EINBLICK Broschüre zur Kommunalwahl 2020
Wahl der 15. Landschaftsversammlung
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landschaftsverband Westfalen-Lippe
LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER, sechs Jahre Opposition, sechs Jahre Stillstand in der Umwelt- und Klimapolitik des LWL, aber auch sechs Jahre Fortschritte z. B. in der Kultur- und Psychiatriepolitik gehen zu Ende. Zeit für einen kurzen Rückblick, aber vor allem für einen Ausblick auf Veränderungen.Für die GRÜNE Fraktion, die mit 13 Mitgliedern in der Landschaftsversammlung und 16 sachkundigen Bürger*innen stark wie nie zuvor war, standen die Klimapolitik, der geforderte Verkauf der RWE-Aktien, selbstverständlich das neue Bundesteilhabegesetz und eine innovative Kulturpolitik im Mittelpunkt der politischen Arbeit. Einem im Juli 2019 mit CDU/SPD beschlossenen Antrag zum Klimawandel (der nicht Kli-manotstand heißen durfte), nach dem zukünftig jede Entscheidung des LWL im Hinblick auf Klimarelevanz zu bewerten ist und der mit der Einstellung eines oder einer Klimaschutzbe-auftragten ein Klimaschutzkonzept auf den Weg bringen sollte, folgte bisher – nichts. Nach wie vor ist die Mobilität nicht Teilbereich des Energiekonzeptes, wodurch die CO2-Emissionen, die durch den Verkehr erzeugt werden, in der Energiebilanz keinen Niederschlag finden. Darüber hinaus konnten in den letzten Jahren bei den Bauvorhaben des LWL über die gesetzlichen Vorgaben hinaus kaum energetische Standards umgesetzt werden. Obwohl der Landesdirektor den Komplettverkauf empfahl, beschlossen CDU, SPD und FDP den Aktienverkauf von lediglich einem Viertel der RWE-Aktien. Der Rest wird in Stiftungen überführt. Verkaufserlöse sollen ohne die von uns geforderten nachhaltigen Anlagerichtlinien wieder in Aktien investiert werden. Nach der Verabschiedung des Landesrahmen-vertrages geht es jetzt darum, vor Ort die Menschen und die Einrichtungsträger bei der Umsetzung zu begleiten. Auf Grundlage des 2013 von uns GRÜNEN stark beeinflussten Aktions-plans Inklusion brachten die Fortschrittsbe-richte in dieser Wahlperiode konkrete Schritte, u.a. eine nahezu barrierefreie Homepage, die bundesweit ihresgleichen sucht. Die Fraktion hat im innovativen Kulturentwicklungskonzept eine GRÜNE Handschrift hinterlassen. Diversität als alltäglicher Bestandteil der Kulturarbeit ist in diesem Konzept nicht nur ein Schlagwort, sondern wird mit Zielen hinterlegt. Es gibt konkre-te Handlungsempfehlungen, Kindern und Jugendlichen, Menschen mit Handicaps, Menschen mit Migrationsgeschichte und Menschen aus bildungsfernen Schichten mit besonderen Angeboten kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Mit der Digitalisierung steht der LWL vor einer großen Herausforderung. Wir GRÜNE haben vergeblich versucht, durch höhere Haushalts-ansätze für Personal und Sachmittel Prozesse zu beschleunigen. Eine Fusion der Westfälischen und Rheini-schen Provinzial-Versicherungsgesellschaften wurde und wird nach wie vor von der GRÜ-NEN Fraktion als sinnvoll erachtet. Wie der Prozess ausgehen wird, dürfte sich in naher Zukunft entscheiden. Trotz anfänglicher Widerstände von CDU/SPD ist es gelungen, den GRÜNEN Landesrat Professor Dr. Meinolf Noeker als Gesundheits- und Krankenhausdezernenten wiederzuwählen. Er hat in den letzten sechs Jahren hervorragende Arbeit geleistet und den Psychiatrieverbund fachlich und wirtschaftlich weit nach vorne gebracht.
Ziel ist es, nach den Kommunalwahlen am 13. September wieder gestalten und GRÜNE Inhalte wieder mehr umsetzen zu können. Wir kämpfen für eine noch stärkere GRÜNE Fraktion in der Landschaftsversammlung.
