Haushaltsrede Martina Müller
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Landesdirektor, meine Damen und Herren,
85 Mio. Euro zum 30. November über dem erwarteten Jahresergebnis 2018,
15,15 % – Punkte Umlage für den Haushalt 2019,
die Zahllast der Landschaftsumlage reduziert sich gegenüber 2018 um rund 13,6 Mio. €,
jede Stadt und jeder Kreis in Westfalen-Lippe zahlt erheblich weniger als bei Haushaltseinbringung eingeplant,
alle schwelgen in weihnachtlicher Zufriedenheit.
Hier könnte ich meine Rede beenden und sagen, ja, Politik und Verwaltung im LWL haben einen guten Job gemacht.
Warum sieht die GRÜNE Fraktion das anders, was Sie nach den letzten intensiven Wochen der Haushaltberatungen nicht überraschen dürfte.
Das gute Jahresergebnis 2018 ist ja zu begründen. Da sind zunächst die Auflösung der hohen Rückstellungen, die zum Haushalt 2018 sinnvollerweise im Sozialdezernat erfolgen mussten, weil die Auswirkungen des BTHG, der Pflegestärkungsgesetze II und III und des Inklusionsstärkungsgesetzes NRW völlig unklar waren und keine solide Schätzung ohne belastbare Daten möglich erschien.
Zum anderen sind da die sprudelnden Steuerquellen, die natürlich auch positive Auswirkungen auf die Umlagegrundlagen haben.
D.h. dieser Haushalt ist keine Leistung, für die Sie, meine Damen und Herren von CDU/SPD sich feiern lassen können. Er ist Ihnen wie eine reife Frucht in den Schoß gefallen.
Die Haushaltsverbesserungen in diesem Jahr über die Umlagesenkung weiterzugeben und gleichzeitig die Ausgleichsrücklage sinnvoll aufzufüllen und damit das bilanzielle Eigenkapital zu erhöhen und Schulden abzubauen, ist richtig.
Aber niemand soll glauben, dass es so weitergehen wird. Die November-Steuerschätzungen zeigen einen deutlichen Abwärtstrend. Die Auswirkungen der Kosten der Übernahme der Frühförderung sind nicht absehbar.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir freuen uns, dass den Landschaftsverbänden diese Aufgabe übertragen wurde, um Einheitlichkeit bei hohem fachlichen Standard sicherzustellen. Aber klar ist auch, dass es Geld kosten wird und zum jetzigen Zeitpunkt genaue Fallzahlen und Fallkosten fehlen.
Zu berücksichtigen ist, dass die Auflösung von Rückstellungen, Mehrerträge aus der Grundsicherungserstattung des Bundes und Leistungen nach § 43 a SGB XI und die Zuführungen über das Einheitslastenabrechnungsgesetz (ELAG), die in 2019 wirksam werden, Einmaleffekte sind und die Verbesserungen bei der Hilfe zur Pflege ebenso nicht von Dauer sein werden.
Insofern werden wir im Doppelhaushalt 2020/2021 den Umlagesatz wieder erhöhen müssen. Die Ausgleichsrücklage ermöglicht es uns erst, überhaupt seriös in einen Doppelhaushalt in dieser nach wie vor unklaren Gemengelage zu gehen.
Ohne Auswirkungen des BTHG schlägt die Verwaltung ja bereits jetzt 15,5 %-Punkte für 2020 vor und in dem Jahr greift ja erst die im BTHG beschlossene Trennung von existenzsichernden Leistungen und Fachleistungen.
Ich will an dieser Stelle betonen, dass wir die Forderung an den Bund für eine Dynamisierung bei der Bundesentlastung an den Kosten der Eingliederungshilfe aufrecht erhalten müssen, allerdings sehe auch ich bei dieser Bundesregierung kein Fortkommen in der Frage. Da werden wir wohl die nächsten Bundestagswahlen abwarten müssen.
Warum verdient dieser Haushalt trotz richtiger Eckpunkte keine Zustimmung?
Bei dieser relativ entspannten finanziellen Situation haben Sie es versäumt, einen nachhaltigen, zukunftsfähigen Haushalt zu gestalten und Handlungsspielräume zu nutzen. Dazu fehlen Ihnen Visionen, Phantasie und Ziele.
