Rede Karen Haltaufderheide zum Haushaltsantrag „Erweiterung des Ziele- und Kennzahlensets in der Produktgruppe 0502“
Rede der sozialpolitischen Sprecherin der GRÜNEN-LWL-Fraktion Karen Haltaufderheide zum Haushaltsantrag „Erweiterung des Ziele- und Kennzahlensets in der Produktgruppe 0502“ am 25.01.2018, im Finanz- und Wirtschaftsausschuss des LWL
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,
Es besteht hier weitgehend Einigkeit: Wir wollen mehr Menschen mit Behinderungen ermöglichen, selbstbestimmt zu leben:
Wir schreiben das niemandem vor, wie, aber für die meisten Betroffenen bedeutet das:
- In ambulanten Wohnformen, in Wohngemeinschaften oder in einer eigenen Wohnung zu leben.
Der LWL ist auf einem sehr guten Weg, dieses Ziel zu stärken.
Wir möchten ausdrücklich betonen, dass alle Menschen mit Behinderungen gleichermaßen einen Anspruch haben, selbstbestimmt zu Leben – unabhängig davon, wie viel Unterstützungsbedarf sie haben. Dieser Anspruch gilt nicht nur für Menschen mIt leichten Einschränkungen.
Deshalb möchten wir, dass eine Ergänzung in den Zielkatalog zu der Produktgruppe Ambulant Betreutes Wohnen aufgenommen wird.
Ausdrücklich steht schon da, dass der Anteil von Menschen mit geistiger Behinderung am Ambulant Betreuten Wohnen erhöht werden soll. Das ist eine eher fragwürdige Differenzierung. Wir möchten, dass zusätzlich aufgenommen wird, dass der Anteil von Menschen mit höherem Unterstützungsbedarf erhöht werden soll, unabhängig von der Art ihrer Behinderung.
Das ist etwas, was der LWL mit vielen Maßnahmen sowieso schon anstrebt. Es würde ihm gut anstehen, sich deutlich dazu zu bekennen.
Der zweite Teil des Antrages bezieht sich – im Sinne dieses Zieles – auf die entsprechenden Kennzahlen.
Wir erfahren aus den vorhandenen Kennzahlen, wie viele Menschen stationär und wie viele ambulant betreut wohnen und wie hoch die jeweiligen Fallkosten sind. Wir erkennen aber nicht, wie hoch der Anteil der Personen aus den verschiedenen Hilfebedarfsgruppen im stationären und im ambulanten Bereich ist.
Wir können also gar nicht feststellen, ob unsere gemeinsamen Bemühungen, dass auch mehr Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf selbstständig leben, Früchte tragen. Wir erkennen im übrigen auch nicht, ob die bisherigen Ziele aus dem Katalog erreicht werden.
Der Sinn der Kennzahlen wird damit nur unzureichend erfüllt. Wir sehen keine Entwicklung, wissen nicht, ob unsere Maßnahmen greifen oder ob und wie wir anders agieren müssen. Wir bitten deshalb, die Kennzahlen entsprechend unserem Antrag zu ergänzen.
Abschließend noch ein Wort zu den möglicherweise im Raum stehenden Befürchtungen, dass uns durch eine stärkere Ambulantisierung auch bei hohem Unterstützungsbedarf die Kosten davonlaufen:
Im Ambulant Betreuten Wohnen liegen die Nettofallkosten bei rund 10 000 €, im stationären Wohnen liegen sie bei über 40 000 €. Wir haben also rein rechnerisch noch viel Platz nach oben, sprich einige Möglichkeiten für mehr ambulante Unterstützung, bevor sich die Kosten angleichen. Wir könnten durchaus zu einem höheren Durchschnitt an Fachleistungsstunden im ambulanten Bereich kommen, sollten ihn möglicherweise auch anstreben. Doch dazu müssten wir erstmal die nötigen Informationen über Kennzahlen haben.
Andere sind da offenbar schon ein ganzes Stück weiter. Das sagen uns die BAGüS-Kennzahlen im Ländervergleich. In Hamburg etwa, ist die Ambulantisierungsquote erheblich höher. Dort hat man offenbar auch den Mut, höhere Fallkosten im ambulanten Bereich dafür in Kauf zu nehmen.
Ob sich ein Anstieg im ambulanten Bereich bei uns durch niedrigere Fallkosten im stationären Bereich ausgleichen kann, wissen wir auch wiederum nicht. Auch das würden wir anhand differenzierter Kennzahlen feststellen und dann entsprechend steuern können.
Ganz klar ist, dass wir zwei Dinge nicht wollen: wir wollen weder, dass die Ambulantisierung lediglich ein Sparinstrument ist, noch, dass am Ende nur noch die allerschwerst-mehrfach behinderten Menschen stationär wohnen, weil nach Kosten selektiert wird, wer ambulant wohnen darf und wer nicht. Das ist dann nur wieder eine neue Form von Exklusion.
Also stimmen Sie bitte unserem Antrag zu.
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