Martina Müller Fraktionssprecherin, Karen Haltaufderheide Fraktionssprecherin
3. Februar 2020 | Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe
SOZIALPOLITIK
Eingliederungshilfe für ein selbstbestimmtes Leben
Die Eingliederungshilfe war in der laufen-den Wahlperiode von starken Umbrüchen geprägt. Dies betraf die Einführung neuer Hilfeplanverfahren unter dem Stichwort Teilhabe 2015, die wir kritisch und stets in engem Kontakt mit den freien Trägern begleitet haben. Zentral war die Entwicklung und Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG).Unsere Vorstellung von mehr selbstbestimmtem Leben, mehr Teilhabe und einer kompletten Herauslösung der Eingliede-rungshilfe aus der Sozialhilfe durch dieses Gesetz hat sich nicht vollständig erfüllt. Insbesondere kommt es darauf an, die Umsetzung für die Betroffenen so teilhabe-orientiert, selbstbestimmt und inklusiv wie möglich zu gestalten. Diese Aufgabe und die Evaluation des BTHG und der damit verbun-denen Instrumente (z.B. BEI.NRW) wird uns weiter begleiten. Uns ist es wichtig, dass es nach der Umbruchphase zu zumutbaren und verlässlichen Bearbeitungszeiten und -abläufen kommt. Eine Zahlungslücke bis zum Bewilligungsbescheid ist nicht zumutbar. Die finanzielle Situation in der Eingliederungshilfe war zum einen geprägt durch weiterhin steigende Fallzahlen und -kosten, zum anderen durch extreme Unsicherheiten über die finanziellen Auswirkungen des BTHG für den Landschaftsverband. Dies führte zu Sparmaßnahmen im Haushalt bei gleichzeitigem Ausbau des LWL-Controllings und Personalaufstockungen. Für uns steht das Wohl der Betroffenen bei notwendigen Optimierungsprozessen an vorderster Stelle. Eine stärkere Zentralisierung sehen wir fachlich und unter Klimaschutzgesichts-punkten kritisch. Ein partnerschaftliches Verhältnis zu den freien Trägern und den Mitgliedskommunen muss erhalten bleiben. Veränderungen müssen immer wieder auch aus dem Blickwinkel der Betroffenen, der Träger und der Kommunen hinterfragt und überprüft werden.Selbstbestimmt leben im QuartierWir haben uns immer dafür stark gemacht, dass möglichst viele der vom LWL betreuten Menschen mit Behinderung selbstbestimmt in der eigenen Wohnung im Quartier leben können. Die Anzahl dieser Menschen hat sich erfreulich gut entwickelt. Doch die Kostenfrage darf nicht der entscheidende Faktor sein: Auch Menschen mit hohem Hilfebedarf haben das gleiche Recht auf Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben.
Daher haben wir uns immer wieder dafür eingesetzt, die Zahl der bewilligten Fach-leistungsstunden für ambulant betreute Menschen heraufzusetzen. Wir begrüßen das Programm der LWL-Selbstbestimmt-Wohnen gGmbH, mit dem modellhaft in den nächsten Jahren fünfzehn Wohn-Projekte mit den Schwerpunkten Technikunterstützung und Quartiersanbindung gefördert werden. Wir wollen, dass der LWL gemeinsam mit Kommunen für die Entwicklung inklusiver Sozialräume arbeitet. Dazu gehören auch inklusive Angebote für Freizeit und lebenslange Bildung. Daher engagieren wir uns dafür, dass inklusive Modelle für Lebenslanges Lernen ausgeweitet werden. Gemeinsam mit interessierten Trägern kann der LWL dazu Modellprojekte auf den Weg bringen. Auch für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten – z.B. Verlust der Wohnung – wollen wir Wohnprojekte entwickeln. Nach dem Konzept des Housing First soll der Landschaftsverband Wohnraum zur Verfügung stellen. Finanzielle Mittel dafür können aus dem Verkauf der RWE-Aktien geschöpft werden.
Teilhabe am Arbeitsleben
Die zusätzliche Förderung von inklusiven Arbeitsplätzen musste gebremst werden, da die Mittel der Ausgleichsabgabe nicht mehr ausreichen. Das Instrument der Ausgleichsabgabe ist für einen inklusiven Arbeitsmarkt wenig geeignet. Es wird umso unzureichender, je mehr Arbeitsplätze in Inklusionsbetrieben entwickelt werden. Wir setzen uns auf Bundesebene für neue Förderinstrumente ein, damit das Ziel der Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt seitens des LWL weiter konsequent verfolgt werden kann. Beim Übergang von der Schule zum Beruf wollen wir mit guten Fördermöglichkeiten möglichst vielen jungen Menschen von vornherein einen Weg in den regulären Arbeitsmarkt ermöglichen. Werkstätten werden weiterhin notwendig sein. Die neue Form der sogenannten anderen Leistungsanbieter soll modellhaft und unter klaren Qualitätskriterien für kleine Arbeitseinheiten entwickelt werden. Für die steigende Zahl von Menschen mit psychi-schen Erkrankungen brauchen wir passgenaue Angebote.