Bei der Haushaltseinbringung im Oktober hat Landesdirektor Löb angekündigt, bis zum Jahresende einen Vorschlag auf den Tisch zu legen, wie die Erlöse aus einer Veräußerung der 6,6 Mio. RWE-Aktien im Gegenwert von z. Zt. ca. 126 Mio. € (die Aktie stand heute Morgen bei 19,12 €) sinnvoll angelegt werden könnten. Dieser Vorschlag ist nicht erfolgt, weil Sie, meine Damen und Herren der in Anführungsstrichen „GroKo“ auf der Bremse stehen oder – so scheint es von außen – sich völlig uneins sind über das weitere Vorgehen.
Der Landesdirektor hat deutlich gemacht, welches Risiko Sie mit Ihrem Zögern eingehen. Spätestens der Kursverfall der RWE-Aktie in wenigen Stunden nach dem Gerichtsurteil zum Hambacher Forst hätte Ihnen zeigen können, wie gefährlich Ihr Kurs ist. An der RWE-Aktie haben wir schon genug Geld verbrannt. Der Kohleausstieg wird aber kommen und mit ihm das endgültige Ende von RWE-Dividenden-Träumen.
RWE ist Europas größter Klimakiller und seine Braunkohlekraftwerke sind für ein Fünftel des CO2-Ausstoßes in Deutschland verantwortlich. Diese Aktien weiter zu halten, heißt, sich mit schuldig zu machen. Wir müssen wie mittlerweile über 1000 andere Institutionen uns endlich zum Divestment verpflichten. Das wäre auch ein wichtiges Zeichen für die Kommunen und Kreise in Westfalen-Lippe, die auf die Entscheidung des LWL schauen. Gerade gestern kam die Nachricht, dass Düsseldorf seine Rest-Aktien verkaufen will und auch der Rhein-Sieg-Kreis hat gerade den Beschluss gefasst.
Ökologische Fußabdrücke hätte der Haushalt auch bei den GRÜNEN Anträgen zum Einstieg in die Zertifizierung von Gebäuden nach dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen hinterlassen können. Stattdessen bauen wir weiter wie bisher, ausschließlich nach Vorgaben der ENEV.
Auch wenn unsere Anträge zur Mobilität nicht ausdrücklich abgelehnt wurden und im Rahmen des von der Verwaltung angekündigten Mobilitätskonzeptes erneut aufgerufen werden, so zeigte die Debatte doch bereits deutlich, dass CDU und SPD weit weg sind von ökologischen Weichenstellungen im Rahmen des Haushaltes.
Wenigstens die Verwaltung hätte an dieser Stelle Flagge zeigen müssen. Für einen Großteil der Fahrzeuge wurden gerade erst neue Leasingverträge abgeschlossen und zwar ohne ausdrücklich alternativ postfossile Antriebsmodelle vorher auszuschreiben.
Meine Damen und Herren, merken sie eigentlich nicht, dass die Klimakatastrophe längst Realität ist? Haben Sie die Rede von Greta Thunberg gehört? Sie sagte: You are never too small to make a difference“. Wir im LWL sind Teil dieser angesprochenen Politik, die nicht dafür sorgt, dass sich etwas ändert. Und zwar radikal. Kein einziges Signal in Richtung Ökologie und Nachhaltigkeit und wäre es noch so klein gewesen, haben Sie in diesem Haushalt zugelassen.
Auch die Entscheidung „Ausweitung des Jobtickets auf Carsharing-Angebote“ zu schieben, war unnötig. Eine Zustimmung zu diesem GRÜNEN Antrag hätte keinen Einfluss auf ein Gesamtmobilitätskonzept gehabt. Im Gegenteil, es muss und wird ein Baustein dieses Konzeptes werden, genauso wie zusätzliche E-Bike-Ladestationen.
Aber an diesen Entscheidungen zeigte sich exemplarisch das Demokratieverständnis von CDU/SPD in der Landschaftsversammlung. GRÜNEN Anträgen wird politisch motiviert nicht zugestimmt, gleichgültig ob man sie inhaltlich für sinnvoll hält. Man ist sich auch nicht zu schade, das laut zu sagen, wie bei der GRÜNEN Forderung nach Erhöhung der Zuschüsse für die Freilichtbühnen. Kramt dann aber in der politischen Trickkiste, wie man sich dem entziehen kann.
Im Kulturausschuss wurden als Reaktion auf GRÜNE Anträge 7 Zettel aus der Tasche gezogen, zum Teil handschriftlich korrigiert, zum Teil im eigenen Lager nicht abgesprochen, nicht wahr Herr Pavlicic. Statt Erhöhung der Zuschüsse zu Freilichtbühnen, weil absolut notwendig, sollen alle Fördermittel in der Produktgruppe 0401 überprüft werden.
