Antiweißer Rassismus? Rede von Peter Liedtke auf der Landschaftsversammlung am 21.12.2023

 

Am 8. August 2022 wurde die Polizei in der Dortmunder Nordstadt wegen eines Suizidversuchs gerufen. Kurz danach starb der 16-jährige Mouhamed Dramé in Folge von Polizeischüssen. Am 19.8.2023, also vor genau 2 Tagen, begann der Prozess gegen die Polizisten vor Ort.

 Wer war Mouhamed Dramé?

Er war aus einem Dorf im Senegal geflohen, mit dem Ziel Deutschland. Eineinhalb Jahre war er unterwegs, um hier Geld zu verdienen und seine in einfachen Verhältnissen lebende Familie zu unterstützen. Er war ein fröhlicher Junge, ein Handyvideo zeigt ihn lachend und singend.

Noch einen Tag vor seinem Tod versprach der 16-Jährige seiner Familie, bald Geld zu schicken. Doch wahrscheinlich war er deutlich verzweifelter, als er vorgab. Er lebte in einer Jugendhilfeeinrichtung, litt unter Schlafstörungen, weinte viel, war psychisch labil.

Am 8. August 2023 sitzt er zusammengekauert im Hof, ein Küchenmesser auf sich gerichtet. Der Leiter der Jugendhilfeeinrichtung ruft die Polizei. Zwölf Einsatzkräfte sind vor Ort. Aber auf ihre Ansprache reagiert Dramé nicht, daraufhin setzten sie Pfefferspray ein. Dann soll er aufgestanden und auf die Beamten zugegangen sein. Zwei schießen mit Tasern auf ihn, die sollen aber keine Wirkung gehabt haben. Fast zeitgleich feuert ein Polizist sechs Schüsse mit einer Maschinenpistole auf den Jungen. Fünf treffen ihn und verletzen ihn tödlich.

Ich vergaß es zu erwähnen: Mouhamed Dramé war schwarz!

Anders als in anderen Fällen von tödlichen Polizeischüssen kommt es jetzt zu einem Prozess. Fünf Polizistinnen und Polizisten sind angeklagt: Der Polizist, der die tödlichen Schüsse abgefeuert hat, ist wegen Totschlags angeklagt, drei weitere Polizistinnen und Polizisten wegen gefährlicher Körperverletzung – der Einsatzleiter wegen Anstiftung dazu.

Mir geht es hier nicht um die Frage, ob es sich bei der Tötung um Notwehr oder um Totschlag und schwere Körperverletzung handelt. Das soll und wird das Gericht klären. Hier geht es darum, welche Stimmungslage dazu führt, dass eine solche eigentlich als absurd erscheinende Handlung, die nach Hilfeleistung für Mouhamed Dramé verlangte, überhaupt möglich wurde.

Hier geht es um die Brandstifter, die eine negative Stimmung im Lande gegen Menschen anderer Hautfarbe und Religion, anderer Sprache und anderer Kultur fördern. Hier geht es um die politischen Vertreter verfassungsrechtlich zumindest bedenklicher Parteien, die Anfragen in den politischen und gesellschaftlichen Raum bringen, mit Fragen wie der Anzahl von Straftaten Geflüchteter. Hier geht es um die politischen Vertreter, die der breiten Bevölkerung versuchen klar zu machen, dass Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, den Alteingesessenen etwas wegnehmen.

Hier wird ein Weltbild gestreut, dass Egoismus vor die Solidarität zu Menschen setzt. Vor Menschen, die Aufgrund ihres Geschlechtes, ihrer Abstammung, ihrer Sprache, ihrer Heimat und Herkunft, ihres Glaubens, wegen ihrer religiösen oder politischen Anschauungen oder aus rassistischen Gründen benachteiligt oder bevorzugt werden.  Das steht, wie sie wissen im Artikel 3 des Grundgesetzes.

Ich erinnere: das im Grundrecht verankerte Recht auf Asyl, ist nicht zuletzt durch die Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Diktatur des zweiten Weltkrieges und der mit ihm verbundenen Flüchtlingsbewegung entstanden. Das Ergebnis des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte, in welcher Menschen, die nicht der Mehrheitsgesellschaft angehören, diskriminiert wurden, was schließlich zur Ermordung von Millionen andersgläubiger, andersorientierter und andersaussehender Menschen geführt hat.

Und hier bitte ich Sie meine Damen und Herren zu beachten: dem vorausgegangen war eine Manipulation der öffentlichen Wahrnehmung über subtile rassistische Kommunikation, mit einfachen Schuldzuweisungen.

Und dies schafft weiterhin und wenn wir nicht aufpassen zunehmend den Nährboden für immer neue rechtsextreme Gewalttaten, angefangen beim Oktoberfestanschlag in den 1980er Jahren, über Mölln, Lichtenhagen und Hoyersverda, über die NSU, die Ermordung von Walter Lübke, den Anschlag in Halle.

Und um es hier noch Mal in aller Deutlichkeit zu sagen. Zumindest der sächsische Verfassungsschutz hat nach 4jähriger Überprüfung den sächsischen Landesverband der AFD als gesichert rechtsextrem eingestuft. Gleiche Einschätzungen in Thüringen und Sachsen- Anhalt waren dem bereits vorausgegangen. Wann es in NRW und endlich auch in Deutschland so weit sein wird, ist nur eine Frage der Zeit. Und diese ist überfällig!

Und nun steht die AFD hier und begründet einen Antrag, der an sich von Engstirnigkeit kaum noch zu überbieten ist, damit, dass ein safe space für People of Color, in einer Ausstellung zum Thema Kolonialismus, geschaffen wurde. Ja und überhaupt, es ist peinlich, dass so etwas notwendig ist, wenn man das Thema Kolonialismus erst zwei bis drei Jahrzehnte später „durchschlägt“ als in Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika, die sich bereits seit den 1970er-Jahren mit den Problemen der Dekolonisierung beschäftigten.

Hier bleibt die Forderung nach einem Ende der kolonialen Amnesie! Auf dem Weg sind wir, nicht zuletzt durch so gute Ausstellungen wie die in der Zeche Zollern in Dortmund. Es wird höchste Zeit, was nicht zuletzt durch diesen Antrag wieder deutlich wird.

Die Verdrehung von Tatsachen hat Geschichte, wir wir alle wissen. Und auch hier nun werden aus Tätern Opfer. Die Vertreter der AFD waren es – und namentlich 2 Mitglieder dieser Landschaftsversammlung, die Herren Seitz und Preuß, die die Ausstellung in Dortmund besucht hatten, ohne sich in irgendeiner Art und Weise zu erklären. Sie waren es, die heimlich und heimtückisch Mitarbeiter*innen des Dortmunder Museums gefilmt haben, ohne Einverständnis der gefilmten Personen oder der Veranstalterin. Sie waren es, die die Mitarbeiter*innen – zugegebenermaßen geschickt – verbal in die Ecke gedrängt haben, ohne dass diese ahnen konnten, dass sie zum Spielball einer perfiden und feigen Öffentlichkeitsaktion würden.

Statt sich zu schämen, erdreistet sich die AFD-Fraktion nun, sich selbst als Weiße – manch einer mag hier das Wort Herrenrasse mithören – als Opfer hochzustilisieren. Und dies nur, weil ihnen an einem Tag in der Woche für wenige Stunden der Zugang zu diesem Schutzraum für den Austausch der täglich von Rassismus und Diffamierung Betroffenen verwehrt wurde. Welche Haltung steckt dahinter? Wer wagt es, mir als Vertreter einer weißen Mehrheitsgesellschaft den Zutritt zu einem Raum zu verweigern, mag ein Gedanke sein, der bei den Antragstellenden mitschwingt?

Und überhaupt, was heißt eigentlich weiße Mehrheitsgesellschaft? Deutschland ist bunt geworden und das ist gut so.

Hochkulturen sind immer im Austausch zwischen den Kulturen entstanden. Sie sind eine Bereicherung des Lebens und erlösen uns vom piefigen Schmoren im eigenen Saft.
Und nun zu Ihrem Antrag. Wir werden ihn ablehnen! Wir werden weiter am Thema Kolonialismus arbeiten und damit die Demokratisierung dieser Gesellschaft nach vorne bringen.

Und – wir werden uns weiterhin für den Schutz von Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, einsetzen.

 

 

Drucken