Digitalisierung inklusiv
Digitalisierung darf nicht zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft führen in diejenigen, die per Internet über das Wissen der Welt verfügen und diejenigen, die keinen Zugang haben. In einer digitalisierten Welt sollte das Internet und dessen Nutzung allen offenstehen. Mit dem Onlinezugangsgesetz müssen ab 2022 alle Leistungen der öffentlichen Hand online abrufbar sein. Das erfordert barrierefreie Portale mit Leichter Sprache und anderen Unterstützungsange-boten für Menschen mit Behinderung. Wir wollen, dass die materiellen und technischen Zugangsmöglichkeiten zum Internet als Daseinsvorsorge zur Verfügung stehen. Die Möglichkeiten der Digitalisierung zur Unterstützung und zur Deckung behinderungsbedingter Bedarfe muss konsequent genutzt werden. Technische Unterstützung ermöglicht erweiterte Selbständigkeit. Es muss gleichzeitig an Standardisierungen für technische Unterstützung gearbeitet werden, damit es beim Wechsel z.B. von der Schule zum Beruf nicht zu Brüchen kommt. Die Entscheidung, ob und wie technische Unterstützung z.B. in der Pflege genutzt wird, muss bei den Betroffenen bleiben. Menschliche Zuwendung ist nicht durch Digital-Angebote zu ersetzen.
GESUNDHEITSPOLITIK
Versorgung, die sich am Menschen orientiert
Die Zahl der Menschen, die aufgrund einer psychischen Krise oder einer psychischen Störung Hilfe und Therapie benötigen, nimmt deutlich zu. Zudem müssen wir uns als Gesellschaft fragen, wie wir unser Zusammenleben mit psychisch kranken Menschen gestalten wollen. Wir GRÜNEN setzen uns dafür ein, durch Aufklärung Tabus aufzubrechen und Ausgrenzung zu verhindern. In den Kliniken des LWL ist eine menschen-rechtsorientierte psychiatrische Versorgung zu gewährleisten. Wir haben im LWL dazu einen Standard zum Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen erarbeitet und verabschiedet. Dieser setzt Maßstäbe. Er gibt einen verbindlichen Rahmen für einen ethischen, rechtssicheren, qualifizierten und vor allem humanen und respektvollen Umgang bei Krisen mit deutlicher Eigen- oder Fremdgefährdung vor. Die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung muss sich am Bedarf ausrichten. Sie kann für die Betroffenen einen Unter-schied machen, der ganze Lebenswege auffängt und neu zu bahnen hilft. So begrüßen wir grundsätzlich eine Richtlinie für die Personalausstattung mit einer klaren Definition, wie viel Personal für eine leitlinien-gerechte Behandlung notwendig ist. Diese Absicherung des Personalstandards darf jedoch nicht über kleinteilige, bürokratische Kontrollmechanismen erfolgen. Ist ein bedarfsgerechter Personalumfang definiert, muss die Klinik dennoch frei entscheiden können, auf welchen Stationen welche Kräfte am sinnvollsten eingesetzt werden. Verantwortliche Personen vor Ort können dies tagesaktuell besser entscheiden als starre Richtlinien. Wir brauchen eine Personalbemessung, die das therapeutisch Notwendige und nicht das Mindeste in den Fokus nimmt. Nur so können bedürftige Menschen von einem Klinikaufenthalt wirklich profitieren. Auf der anderen Seite kann die Arbeit im Krankenhaus für die Beschäftigten Sinn stiften und attraktiv bleiben. Wir müssen mit guten Arbeitsbedingungen und fairer Bezahlung der Beschäftigten Ernst machen, wenn wir die bedrohlichen Nachwuchsprobleme in Medi-zin, Therapie und Pflege wirksam eingrenzen wollen. In einem ersten Schritt haben wir uns dafür eingesetzt, dass Menschen mit einer psychischen Erkrankung und einer chronischen Alkohol- und Drogenabhängigkeit auch in kleineren Wohneinheiten das Leben in mehr Selbstbestimmung gestalten können.