Das ist nicht nur eine Stilfrage. Das ist ein hilfloser Reflex, der zeigt, wie gleichgültig Ihnen die detaillierte Auseinandersetzung mit Inhalten ist.
Das erzeugt Politikverdrossenheit auf der ganzen Linie und ist von den vielen Ehrenamtler*innen an den Freilichtbühnen und den vielen Freilichtbühnen-Besucher*innen nicht mehr zu verstehen.
Aber ich sage Ihnen heute, liebe Aktive an den Freilichtbühnen in Westfalen-Lippe: Im nächsten Jahr erhalten Sie höhere Zuwendungen, dann aber von CDU und SPD beschlossen. Aber dann ist wieder ein Jahr vergangen.
Das ist Ihr Demokratieverständnis, meine Damen und Herren von CDU/SPD!
Ähnlich wird es mit der Förderung innovativer Projekte in Zusammenarbeit mit Hochschulen geschehen. Wenn man selber nicht auf die guten Ideen kommt, muss man sie ablehnen, gleichgültig wie sinnvoll sie sind.
Wir freuen uns, dass wenigstens das Kulturdezernat es auf unseren Antrag ermöglichen wird, dass zwei Jugendgruppen in 2019 einen Jugendaustausch in Westflandern durchführen können, ohne Zustimmung durch die Mehrheitsfraktionen.
Wer den beeindruckenden Film und den Bericht der 30 Studierenden des LWL Berufskollegs – Fachschulen Hamm, die vom 5.-7. November auf Einladung der GRÜNEN Fraktion in Lommel und Ypern waren, sieht und liest, der erkennt, was es für junge Menschen heißt, sich diesem Teil der Geschichte anzunähern.
Gerne kann ich Ihnen beides zur Verfügung stellen. Sie finden Film, Foto und Bericht aber demnächst auch auf unserer Homepage.
Einig waren sich alle Fraktionen, dass die Fahrtkosten für inklusiven Ferienmaßnahmen für Schüler und Schülerinnen der LWL-Schulen übernommen werden müssen. Aber auch hier wurde der Verwaltung gefolgt, den Antrag zurückzustellen.
Zur Klarstellung: In der Vorlage 14/1776 werden alle Anträge der GRÜNEN Fraktion, die nicht abgelehnt wurden, als „zurückgestellt“ bezeichnet. Das ist wirklich ein komischer Begriff, der die Debatte nicht trifft. Richtig ist: Wir haben nicht auf einer Abstimmung bestanden, weil es Absichtserklärungen aus Politik und Verwaltung gibt. Insofern würde der Begriff „ausgesetzt“ oder „nicht abgestimmt“, damit die Anträge weiter aufrecht erhalten bleiben, besser passen.
Nicht nur auf ökologische Signale verzichten Sie bei diesem Haushalt, auch auf die Chance, ein sozialpolitisches Signal an die Kommunen zu senden bei der Betreuung von Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten. 52.000 Menschen leben in NRW derzeit auf der Straße, immer häufiger auch, weil preiswerter Wohnraum fehlt. Für einen positiven Beschluss, weitere Wohnungen für Housing First-Angebote zu bauen und die Kosten ambulanter Betreuung zu übernehmen, fehlte Ihnen der Mut. Stattdessen wollen Sie die Kommunen bei der Suche nach geeigneten Modellen für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten unterstützen.
Meine Damen und Herren von CDU und SPD, diese Modelle gibt es bereits, die muss niemand mehr suchen. Sie müssen nur umgesetzt werden und dabei sollte der LWL helfen.
Das Symposium zum Auftakt des Bauhausjahres 2019 zum Jubiläum „100 Jahre Bauhaus“ titelte „die welt neu denken“. Unter dem Motto „Gestaltung und Demokratie“ verknüpft es das Bauhaus-Jubiläum mit dem 100. Jahrestag der Gründung der Weimarer Republik.
Grund genug den Satz des genialen Architekten und Bauhausgründers Walter Gropius zur Grundlage GRÜNER Haushaltberatungen zu machen.
Er sagte einst: „Gestalten heißt, in Fesseln tanzen“.
Demokratisch gestalten in vorhandenen Spielräumen ist Ihnen, meine Damen und Herren der CDU und SPD, in dem Haushalt 2019 ganz und gar nicht gelungen. Deshalb lehnen wir ihn ab.
Anhang: