wird immer noch von ruhigen PatientInnen in ruhigen Nächten ausgegangen, was längst nicht mehr der Realität entspricht: Anpassung des Personalschlüssels für die Nachtbesetzung ist nötig.
* Ausbildung: Neben der 3jährigen Ausbildung zuR AltenpflegerIn plädiert Barbara für eine 2jährige Ausbildung zur Kranken- und AltenpflegehelferIn, die auch HauptschulabsolventInnen offensteht und die die Möglichkeit bietet, später mit einer Zusatzausbildung zur AltenpflegerIn aufzusteigen.
* Pflegediskurs: es wird geplant, zu diesem Thema im Herbst einen workshop mit den Kommunalas/os zu veranstalten, um Empfehlungen zu erarbeiten, wie der Pflegediskurs ans Laufen gebracht werden kann und wie die Strukturen aussehen könnten. Dazu sollten GRÜNE aus einigen Kreisen / Kommunen mit unterschiedlichen Strukturen zusammenkommen.
Weitere Neuigkeiten aus dem Landtag:
* Der HH-Entwurf des Landes wird erst in den Herbstferien kommen. Dieser späte Termin hängt damit zusammen, dass man erst die Novemberschätzung abwarten will, von der die SPD sich Besserungen erhofft. Diese Hoffnung teilt Barbara nicht.
* Selbst wenn alle freiwilligen Leistungen eingespart würden, würden zusätzliche Einsparungen von 1,3 Mrd. € im Bereich der Pflichtleistungen nötig. Wenn die vorgezogene Steuerreform ohne Kompensation kommt, wird der HH mit weiteren 1,3 Mrd. € belastet. Zusätzlich kommen 400 Mio. € Mehrbelastung auf die Kommunen zu!
* Barbara will die HH-Beratungen mit den Kommunalas/os abstimmen, um die Bedarfe der Kommunen mit einzubeziehen. Hierzu wird ein Treffen im LT geplant mit den Kommunalas/os (sowie der GAR) und grünen SozialdezernentInnen.
21.07.03 Brigitte von Schoenebeck