Der Schwerpunkt unserer Arbeit im Bereich Jugend und Schule war und ist die inklusive Bildung und Erziehung im frühkindlichen sowie im schulischen Bereich. Um unsere Haltung und Aussagen zur schulischen Inklusion deutlich vorzubringen, erarbeitete die Fraktion ein Positionspapier, das maßgeblichen Eingang in den Abschlussbericht der Kommission „Zukunft der Bildung“ der GRÜNEN NRW fand.Konkret: Im Kita-Bereich ist das Ziel der gemeinsamen Erziehung weitestgehend erreicht, die Zahl der rein heilpädagogischen Kitas sinkt weiter.Im Gegensatz zum Bereich der frühkindlichen Bildung und Erziehung ist die gemeinsame Unterrichtung von Schüler*innen mit und ohne Behinderungen im schulischen Bereich nicht im gleichen Maße verwirklicht. Inklusion ist und bleibt aber ein Grundrecht, dem wir verpflichtet sind. Wir initiierten daher, dass der LWL bei bestimmten inklusiven Ferienmaßnahmen vor Ort die Fahrtkosten übernimmt. Gerade die Höhe der Fahrtkosten verhinderte in der Vergangenheit solche Projekte. Wir setzen uns als nächste Schritte für weitere Kooperationen im Unterricht und in der Freizeitgestaltung zwischen allgemeinen Schulen und Förderschulen ein. Ein weiterer Baustein für das Grundrecht auf Inklusion ist die Einrichtung von Bera-tungshäusern. Auch durch unsere Initiative gibt es inzwischen in allen westfälischen Regierungsbezirken Beratungshäuser. Eine Forderung nach höheren Einkommensfreigrenzen für die Erhebung von Eltern-beiträgen an den LWL-Förderschulen mit offenem Ganztag fand keine Mehrheit. Auch die Themen Digitalisierung und Neue Medien sind für die Förderschulen sehr wichtig und wir unterstützen mit Nachdruck den Ausbau. Angestoßen haben wir zudem das Thema „Gesunde Schulverpflegung“. Im Rahmen von Haushaltsanträgen setzten wir uns für die Emissionsminderung bei der Beförderung der Kinder durch Schulbusse ein und stießen eine Diskussion an. Wir sind sehr stolz, dass wir eine parteiüber-greifende Akzeptanz erreicht haben, durch Schulfahrten zu Orten der Erinnerung an Krieg und Gewaltherrschaft ein geschicht-liches Bewusstsein für Verantwortung und Handeln zu schaffen. Im Vorfeld initiierten wir die Fahrt einer LWL-Schule nach Lommel (Westflandern), die die Fraktion auch finanziell unterstützte. Diese Fahrt erinnerte an die hundertjährige Wiederkehr des Kriegsendes 1918.
KULTURPOLITIK
Feminismus
Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung und auch die Zuweisung von neuen Aufgaben stellen den Land-schaftsverband vor große Herausforderungen. Zunehmend müssen auch hier Quereinsteiger*innen angeworben und für ihre zukünftigen Aufgaben geschult werden. Das ist eine große Herausforderung in einer Zeit, in der durch vergangene große Sparrunden auch in der Personalpolitik die Arbeitsverdichtung in allen Bereichen angesagt ist. Um die Mitarbeiter*innen halten zu können, werden vermehrt flexible Arbeitszeitmodelle sowie Homeoffice angeboten. Wichtig sind auch frühzeitige individuelle und regelmäßige Personalentwicklungsgespräche, damit Mitarbeiter*innen ihre beruflichen Perspektiven mit ihrer Familien- und Lebensplanung in Einklang bringen können. Frauen in Führungspositionen und Führen in Teilzeit für alle Geschlechter gehören für moderne Arbeitgeber*innen dazu. Sachgrundlose Befristungen sind grund-sätzlich nur noch in besonderen Ausnahmefällen zulässig. Auch dies ist ein wichtiges Mittel, um eine Bindung des Personals an den LWL zu erhalten. Ob eine Ausweitung der vom LWL angebotenen Kita-Plätze notwendig wird, gegebenenfalls an anderen Standorten, muss für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ständig überprüft werden. Als großer Arbeitgeber im Innenstadtbereich von Münster machen wir uns auch für eine neue Mobilitätsplanung stark. Gerade im Hinblick auf den Neubau von zusätzlichen Büroräumen am Hauptverwaltungssitz ist es erforderlich, zusätzliche Mobilitätsangebote zu machen.